„Ich hab Sie fahren gesehen! So, wie Sie durch die Gegend fahren, ist das aber auch nicht in Ordnung!“ sagte die Frau in Polizeiuniform zu mir.
Am Samstag, den 22. Februar 2014 war ich nachmittags in einem Ehrenfelder Fitness-Studio zu Gast beim Workshop „Rechte und Pflichten für Radfahrer“, gehalten von der Kölner Polizistin Stephanie Schleifer, organisiert vom Projekt „Von 0 auf 60 – gezielt Radfahren!“ von Peter Zaun vom „Profishop Kunde“ auf der Aachener Straße. Obwohl ich in diesem Blog prinzipiell keine Werbung mache, möchte ich diesen Workshop -der vom Betreiber eines Fahrradgeschäftes organisiert wird, also natürlich auch wirtschaftliche Interessen verfolgt- lobend erwähnen. Peters Ziel ist es nicht einfach, Geld zu verdienen, sondern Menschen aller Altersklassen auf das Fahrrad (in diesem Falle Rennrad) zu bringen. Am Ende steht das Resultat, als Anfänger („von Null“) beim Jedermannrennen „Rund um Köln“ (die 60km Strecke) mitgefahren zu sein – dazwischen jede Menge Training, das Erlernen von Know-How, Technik und Wartung des Materials und die Faszination, Fahrrad, bzw. Rennrad mit vielen Gleichgesinnten zu fahren. Und eben auch die Aspekte drumherum – wie an diesem Tage also, sich der Rechte und Pflichten als Fahrradfahrer bewußt zu werden. Theorethisches Training sozusagen. Was liegt also näher, als dieses theorethische Wissen durch Fachpersonal näher zu bringen?
In den vergangenen Jahren nahm Joachim Schalke, Polizist, Fahrradfahrer und seit einiger Zeit auch adfc-Vorsitzender diese Aufgabe wahr. Schalke kennt die Praxis als Alltagsradler, die Theorie in allen Details und bildet sich permanent auf freiwilliger Ebene aus intensivem Interesse fort. Ebenso ist er über sämtliche Forschungsergebnisse ausführlich informiert. Ich habe zwar nicht diesen Workshop, aber einige andere Vorträge Schalkes in den vergangenen Jahren gehört und kann ihm fundiertes Wissen, Empathie und adäquate didaktische Fähigkeiten attestieren. Leider ist Herr Schalke seit einigen Monaten bei der Polizei Köln wohl nicht mehr für die Aufklärungsarbeit an Radfahrern zuständig.
Die Nachfolgerin von Herrn Schalke ist also Frau Stephanie Schleifer, die den diesjährigen Vortrag hielt. Peter Zaun hatte mich bereits vor einigen Monaten angefragt, ob ich teilnehmen mag und nicht unerwähnt gelassen, daß ich herzlich eingeladen bin, da durchaus -natürlich nur als Teilnehmer- auch sachliche Argumente anzubringen. Ich sagte gerne zu.
Frau Schleifer ist eine adrette Person mit freundlichem und in diesem Falle auch kumpelhaftem Auftreten. Die Teilnehmer durften sie -obwohl sie in kompletter Polizeiuniform auftrat- Duzen („Steffi“) und sie duzte sie auch (während sie mich, trotz meines Namenschildes auf dem „Marco“ stand mit „Herr Laufenberg“ ansprach. Immerhin wußte sie, wer ich bin.), das schafft Vertrauen! „Berühmtheit“ erlangte Frau Schleifer durch die Tatsache, daß sie Kölns „erste Video-Fahrradpolizistin“ ist (dieses Projekt wurde wieder eingestellt). Sie kommt auch im Präventionsportal „Die Polizei Dein Partner“ zu Wort, wo u.a. über „Repression gegen Rowdytum“ unter Radfahrern geschrieben wird. Damit, daß man „konsequent die zur Verfügung stehenden repressiven polizeilichen Maßnahmen“ gegenüber „Kampf-Radlern“ einsetzen müsse, wird ihr Wirken hier beschrieben. Bliebe also nur noch zu klären, was „Kampf-Radler“ genau sind.
Zu Beginn des Workshops sollten die Teilnehmer in den Raum werfen, was Ihnen bezüglich der Rechte und Pflichten von Radfahrern wichtig oder unklar erscheint, bzw. worauf ihr Augenmerk liegt. Frau Schleifer schrieb die in den Raum geworfenen Begriffe auf ein Flipchart, diese waren: „Kolonnen fahren“, „Radwegbenutzung, Überholen auf dem Radweg“, „Einbahnstraßen“, „Beleuchtung“, „Geschwindigkeitsbeschränkung“, „Abstandsregelung (für und gegenüber Radfahrern)“ und „Hupen, Betätigen der Scheibenwaschanlage während des Überholens“.
Frau Schleifer begann nun ihren Vortrag, der mit per Beamer auf Leinwand geworfenen Folien begleitet wurde. Bevor sie auf einzelne Punkte der StVO (die sie im Weiteren chronologisch abhandelte) einging, malte sie zur Einführung ein Bild, dessen man sich bei Konfliktsituationen bewußt sein sollte: „seid doch mal Kinder und regt Euch nicht so über andere auf“. Kinder ärgern sich gegenseitig, „kloppen“ sich, heulen und schreien rum, um dann wenige Augenblicke später wieder gemeinsam im Sandkasten zu sitzen und zu spielen, ganz ohne Folgen oder nachtragend zu sein. Dem stimme ich -als studierter Pädagoge- mit Sicherheit zu, bezweifle allerdings, ob man das so ohne weiteres auf den Straßenverkehr, bzw. Konfliktsituationen zwischen Radfahrern und Kraftfahrern, übertragen kann. Frau Schleifer erläuterte, daß sowas ausgeht wie das „Hornberger Schießen“, ein Ausdruck, den sie augenscheinlich sehr mag, erwähnte sie ihn doch gleich mehrere Male (ich hab das übrigens schon öfters von Polizisten gehört, vielleicht ist das so eine Art Generalmetapher in der Ausbildung?). Nun, was das „Hornberger Schießen“ ganz genau war, darüber ist man sich ja nicht so ganz einig – nimmt man es als Sinnbild dafür, daß eine Sache im Sande verläuft, so hat Frau Schleifer, was eine Diskussion vor Ort angeht, vermutlich Recht. Da sollte man als bedrängter Radfahrer im Zweifel also wirklich seine Emotionen zügeln und einfach eine Anzeige erstatten, finde ich. So sehr der martialische Vergleich mit einem „Schießen“ stimmen mag (das, was viele Radfahrer auf Kölner Straßen erleben, muß man als Angriff, oftmals gar als „Krieg“ verstehen), so sehr hinkt der Vergleich mit den Kindern im Sandkasten: diese sind wohl meistens eher gleich stark. Ein Kraftfahrzeug gegen einen (Renn)Radfahrer heißt aber im Normalfall ein (Über)Gewicht von einer Tonne gegen unter 8 Kilogramm. Daß da einer der Stärkere ist und der andere im Zweifelsfalle „unter die Räder“ kommt, liegt auf der Hand.
