Ich hatte das ja schon erwähnt, dass hier aus diversen Gründen nicht mehr wahnsinnig viel passieren wird, maximal „dann und wann“ – je nach Lust, Laune und Grund.
Wenngleich meine Laune eine ganz andere ist, gibt es nun einen Grund. Einen schlimmen Grund.
Ich gehe davon aus, dass viele, die sich über die Jahre hierhin verlaufen, gelesen und kommentiert haben, schon einmal über den Namen „Natenom“ gestolpert sind. Andreas Mandalka, ein Fahrradaktivist aus Pforzheim. Natenom, mit dem ich dann und wann sporadisch Kontakt hatte, hat im Prinzip das gleiche gemacht, wie ich: aus (vermutlich) Frust über tägliche Verkehrsdiskriminierung angefangen zu bloggen, irgendwann begonnen, die täglichen Attacken per Video zu dokumentieren und diese dann der Obrigkeit vorzulegen. Die ihn zunächst belächelt, dann ignoriert und zum Schluss, als er zu nervig wird, drangsaliert. Kein öffentliches Interesse. Trotz dutzendfacher, akribischer Beweise.
Der Unterschied zu mir: Natenom zieht das alles durch, fährt, filmt, misst Überholabstände (mit einem selbstgebastelten Sensor), legt vor, bloggt, zeigt an und baut sich zur eigenen Sicherheit und zur Bewahrung des Überholabstandes einen Abstandhalter an sein Fahrrad, was ihm die Polizei schliesslich untersagt. Ich habe vor rund 10 Jahren das letzte mal eine Kamera am Rad gehabt – ich will nicht sagen, dass ich aufgegeben hätte, aber mir war meine Energie schlicht zu schade für einen Kampf gegen die Windmühlen der #autopolizei. Polizei, die im Zweifel mit Handschellen, Pfefferspray und Wumme bewaffnet ist. Natenom sieht das anders, er zieht das akribisch durch, postet gefühlt täglich Horrorszenarien. Bei seinen Schilderungen denke selbst ich manchmal, dass er übertreibt – was sich beim Betrachten seiner Videos dann aber schnell relativiert.
Ich kenne tatsächlich viele von Natenoms täglichen Strecken, ich war einige Jahre in der Kante beruflich unterwegs und habe ein paar tausend Kilometer mit dem Rennrad dort abgerissen. Ich kann zumindest attestieren, dass der gemeine Kraftfahrer in der Gegend „sein Recht“ auch sehr gerne kraft seines Fahrzeugs durchsetzt.
Natenom wurde am 30.1.2024 gegen 19:20 Uhr auf der L574 bei Schellbronn, Baden-Württemberg (Enzkreis), auf der er regelmäßig Fehlverhalten von Kraftfahrern zur Anzeige gebracht hatte, von einem PKW „aus noch ungeklärter Ursache“ von hinten angefahren und getötet.
Es ist wirklich nicht einfach, meinen Zynismus für mich zu behalten und auch nur im Ansatz sachlich zu bleiben. Ich überlasse die Gefühlsausbrüche dann auch Twitter, dort geht man mit der Polizei Pforzheim nicht gerade zimperlich um, hier findet sich die Unfallmeldung.
Ein Video vom Unfallort mit unkommentierten und sehr detaillierten Bildern gibt es im YouTube Kanal von „Einsatz-Report24“. Triggerwarnung: ich empfinde die Bilder als schockierend und auch, wenn ich immer versuche, ein Mensch zu sein, der frei von Hass ist: es fällt hier wirklich schwer. Weitere, Dutzende Artikel finden sich in aller Breite von Spiegel bis T-Online, teils mit dem üblichen victim blaming („Radweg nicht benutzt“) und selbst der adfc weist daraufhin, dass Andreas ja „eigentlich immer eine Warnweste getragen“ hat.
Hier findet sich Natenoms Blog. Seine zahlreichen Social Media Postings findet ihr über eine Google Suche. Bezeichnend sein letztes Posting, wohl ca. eine halbe Stunden vor dem Unfall
Bleibt die Frage, ob und wie der Unfall aufgeklärt wird. Und ob und wie es irgendwelche Konsequenzen geben wird, ausser dass ein paar Uninformierte für ein paar Tage mal medienwirksam gegen #autoterror vorgehen, bevor das dann alles wieder im Sande verläuft (etwas, was die Kölner Polizei ja auch gut kann!). Kein öffentliches Interesse. Vermutlich.
1 Antwort bis jetzt ↓
1 siggi // Feb 27, 2024 at 22:29
Wenn Behörden so einen Unfall zum Anlass nehmen etwas zu ändern wird es für Radfahrer meist noch schlimmer.
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