Desinformation durch Weglassen
Trägt man vor, kann man informieren (was man im Normalfall auch will) oder bewußt falsch informieren, was jedoch durch Fachwissen oder Recherche widerlegt werden kann. Die perfidere Art und Weise, falsch zu informieren, ist, Information -ob gezielt oder versehentlich- wegzulassen. Damit es nicht so auffällt, kann man das dann noch mit positiven Elementen (in Köln heißt das „Zückerchen geben“) garnieren.
„Radfahrer gehören auf Radwege!“
Frau Schleifer arbeitete nun die StVO ab. Dies machte sie fachkundig, eloquent und immer mit einem Augenzwinkern kumpelhaft. Sie gab an, daß bei ihrer Arbeit „kleine Maßnahmen gut“ gegenüber Radfahrern sind, aber die Menschlichkeit natürlich wichtig ist, damit diese auch einsichtig sind. §1 StVO (der im Zweifel immer für alles und jede Situation herhält) wurde erläutert, Vorsicht und Rücksichtnahme müssen immer und uneingeschränkt gelten. Das sehe ich natürlich genauso, ich hätte es aber durchaus erwartet, daß hier nochmal explizit darauf hingewiesen wird, daß dies für den Stärkeren insbesondere gilt, Stichwort Betriebsgefahr. Letztlich kam Frau Schleifer im Verlauf des Workshops immer wieder darauf zurück – in einer Konfliktsituation gilt §1.
§2 StVO wurde durch ein Foto eines Horrorszenarios (welches ich in mehreren Vorträgen schon gesehen hatte) illustriert. Ein PKW (Fiat) stand auf einem Fahrradstreifen (mit VZ295 (durchgezogene Linie) abmarkiert, also benutzungspflichtig), ein Radfahrer mußte entsprechend ausweichen, einen anderen sah man, wie er entgegen der Fahrtrichtung den Streifen benutzte. Die Intention war klar, Frau Schleifers Aussage dann auch: „Fahrzeuge benutzen die Fahrbahn, Radfahrer benutzen den Radweg, Fußgänger benutzen den Gehweg„. Das Zückerchen war in diesem Falle der böse Kfz-Führer, der seinen Fiat auf dem Radstreifen parkte, denn „das darf der natürlich nicht“. Daß dieser Streifen komplett untermaßig und somit hochgradig illegal war (der Kleinwagen ragte ein weites Stück über die Linie hinaus) fand selbstredend keine Erwähnung, ebensowenig wie der genaue Wortlaut von §2.1: „Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte.“ Kein Wort davon, daß benutzungspflichtige Radwege nach §2.4 StVO eine Ausnahme nur bei einer qualifizierten Gefahrenlage darstellen, der eine intensive Prüfung nach §45.9 StVO voraus gehen muß. Kein Wort davon, daß solch ein Weg überhaupt benutzbar und zumutbar sein muß, geschweige denn, wie sich das definiert. Stattdessen einfach und lapidar: „ausgeschilderte Radwege müssen grundsätzlich benutzt werden“, solange es eine Radwegebenutzungspflicht gäbe. In der Hoffnung, daß Frau Schleifer hier mitliest (meinen Blog kennt sie, dazu später mehr), sollte sie sich in der Hinsicht fortbilden lassen, als das erstmal klarzustellen ist, daß es eine RWBP schlichtweg nicht gibt. Ulrich Kasparick (PSt beim BMVBS, SPD) sagte dazu in der Anhörung zur Petition zur Abschaffung der Radwegebenutzungspflicht am 18.2.2008 „Wir haben in Deutschland keine Radwegebenutzungspflicht. Das ist offensichtlich noch ein Relikt aus dem alten Stand der alten Straßenverkehrsordnung.“ Das ist letztlich ein wesentlicher Grund, weswegen diese Petition nicht erfolgreich war: was es nicht gibt, kann man nicht abschaffen. Das muß man alles nicht im Detail wissen, sollte man aber sicherlich, wenn man über „Rechte und Pflichten für Radfahrer“ referiert.
Wie der Leser sich vorstellen kann, war dies der erste Moment in dem ich mich sachlich einschaltete und die Gesetzeslage kurz erläuterte. Das Auditorium, größtenteils ja Menschen, die sich noch nicht im Detail auskannten, war sichtlich verwirrt. Frau Schleifer beharrte auf ihrem Vortrag und meinte, wenn ein Radweg nicht in Ordnung wäre, können man ja „einen Dreizeiler an die Stadt schreiben, solange unterliegen Sie der Benutzungspflicht„. Daß Diskussionen mit definierten Amtsmeinungen aussichtslos sind, ist mir klar. Aber immerhin: die fehlende Information war nachgereicht und die Rezipienten haben zumindest die Möglichkeit, sich ihre Meinung zu bilden oder zu recherchieren. Der „Dreizeiler“ war für mich der Running Gag des Nachmittages. Mit dem Nachlesen, wieviel so ein Dreizeiler an die Stadt Köln bringt, kann man in diesem und den Nachbarblogs so einige Winterabende verbringen. Viel Vergnügen!
Aus dem Auditorium kam auch die Frage, ob die Polizei sich die Anordnung von benutzungspflichtigen Radwegen anguckt, was Frau Schleifer verneinte. Schade, denn nach §45.9 StVO und der dazugehörigen VwV ist die Polizei an solchen Entscheidungsfindungen wohl beteiligt, bzw. müßte es sein. Ebenso, wie jeder Polizist verpflichtet ist, eine außerordentliche Verkehrsschau vorzunehmen, sobald ihm eine Gefahrenlage wie ein gefährdender (statt schützender!) Radweg bewußt wird oder er darauf hingewiesen wird. Einfacher kann man Verantwortung also nicht von sich weisen, während andererseits die Einhaltung der Regeln, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht, von der Kölner Polizei vehement und zur Zeit immer repressiver eingefordert und sanktioniert wird.
Weiter ging es mit den nächsten Paragraphen. Es wurde geklärt, was ein Fahrzeug überhaupt ist und was nicht. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Regeln beim Überholen (auch wenn Frau Schleifer den Umstand, daß Radfahrer an Ampeln rechts vorbei fahren dürfen, zunächst vergaß), Vorfahrtsregeln, etc. wurden erläutert. Ich werde mich damit in diesem Artikel nicht sonderlich aufhalten. Die Thematik wurde sehr gut verständlich, korrekt und anschaulich erläutert. Es wurde dargestellt, was an einem Fahrrad alles vorhanden sein muß (auch wenn nicht erklärt wurde, wie man das an gängigen Klickpedalen mit Reflektoren handeln soll), garniert mit ein wenig persönlicher Anschauung: „Reflektoren am Mantel kann ich nicht so empfehlen, die werden irgendwann dreckig oder blättern ab“ – meine Marathons reflektieren nach 25.000km und jeder Menge (mit Wasser wieder abgewaschenem) Schlamm immer noch. Aber gut, das sind Marginalien. Das war ein ordentlicher und sachlicher Vortrag, dem jeder im Raum gut folgen konnte.
Amtsmeinung und Weltanschauung wurden aber dann doch wieder in den Workshop eingebaut. Es war die Rede von einem „schönen Radweg“, den man befährt (obwohl Frau Schleifer „auch Radfahrer“ ist, scheint sie das nicht so oft in Köln zu sein) und sie erwähnte geschehene Unfälle, wo jemand „aus unerklärlichen Gründen“ umfällt und mit dem „Kopf unter dem Bus“ landet, anstatt einfach auszusprechen, was durchaus auch Gründe sein könnten: fehlender Sicherheitsabstand beim Überholen. Immerhin: Frau Schleifer sprach es dann deutlich aus: es gibt eine große Gefahr beim Abbiegeverkehr.
Der Radfahrer muß auf alles achten!
Ich gebe zu, im folgenden Abschnitt mußte ich mich ein wenig im Zaum halten, um die Contenance zu bewahren. Frau Schleifer erzählte von einer Präventivmaßnahme, als man Verkehrsteilnehmer ansprach, um auf die Gefahren des „Toten Winkels“ hinzuweisen. Am Rudolfplatz sprach sie einen Mann an, der auf dem dortigen „Radweg“ am Hohenzollernring, Ecke Aachener Straße an der Ampel stand, daß er auf den „Toten Winkel“ achten solle. Währenddessen stand ein LKW neben ihm auf der Fahrbahn. Der Mann hörte zu, nickte und als er „grün“ bekam, fuhr er einfach los – während der LKW nach rechts abbog und ihn fast erwischte! Es folgte kein Wort über die gefährdende Verkehrsführung (der Radverkehr wird hier benutzungspflichtig im toten Winkel geführt) oder die offenbar mangelnde Umsicht des LKW-Führers, sondern ausschließlich die Echauffage der Art „wie kann der das machen, ich hab’s ihm doch gerade noch gesagt!“. Ich meldete mich zu Wort und erläuterte, daß ich genau an dieser Stelle vor einiger Zeit den Verantwortlichen der Stadt Köln bei einer „Toter Winkel“ Kampagne vor Augen geführt habe, daß der „Radweg“ im toten Winkel geführt wird, indem ich das per handwerklicher Methode (abmessen des Abstandes vom LKW zum Radweg und zum abmarkierten „Toten Winkel“) nachwies und man deshalb sicherer auf der Fahrbahn fährt. Sie hätte also wohl besser mal einen Dreizeiler an die Stadt wegen der katastrophalen Führung des Radverkehrs geschrieben. Frau Schleifer hatte darauf eine für mich schlicht sensationelle Antwort parat: „Der tote Winkel ist ja bei jedem Fahrzeug anders!“. Allerhand! Sie meinte, daß es natürlich eine Hierarchie im Straßenverkehr gäbe und man sich da dann halt anpassen müsse. Nun merkte ich doch deutlich, daß sie da nicht weiter diskutieren und zum nächsten Punkt kommen wollte. Aber gut, die „selbst Schuld“-Mentalität und daß der Stärkere Vorrang hat, kennen wir ja schon.
„Ich wünsche mir eine Helmpflicht!“
Wie ich vermutete, würde irgendwann auch das Lieblingsthema und Allheilmittel der Kölner Polizei, „Helm!“ eine Bedeutung im Workshop haben. Frau Schleifer sagte dann, daß sie sich eine „Helmpflicht für Kinder bis 16 Jahre“ wünschen würde, damit diese dann weiterhin freiwillig einen Helm tragen, wenn sie älter sind. Fakten oder Nicht-Fakten, was das Tragen eines Helmes, bzw. eine Helmpflicht angeht, brachte sie nicht an, stattdessen aber die sublime Botschaft, „Es gibt ein Gerichtsurteil, das bei Unfällen den Radfahrern eine Mitschuld gibt, wenn sie keinen Helm trugen“. Dass dieses Urteil des OLG Schleswig zum einen jede Menge Kritik von verschiedenen Verbänden und Fachleuten nach sich zog und angefochten wurde, erwähnte sie nicht, ebensowenig wie das Urteil des OLG Celle vom 12.2.2014, das letzte Woche veröffentlicht wurde und diese Aussage verneint. „Ich war letzte Woche im Urlaub“ war ihre Antwort, als ich und ein weiterer Teilnehmer des Workshop es erwähnten. Urlaub schützt vor Fortbildung nicht, schon gar nicht, wenn man unterrichtet. Passt aber nicht in die Doktrin zur Haltung der Kölner Polizei.
Gib den Affen Zucker!
Es gab nun wieder ein paar Zückerchen. Viele der anfangs erwähnten Punkte der Teilnehmer waren schon abgearbeitet, es ging in die hinteren Bereiche der StVO. Es wurde geklärt, was ein „geschlossener Verband“ ist und auch ganz deutlich gesagt, „ihr dürft prinzipiell nebeneinander fahren„, schließlich dürften wir uns genauso während der Fahrt unterhalten, wie Autofahrer das tun. Das ist alles wunderbar, zumal das wohl leider die wenigsten Kraftfahrer wissen und stattdessen meinen, wir würden da etwas falsch machen und uns das oftmals -Kraft ihrer Hupe oder gar ihres Fahrzeugs- spüren lassen. Verwundern konnte Frau Schleifer hier aber dennoch, denn sie sagte uns, daß wir den geschlossenen Verband öffnen müßten, sobald uns ein Fahrzeug überholen möchte. Meine Frage „wo steht das?“ konnte sie aber nicht beantworten, da müsse sie nachschlagen. Ich habe das eben kurz getan und weder in der StVO, noch hier oder hier etwas darüber gefunden. Aber ich unterrichte ja auch nicht. Ich freue mich über Aufklärung in der Kommentarfunktion.
Zum Anhupen und (offensichtlich absichtlichem) Betätigen der Scheibenwaschanlage meinte Frau Schleifer tatsächlich, daß man ja außerorts einen Überholvorgang per Hupe ankündigen darf (woraufhin ein Workshopteilnehmer konterte, „komisch, daß der dann aber neben mir hupt„) und der vielleicht „gerade seine Scheiben waschen“ will, das wisse man ja nicht (Hm, mit zur Seite gestellten Düsen?). Im Zweifel gilt halt §1 und: „seid doch mal Kinder und nicht so nachtragend!“ Ich würde Frau Schleifer ganz gerne mal mit auf eine ordentliche Rennradtour nehmen, um sich mal ein etwas detaillierteres Bild vom Alltag und der permanenten absichtlichen Belästigung und Gefährdung als Radfahrer zu verschaffen. Ob sie dann nach dem zigsten Erziehungsversuch per tonnenschwerem Kraftfahrzeug wohl immer noch „Kind“ ist oder schon langsam erwachsen wird?
„Ich hab Sie fahren gesehen!“
Gegen Ende der Veranstaltung wurden auch nochmal die Abstände angesprochen und auf meine Nachfrage gab Frau Schleifer dann -leicht genervt- an, daß der Abstand schon 1,50 Meter zu parkenden Autos betragen solle. Schön, dann kann ich ja die wenigsten „Schutzstreifen“ wirklich benutzen, jetzt hab ich’s von der Ordnungsmacht. Auch die Überholabstände von PKW wurden mit 1,50 Meter beziffert, aber auch darauf hingewiesen, man solle „nicht immer aufs Recht beharren„, außerdem wünsche sie sich, daß es wieder sowas wie „Der 7. Sinn“ im Fernsehen gäbe, um die Verkehrsteilnehmer aufzuklären. Ich ließ es mir nicht nehmen, als eine Teilnehmerin noch einmal auf „Radwege“ zu sprechen kam, indem sie fragte, ob es richtig wäre, daß eine Benutzungspflicht an jeder Kreuzung wiederholt werden müsse (was Frau Schleifer bei Erläuterung der Radwegebenutzungspflicht ganz vergaß zu erwähnen), darauf hinzuwiesen, daß ein „Radweg“ überhaupt auch benutzbar und zudem zumutbar sein muß (was Frau Schleifer ebenfalls in ihrem Vortrag vergessen hatte) und daß ein „Radweg“ mit eigener Vorfahrtsregelung kein Fahrbahnverbot anordnet, da er nicht straßenbegleitend ist (dito). Nun wurde Frau Schleifer dann doch noch in meine Richtung wertend: „Ich hab Sie fahren gesehen! So, wie Sie durch die Gegend fahren, ist das aber auch nicht in Ordnung!“
Das interessierte mich dann schon, wo sie mich hat fahren gesehen, denn das klang ja beinahe so, als würde sie mich für einen dieser „Kampf-Radler“ halten und so sprach ich Frau Schleifer nach dem Workshop einfach darauf an. Sie kannte mich „aus dem Forum“ (das ist der Ort, wo die Pressekonferenzen der Polizei stattfinden, an denen ich dann und wann als Pressvertreter teilnehme) und hat aber außerdem „zufällig“ mal ein Video von mir gesehen. „Auf welcher Brücke war das noch?“, ahja, sie hatte mein Video von der Mülheimer Brücke gesehen. Wie ich da fahre, geht also gar nicht. Den dazugehörigen Artikel wird sie dann wohl nicht gelesen haben. Schade, daß sie von rund 500 Metern Brückenpassage in Begegnung mit Selbstmördern auf ~15.000 Jahreskilometer (zumindest in den letzten 3 Jahren) schließt, nur weil ich -wo ich ob meiner Außendarstellung sicher nicht stolz drauf bin- ganz ordentlich rumblöke, ausgelöst, weil ich immerhin auch ganz ordentlich gefährdet werde. Was macht man eigentlich in seinem Auto, wenn einem über 20 Geisterfahrer entgegen kommen? Macht man klassische Musik zur Beruhigung an? Oder warnt man vielleicht doch seine Hintermänner akkustisch und optisch? Brüllt man in seiner Blechdose vielleicht doch ein wenig rum vor Aufregung?
Sie meinte, daß man Konflikte dort nicht durch solch ein Video löst, sondern daß man mit den Verantwortlichen sprechen muß. Da gebe ich ihr prinzipiell auch recht, aber das Video (das nicht provoziert wurde und nicht mit Absicht, sondern zufällig entstand) ist letztlich der Höhepunkt einer mittlerweile fast 14jährigen „Kommunikation“ mit Polizei und Stadtverwaltung mehrerer engagierter Bürger inklusive mir, die schlicht nichts gebracht hat. Das liegt nicht an den Bürgern und das ist alles auch recht ordentlich dokumentiert. Frau Schleifer kam dann doch ein wenig ins Stocken und kündigte ihr Engagement mit „das gucke ich mir mal an“ an – was ich ihr übrigens komplett abnehme, Frau Schleifer ist mit Sicherheit sehr engagiert. Ich bot ihr meine Hilfe an, sollte sie irgendwelche Fragen haben oder wissen wollen, was dort in der Vergangenheit alles versucht wurde und geschehen ist. Ich bin in diesem Sinne sehr gespannt, was ihr anschließender Dreizeiler an die Stadtverwaltung bringen wird. Toi Toi Toi!
Fazit: generell ein toller und sinnvoller Workshop. Leider in wichtigen Teilen einseitig und nach einer -zumindest für Fachpersonen erkennbaren- Doktrin gehalten. Einige Informationen werden (ob absichtlich oder nicht) weggelassen, andere werden in den Vordergrund gestellt. Alternativen, z.B. bei der Radwegnutzung, werden gar nicht erst aufgeführt und Forschungsergebnisse komplett ignoriert. Kritik an der Verkehrsführung oder gar an der mangelnden Umsetzung bestehender Gesetze (=Illegalität) durch die StVBen findet nicht statt, es wird -mit der Drohung repressiver Maßnahmen- gefordert, kritik- und gedankenlos die Regeln zu befolgen.
Frau Schleifer macht für die Polizei Köln Mobilitätserziehung mit Erwachsenen und Kindern.
Marco Laufenberg ist der Autor dieses Weblogs, fährt nicht über rote Ampeln, nicht gegen die Fahrtrichtung auf dem Radweg, hält an Zebrastreifen, belästigt und gefährdet keine anderen Verkehrsteilnehmer und ist -trotz vermutlichem „Kampf-Radler“tums- seit rund 60.000km unfallfrei.
29 Antworten bis jetzt ↓
1 Peter // Feb 25, 2014 at 15:07
Kann ja sein, dass diese eine Polizistin lernfähig und engagiert ist und eines schönen Tages sogar ihre für eine Amtsperson teilweise recht merkwürdigen Ansichten mit einem erweiterten Kenntnisstand auch mal in Richtung aktuell geltende Rechtslage (Stichwort: Radwegbenutzungspflicht) ändert. Denkbar ist vieles.
Aber konkret bringt das genau gar nichts, weil der Rest der Kölner Polizei wegen vorgeschobener Tatbestände repressiv gegen Radfahrer vorgeht, und wenn’s sein muss auch handgreiflich wird. Zusammen mit der Rat- und Tatenlosigkeit der Stadtverwaltung ergibt das eine gefährliche Mischung, deren Fokus alleine auf dem Radverkehr und dessen möglichst deutliche Zurückdrängung liegt. Gleichzeitig wird der Autoverkehr hofiert, Stichwort: Radfahrer sollen nicht immer aufs Recht beharren – das ist eine Einstellung, die muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen.
All das könnte man eben unter „Lernresistenz“ und „Behördenwillkür“ abstempeln und vergessen, wenn es nicht gerade wegen dieses Verhaltens immer wieder Unfälle mit schwer verletzten und viel zu oft auch getöteten Radfahrern geben würde. Wenn Frau Schleifer wirklich effektiv tätig werden will, dann sollte sie sich schleunigst auf den aktuellen Stand der Dinge in Sachen illegale Radwege in Köln mitsamt ihrer vielfach potenziell tödlichen Verkehrsführung bringen und dann Workshops für die Verwaltung und ihre Kollegen halten. Die Quelle für die Gefährdung der Radfahrer sitzt im Rathaus und am Walter-Pauli-Ring 2-6. Und nicht im Sattel.
2 siggi // Feb 25, 2014 at 23:05
Wer Marcos Video von der Mülheimer Brücke nicht richtig einordnen kann hat absolut garnix verstanden und sollte, in Puncto Radverkehr, besser mal die Klappe halten.
3 Sascha // Feb 25, 2014 at 23:10
Ich weiß nicht – soll man lachen oder weinen?
Auf meinem heutigen Nachhauseweg fuhr ich mitten in eine Polizeikontrolle eines KfZ, die praktischerweise mitten auf der Überleitung vom Radweg auf die Straße hier: https://goo.gl/maps/6c5yT stattfand und mir dann noch etwa 20 cm Platz ließ um meinen Weg fortzusetzen.
Ich murmelte noch ein „das ist ja ne tolle Stelle“ in meinen Bart und fuhr weiter. Die beiden Beamten starrten und machten weiter.
Weiter, immer weiter.
Wird sich mal was ändern?
Zum Artikel: danke für die Infos, sehr informativ und leider sehr erhellend.
Warum die Frau so einseitig arbeitet, weiß ich nicht.
Die Sandkasten-Geschichte fand ich dann auch sehr putzig und erinnerte mich an die Begegnung mit einem Linienbus gestern, der sich auf der Bonner Straße immer weiter an mich heranschob, bis ich kurz davor war (vom „Fahrradschutzstreifen“), vor lauter Panik in die Pampa rechterseits, die ja auch leider keine Pampa war, sondern der begleitende Bürgersteig samt Stein und Stahl und geparkten Autos, zu springen um so mein jämmerliches Leben zu retten. Aber dann: wie zwei Erwachsene haben wir alles geregelt, die Busfahrerin bremste ab, hupte mich an und zeigte mir dann noch den „Scheibenwischer“ weil ich Vollpfosten ausgerechnet hier die Straße benutzte, wo sie gerade fuhr; erhebendes Gefühl.
Same shit, different day.
4 der_simon // Feb 26, 2014 at 07:43
Sie wünscht sich also den 7. Sinn wieder?
http://www.youtube.com/watch?v=xixym7vGUQ4
Mehr fällt mir nicht ein…
BTW: Wie sieht es denn eigentlich mit Haftungsfragen aus, wenn du nun den Seitenabstand beim Überholen nicht eingehalten hättest? Käme die gute Frau dann für deine 50% am Schaden auf?
5 Uwe // Feb 26, 2014 at 13:45
Offensichtlich merken die Ordnungsvertreter nicht mehr, dass sie manipuliert sind. Nicht die schwächsten Verkehrsteilnehmer sollen geschützt werden, sondern die meistbietenden. Nur so ist auch zu verstehen, dass neuerdings gar LKW-Fahrer mit dem höchsten Gefährdungspotential verharmlost werden.
§ 1 der Straßenverkehrsordnung gebietet im Übrigen allen Verkehrsteilnehmern Rücksichtnahme – und natürlich insbesondere den schwächeren.
Radfahrer und Fußgänger bringen aber kein Geld in die Kassen, sondern kosten nur.
6 Elmar // Feb 26, 2014 at 15:03
Bei einem solchen langen Text, kann man Jahrzehnte Abend für Abend mit dem Lesen verbringen! 😉
Dass hier Einiges nicht richtig läuft, zeigt dein Bericht deutlich.
Schon die Sache mit dem toten Winkel ist Hinweis genug. Nicht der starke Verkehrsteilnehmer wird in die Pflicht genommen, nein, der schwächste Verkehrsteilnehmer soll Rücksicht nehmen. Dabei wäre es ein Leichtes die Lkws so auszustatten, dass ein toter Winkel gar nicht mehr auftritt.
In diesem Zusammenhang: Ein Helm nützt auch nichts, wenn einem ein Vierzigtonner über die Brust fährt.
Dreizeiler ans Amt für Straßen und Verkehrstechnik reichen wahrscheinlich aus, wenn man die Absätze in einem Schreiben von zwei Seiten so einteilt. 😉
7 Rainer F. // Feb 27, 2014 at 00:42
Schön, dass Frau Schleifer Radfahrer darauf hinweist, dass ihnen im nächsten Moment die Vorfahrt genommen werden wird und sie besser gleich drauf verzichten sollen. Eine eindeutigere Bankrotterklärung ihres Berufsstandes ist kaum denkbar.
Mal sehen, wann es die ersten Informationsabende für die nicht ganz so wehrhaften, älteren oder sehr jungen Bürger gibt, in gewissen Gegenden nicht auf seinem Eigentum zu bestehen: “Es gibt zu bestimmten Uhrzeiten natürlich eine Hierarchie im Besitz von Geldbörsen und da muss man sich halt anpassen.“
Um alles wieder gut zu machen, kann die Polizei ja dann bei Fahrradkontrollen verstärkt auf technische Mängel achten, es könnte ja ein Fußgänger von einem Fahrrad ohne Licht angefahren werden. „Den habe ich nicht gesehen“ wird dem Radler dann nichts nützen!
Warum akzeptiert Frau Schleifer es dann bei einem LKW-Fahrer?
Ist der (oft überstrapazierte) Tote Winkel kein technischer Mangel der andere Verkehrsteilnehmer gefährdet?
Auch hier könnte Frau Schleifer die Kommentarfunktion nutzen.
8 Karl Kreidbaum // Feb 27, 2014 at 13:48
Der Gefahr durch den Toten Winkel kann man technisch ganz gut begegnen, auch als Radfahrer. Man bräuchte nur statt der Klingel mit ihrem zarten „Pling“ eine lautstarke Hupe um den LKW auf eine Gefahr aufmerksam zu machen. Leider ist das nach der StVZO für Fahrräder nicht zulässig, obwohl sich diese Technik für Kraftfahrzeuge bestens bewährt hat.
Ist jemanden bekannt, wie die Polizei über solche Sicherheitsmaßnahmen denkt, die dann aber nicht gesetzeskonform sind?
9 siggi // Feb 27, 2014 at 16:39
Den toten Winkel kann man am besten vermeiden wenn man gar nicht erst gezwungen wird dort zu fahren.
http://siggis-seiten.de/a/Prinzip_Radweg.htm
10 Alex // Feb 27, 2014 at 18:00
einfach eine Presslufttröte aus dem Stadion in seinen Flaschenhalter packen.
11 Sascha // Feb 28, 2014 at 09:34
Im obigen Artikel gabs ja eine Menge Links. Einer verwies auf einen Artikel: http://www.polizei-dein-partner.de/nc/themen/verkehrssicherheit/privater-strassenverkehr/detailansicht-privater-strassenverkehr/artikel/fahrrad-rowdys-gefaehrden-sich-und-andere.html
Der Artikel hat mich dermaßen geärgert, dass ich an die Macher der Seite geschrieben habe, was denn „Viele“ unter der Bildunterschrift „Viele Fahrradfahrer nehmen zu wenig Rücksicht auf andere“ (übrigens garniert es das Bild eines wirklich rüpelhaften Radfahrers, der sich -welch Wüstling- einfach zwischen zwei tonnenschwere Autos schmeißt – so ein Vandale!) zu bedeuten habe.
Da ich Stand heute keine Erlaubnis erhalte habe, den Briefwechsel zu veröffentlichen (brauche ich die? Ich fand es einfach nur höflich), gebe ich die Antwort mal aus dem Kopf wieder:
– nein, Zahlen dazu gebe es nicht
– es spiegele „halt“ die „Erfahrungen“ der POK Schleifer wider
– es verdeutliche, dass es halt „nicht wenige“ seien
Außerdem war dann noch auf einen Bußgeldkatalog verlinkt (!), wahrscheinlich um mir noch mal klarzumachen, dass Fahren auf dem Bürgersteig kein Kavaliersdelikt sei (was ich auch nie behauptet habe). Wie praktisch, denn jetzt kann ich mir vor jeder Fahrt ein Tagesziel setzen, dass ich dann als Rüpel erreichen kann (unter 200 Euro läuft da nix!).
Ich habe geantwortet, dass ich den Artikel stark tendenziös und schockierend finde, denn er wiegelt meiner Meinung nach Leute auf, statt sie aufzuklären.
Antwort steht ja leider wie gesagt aus.
Nur: was bleibt unterm Strich?
Was kann man wirklich tun, um die Situation zu verbessern?
Das ist eine ernst gemeinte Frage…
12 ibikehannover // Feb 28, 2014 at 10:04
Hallo Marco,
danke für deinen Bericht und großen Respekt, dass du den Vortag so ruhig über dich hast ergehen lassen. Ich muss gestehen, dass ich – obwohl ich mich eigentlich für einen sehr(!) geduldigen Menschen halte – vermutlich zwischendurch aufgestanden und gegangen wäre. Evtl. nicht der beste Weg aber wenn die Dame der Polizei glaubt, „Dreizeiler“ an die Stadt reichen aus…. ach sorry, ich echauffiere mich gerade schon wieder.
Bitte mach weiter und halte uns auf dem Laufenden.
Viele Grüße aus Hannover,
Henning
13 Jo // Mrz 1, 2014 at 10:47
2011 wurde dieser Artikel veröffentlicht:
http://www.challenge-magazin.com/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=2029&Itemid=28
14 Sascha // Mrz 1, 2014 at 12:36
AKTION?!
Was kann man denn tun, außer sich ärgern?
Es gibt Einzelkämpfer wie Marco oder Ralf (hoffe, das ist der richtige Name) – wie kann man die unterstützen?
Zusammen ist man stärker!
Finanzielle Unterstützung für Klagen sind schon mal was – kann man das bündeln und organisieren, ein Fonds, ein (gemeinnütziger)
Verein, Crowdfunding?
Was ich zum Teil mache: ich schreibe an KVB, TÜV, also (öffentliche) Unternehmen, wenn ich mich zB ein Bus schneidet oder mir die Vorfahrt nimmt. Problem: a) nur ein Tropfen b) ist man schnell in der „Spinner-Ecke“, wenn man denen ständig schreibt (statt dass realisiert wird, dass vielleicht Vieles im Argen liegt) und c) mach ich das auch nicht immer – Nerven und Zeit schonen.
Was Marco hier macht, ist wichtig, aber ich habe ein bisschen das Gefühl, dass wir hier unserer „Fahrrad-Nerd Ecke“ sitzen und uns selber zuhören (?) – was denkt ihr darüber?
Seit Jahren rege ich mich über die Zustände auf, es macht mich manchmal traurig, oft wütend und so wird das weitergehen.
Eigentlich glaube ich ja, dass die Zeit für „uns“ spielt und wir in 20 Jahren ganz andere Straßen vorfinden werden. Aber vielleicht liege ich a) falsch und b) könnts auch mal gern ein wenig schneller gehen.
Wie zum Beispiel geht das vonstatten mit der Aufhebung der Fahrradwegebenutzungspflicht, wie muss man da argumentieren, wer ist Ansprechpartner, welche Dokumente braucht man usw. – das wissen manche, aber dieses Wissen könnten noch andere nutzen und so die Last auf viele Schultern verteilen.
Ich muss direkt sagen: es dermaßen in den Fokus meines Lebens zu stellen (wie Marco?) – das kann ich nicht.
Aber wenn ich jeden Monat einen Brief schreibe – das schaffe ich, das schafft jeder!
Kann man sich vielleicht mal real treffen und Ideen generieren und austauschen?
15 siggi // Mrz 1, 2014 at 20:40
@Sacha
Zusammen ist man stärker schreibst Du.
Stimmt – eigentlich.
Doch gerade im Punkt Radverkehr trifft genau das Gegenteil zu.
Je mehr Radfahrer sich engagieren, um etwas für den Radverkehr zu tun, um so mehr werden z.B. Leute wie Marco, merken, dass genau das Gegenteil von dem dabei heraus kommt wofür man eigentlich eintritt.
Schau dir mal eine Fahrradsternfahrt an und versuche den Leuten zu erklären wo die wirklichen Hemmnisse und Gefahren für Radverkehr oder Radfahrer lauern.
Du wirst nur in erzürnte, ungläubige, oder bestenfalls, erstaunte Gesichter schauen.
Ne ne, mit Deutschlands Radfahrern kannst Du keinen Radverkehr voran bringen. Die haben verlernt was das ist, die fliegen wie die Motten ins Licht.
Da hilft nur Tatsachen schaffen und erst mal die zur Verantwortung ziehen die durch illegale Machenschaften Radverkehr und Radfahrer diskriminieren.
Doch wer soll das machen? Der gemeine Radfahrer eher nicht.
16 Sascha // Mrz 3, 2014 at 11:59
@Siggi: Also deine Antwort ist was – Resignation?
Bloß nicht bewegen, man macht alles nur noch schlimmer?
Ganz ehrlich: Damit kann ich nicht viel anfangen.
„Deutschlands Radfahrer“ mögen alle unterschiedlich sein und manche bevorzugen, was andere nicht möchten, aber sie sind trotzdem alle: Radfahrer.
Kein Radfahrer, den ich kenne, möchte plattgefahren werden, oder ständig in Angst sein, dass es passiert.
Ich hau mal einen raus: „Viele (Fahrrad-) Wege führen nach Rom.“
Oder gibt es nur einen Weg?
Du sagst: „Da hilft nur Tatsachen schaffen und erst mal die zur Verantwortung ziehen die durch illegale Machenschaften Radverkehr und Radfahrer diskriminieren.
Doch wer soll das machen? Der gemeine Radfahrer eher nicht.“
Ich habe geschrieben: „Wie zum Beispiel geht das vonstatten mit der Aufhebung der Fahrradwegebenutzungspflicht, wie muss man da argumentieren, wer ist Ansprechpartner, welche Dokumente braucht man usw. […] Aber wenn ich jeden Monat einen Brief schreibe – das schaffe ich, das schafft jeder!“
Ich habe also ganz konkret danach gefragt, ob mir jemand erklären kann, wie es geht.
Dann zu antworten: „Hat eh kein´ Zweck“ hilft mir da nicht weiter.
Und: ich bin auch „Deutschlands Radfahrer“ und auch der „gemeine Radfahrer“, denn ich nutze mein Fahrrad ganz „gemein“: als Verkehrsmittel, jeden Tag.
17 Ralf // Mrz 3, 2014 at 21:09
@Sascha, zu deinen Fragen:
> das Gefühl, dass wir hier unserer “Fahrrad-Nerd Ecke”
> sitzen und uns selber zuhören (?) – was denkt ihr darüber?
Da denke ich teilweise ähnlich. Zumindest was die Kommentare hier angeht.
> Wie zum Beispiel geht das vonstatten mit der Aufhebung
Die Möglichkeit eines Widerspruchs gibt es in NRW (und ein paar anderen Bundesländern) nicht mehr. Du kannst also entweder einen neuen Antrag stellen. Ich nenne ihn immer „Antrag auf Erlass verkehrsregelnder Massnahmen“ und sieht in etwa so aus:
http://www.adfc-nrw.de/fileadmin/dateien/Bottrop/Radverkehr/Benutzungspflicht/Antrag_Aufhebung.odt
Ich glaube eine Begründung ist nicht notwendig. Die Stadt muss binnen 3 Monaten eine fehlerfreie Ermessensentscheidung treffen. Unabhängig von der Begründung. Man kann aber natürlich auf Probleme hinweisen.
Die zweite Möglichkeit ist die Klage. Am besten du liest mindestens die zwei letzten Absätze hier:
http://www.adfc-nrw.de/kreisverbaende/kv-bottrop/radverkehr/radwegbenutzungspflicht/leitfaden-rwbp.html
In mindestens 90% der Fälle, in denen die Stadt eine Radwegbenutzungspflicht für richtig erachtet, begründet sie das mit der Verkehrsstärke. Es ist also ansich nicht verkehrt, sich die vorher zu besorgen. Das geht über einen Antrag gemäß IFG NRW. Nach Absprache konnte ich auch an einen Rechner bei der Stadt und mir einige Zahlen abschreiben. Ganz einfach erklärt: Unter einer gewissen Zahl an Kraftfahrzeugen gibt es keine Radwegbenutzungspflicht. Je besser der Zustand des Radweges, je mehr Kraftfahrzeuge, je schneller diese fahren, je schlechter der Querschnitt der Straße (6-7m sind schlecht, mehrspurig gut), desto geringer die Chance, die Radwegbenutzungspflicht aufzuheben.
Dann gibt es noch den §24 Gemeinordnung NRW. Da kann man Anträge an den Rat stellen, auch Fragen. Nicht alle Fragen dringen dann wirklich bis zum Rat durch, ein Teil wird vorher „abgelehnt“.
Auf http://ratsinformation.stadt-koeln.de/ kann man die Entscheidungen nachlesen (zu §24 und auch viele andere). Politiker, die bestimmtes fordern, werden von mir auch schonmal angeschrieben. Möglichst vor der entsprechenden Entscheidung. Ist eine Entscheidung erstmal getroffen, wird diese auch verteidigt. Ich habe es bisher kein einziges Mal erlebt, dass man eine Entscheidung freiwillig geändert hat.
Dazu ein Suchtip:
site:ratsinformation.stadt-koeln.de lindenstraße
Den Straßennamen natürlich entsprechend ersetzen.
Wenn der Rat bereits den Rückbau des Radwegs beschlossen hat, geht man natürlich ganz anders dagegen vor.
> Kann man sich vielleicht mal real treffen und Ideen generieren und austauschen?
Gerne. Ich war bisher bei velo2010, beim ADFC, bei der Critical mass und bei den Grünen. Am produktivsten fand ich noch das Treffen bei den Grünen. Aber die haben natürlich viele andere Probleme, nicht nur den Radverkehr. Auch stecken die im Moment in den Wahlvorbereitungen. Ob wir im Hinblick auf die Wahl etwas bewirken können?
PS:
> @Siggi: Also deine Antwort ist was – Resignation?
Diese Frage findest du fast identisch von mir an Siggi irgendwo in den Kommentaren….
18 Ralf // Mrz 3, 2014 at 21:21
Nachtrag: Der Suchtip bezieht sich natürlich auf Google.
19 Karl Kreidbaum // Mrz 3, 2014 at 22:28
Siggi, Sascha,
man kann durch Aufklärung einiges erreichen, denke ich. Früher glaubte ich auch an Radwege, Marcos Blog half zum Umdenken.
Man kann andere Radfahrer ansprechen indem man sie fragt, ob sie wissen, dass die Anordnung von linken benutzungspflichtigen Radwegen innerorts gegen das Gesetz ist.
Oft habe ich Konflikte mir KFZ-Fahrern, die mich auf dem Radweg nicht wahrgenommen haben. Manchmal kann man sich kurz unterhalten. Denen erkläre ich, dass ich hier nicht fahren will, sondern muss. Unser (gemeint ist KFZ-Fahrer und ich) gemeinsamer Konflikt ist ein angeordneter. Dann gebe ich dem KFZ-Fahrer noch den Tipp, im Falle eines Unfalls mit einem Radfahrer – statt die Schuld nur bei sich zu suchen – auch in Erwägung zu ziehen, ob die Anordnug einer Benutzungspflicht hier rechtmäßig war und nie zu vergessen, dass die Verkehrsbehörde auch eine Teilschuld treffen kann, schließlich macht sie mit ihren Anordnungen es oft genug unnötig komplizierter und gefährlicher.
20 Hennes // Mrz 4, 2014 at 10:19
Mittlerweile verstehe ich wie die DDR-Bürger sich in einem Unrechtsstaat gefühlt haben müssen. Viel interessanter das es so etwas heute noch gibt.
21 Campagnolo // Mrz 4, 2014 at 15:56
@Hennes
Guter Vergleich. Ich möchte nur mal daran erinnern was dann maßgeblich zum Untergang der „DDR“ beigetragen hat. Montagsdemos, die , im Gegensatz zur Criticla mass, nicht nur einmal im Monat stattfanden.
22 siggi // Mrz 5, 2014 at 21:16
@Campagnolo
Allerdings sollte man erwähnen, dass auf den Montagsdemos Niemand zum Sturz der DDR aufgerufen hat. Auch von Wiedervereinigung war dort nicht die Rede.
23 Sascha // Mrz 9, 2014 at 20:09
@ Ralf: Danke für die Infos, ich war ein paar Tage unterwegs und muss mir das in Ruhe zu Gemüte führen.
@Karl Kreidbaum: Also ich bin auch eher der Typ, der versucht, Dinge zu erklären und zu zeigen, warum ich das tue, was ich tue. Im Alltag müsste ich so ein Gespräch aber alle 50 Meter führen (na gut, jetzt übertreibe ich, aber halt so ungefähr) und da zu habe ich weder Lust noch Zeit, denn schließlich fahre ich meist von A nach B und nicht als Teil der Autofahrerumerziehungskampagne….ich finde deine Anregung aber trotzdem gut und ich finde es auch gut, dass du dich so verhältst, denn miteinander reden ist meist der Schlüssel zu einem besseren Miteinander.
24 burger // Mrz 14, 2014 at 23:58
„Ebenso, wie jeder Polizist verpflichtet ist, eine außerordentliche Verkehrsschau vorzunehmen, sobald ihm eine Gefahrenlage wie ein gefährdender (statt schützender!) Radweg bewußt wird oder er darauf hingewiesen wird. “
Interessant , aber: was hilft eine „Verkehrsschau“? Habe mal einen Polizisten auf eine gefährliche Ecke hingewiesen (Ecke Universitätsstrasse / Berrenrather Straße ) und er meinte, das sei bekannt, aber es sei kein Geld da, um dort was zu ändern. (Apropos „gefährliche Ecken“: gibt es eine Karte mit Unfällen in Köln? Oder gibt es die Unfalldaten irgendwo sodass so eine Karte selbst erstellt werden kann?)
25 Ralf // Mrz 17, 2014 at 17:00
@burger
Unfalldaten gibt es per IFG NRW bei der Polizei. Die Qualität der Adressen ist aber für eine (automatisierte) Karte recht problematisch. Da steht z.B. als Ortsangabe „xyz Straße gegenüber Haltestelle abc“ oder „beim Taxistand“.
26 Jungfernfahrt auf der Flaniermeile! // Mrz 31, 2014 at 13:12
[…] knapper wird. Ich kann somit nur raten, soweit links wie möglich zu fahren (empfohlen wird von der Polizei Köln ein Abstand von 1,5 Metern zu parkenden Kfz!), das ist dann tatsächlich ungefähr in Höhe der […]
27 Simon // Apr 9, 2014 at 15:12
Mal was recht erfreuliches. Für die Stadt Sankt Augustin reicht zwar kein Dreizeiler, aber immerhin ein kurzes Schreiben, um blaue Lollis zu entfernen. Ein Freund hat das kürzlich geschafft:
Das Anschreiben:
Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte Damen und Herren vom Ordnungsamt,
gestern fuhr ich mit dem Fahrrad über die Kreuzung Kölnstr./B56 auf dieAlte Heerstr.
(https://maps.google.de/maps?q=50.762134,7.174324&num=1&t=h&vpsrc=0&ie=UTF8&ll=50.762054,7.175389&spn=0.000914,0.002642&z=19)
dort bemerkte ich, dass dort immer noch eine Radwegbenutzungspflicht für einen linksseitigen Radweg besteht. Um dieser Verpflichtung nach zu kommen, gab ich ein Handzeichen, dass ich nach links abbiegen möchte. Dabei wurde ich noch, trotz Handzeichen, rücksichtslos von einem KFZ links überholt und angehupt. Ein ausreichender
Sicherheitsabstand wurde auch nicht eingehalten. Das führte natürlich zu
einem starken Unsicherheitsgefühl.
Nach einigen hundert Metern endet die Radwegbenutzungspflicht und ich konnte mich wieder auf die Fahrbahn einsortieren.
Sicherer würde ich mich fühlen, wenn ich, statt die Fahrbahn innerhalb weniger hundert Meter zweimal queren zu müssen ich sie in ganzer Länge nutzen dürfte.
Über das Bestehen dieser Pflicht wunderte ich mich, da ich vor einigen Jahren (Januar 2005) dort einen Unfall hatte. Ich war auf dem gleichen linksseitigen Radweg unterwegs zur Fahrschule (damals wohnte ich noch
in Beuel) als mich ein KFZ, dass aus der Ausfahrt des IFA kam, anfuhr.
Scheinbar rechnete er nicht mit Verkehr von rechts; die Stelle ist aufgrund der Sträucher auch sehr uneinsichtig.
Zum Glück ist mir damals außer kleinsten Verletzungen nichts weiter geschehen außer das mein Fahrzeug einen Totalschaden erlitt.
Leider habe ich den Unfall damals, auch aufgrund des geringen Schadens und weil wir uns so einig wurden, nicht gemeldet, sonst denke ich, wäre diese gefährliche Situation schon längst entschärft.
Aufgrund dieser beiden gefährlichen Situationen beantrage ich eine Verkehrsschau und die Radwegbenutzungspflicht dort aufzuheben. Gerne kann, wie in der Heerstr. weiter bergauf, ein Gehwegschild mit „Fahrrad frei“ dort installiert werden.
Außerdem möchte ich anregen, folgendes, vom ADFC-Hamburg vorgeschlagene Schild dort aufzustellen, um die Verkehrsteilnehmer auf die neue Situation hin zu weisen:
http://www.hamburg.adfc.de/verkehr/themen/radwegebenutzungspflicht/aufgehobene-benutzungspflichten-bekommen-hinweisschild/
Weiterhin erkläre ich mich gerne bereit bei dieser Verkehrsschau anwesend zu sein, sofern es wünschenswert ist.
Ihnen ist sicher bekannt, „dass Radwege nur dann als benutzungspflichtig gekennzeichnet werden dürfen, wenn aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse eine erheblich erhöhte Gefährdung für die Verkehrsteilnehmer
besteht (* 45 Absatz 9 der Straßenverkehrsordnung – StVO)“ Quelle:
http://www.adfc.de/news/archiv-news-2010/adfc-erreicht-bahnbrechendes-urteil-zur-radwegebenutzungspflicht
Das Gegenteil ist hier der Fall, wie diese beiden, von mir erörterten Beispiele zeigen. Durch die Pflicht werden Fahrzeugführer an dieser
Stelle gefährdet und nicht geschützt!
Bitte setzen Sie mich über den Ausgang des Verfahrens schriftlich in Kenntnis.
Mit freundlichen Grüßen,
R.
Die Antwort:
Sehr geehrter Herr R.,
nach der Überprüfung aufgrund Ihrer Eingabe, wurde die Radwegbenutzungspflicht in der Alten Heerstraße aufgehoben. Statt dessen wurde dort ein Verkehrszeichen Gehweg mit Zusatzzeichen Radfahrer frei angeordnet.
Die Umsetzung wird voraussichtlich in der übernächsten Woche erfolgen.
Zeitnah wird auch die weitere Beschilderung der Radwegführung überprüft werden.
Ich bedanke mich für Ihr Engagement und Ihr Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Sandra Beyer
28 Patrick // Jun 15, 2014 at 14:59
Hallo,
die Idee mit dem Antrag, die Radwegbenutzungspflicht zu überprüfen, ggfs. aufzuheben finde ich sehr gut.
Können für den Antrag Kosten entstehen?
~ Grüße
29 Olaf // Aug 6, 2014 at 10:36
Hallo,
An wenn muss man denn in Köln den Antrag stellen? auch ans Ordnundungsamt oder an den Fahrradbeauftragten?
Viele Grüße
Olaf
Hinterlasse ein Kommentar