Wer in den letzten Jahren bei der Critical Mass Köln mitgefahren ist, der kann den Eindruck gewinnen, die Kölner Polizei sei besonnen, kooperativ und „für uns da“. Denn, sie fährt da mit, sogar auf Fahrrädern und „beschützt“ uns vor bösen, bösen anderen Verkehrsteilnehmern. Mit einigen Beamten ist man während der gemeinsamen Ausfahrt gar beim kumpelhaften „Du“. So weit, so schön, so idyllisch.
Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus, denn der Grund für diese vermeintliche Kooperation ist schlicht der, das man nicht anders kann. Die Bilder aus dem Juni 2015, als die Polizei Jagd auf unbescholtene Radfahrer machte, Grundrechte von Bürgern verletzte und alles andere als kooperativ war, zeigten nicht gerade ein gutes Bild vom „netten Freund und Helfer“. Und wie der Teufel das Weihwasser, so scheut die Kölner Polizei schlechte Presse, also musste man an der Aussenwirkung wohl etwas feilen.
Was die wenigsten derjenigen, die die Polizei bei der CM als freundlich empfinden, wissen, ist die Tatsache dass , nachdem die Strafanzeige gegen mich damals von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, immernoch jeden Monat eine „Anzeige gegen Unbekannt“ gestellt wird – wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (was schlichtweg Quatsch ist). Das gilt wohl mutmaßlich der Machtdemonstration.
Die Krönung gab es dann aber heute! In den Krisenzeiten, in denen es nicht nur unerlässlich, sondern seit ein paar Tagen auch angeordnet ist, daß man keinen Kontakt mit anderen Menschen hat (was ich persönlich nicht nur richtig finde, sondern bereits seit vor der Anordung so handhabe), haben alle Kanäle der Critical Mass Köln (Facebook Gruppe, Facebook Seite, Twitter, Website – alle von verschiedenen Menschen, letztere von mir, betreut) bereits vor längerer Zeit -um den 13. März 2020 herum- aufgerufen, im März 2020 KEINE Critical Mass zu fahren. Hier der Text, versehen mit den Hashtags #inköllezehus und #staythefuckathome
Liebe Leute,
wie Ihr wißt, ist die CM keine Veranstaltung. In Zeiten des um sich greifenden Corona-Virus können wir eine solche also auch nicht absagen.
Da Menschenansammlungen wegen Ansteckungsgefahr untersagt sind, wird im März 2020 keine CM möglich sein, die ja ohnehin niemand veranstalten würde.
Deswegen: Bleibt zuhause, haltet Abstand, und wenn ihr rausgeht: Auf keinen Fall mit mehr als 2 Menschen, am Besten nur mit denen, mit denen ihr zusammenwohnt.
Bleibt gesund!
Die Kölner Polizei erdreistet sich heute, 27. März 2020 (also dem Tag, an dem die CM Köln gefahren worden wäre) folgendes kundzutun:
Critical Mass Köln
In den sozialen Netzwerken gibt es vereinzelte Aufrufe zur „gemeinsamen Radfahren“ am heutigen Freitag im Rahmen der sogenannten Critical Mass. Die Polizei Köln macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass in der Öffentlichkeit Ansammlungen von mehr als zwei Personen untersagt sind und appelliert an mögliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer davon Abstand zu nehmen um mögliche Bußgeld- oder Strafverfahren zu vermeiden.
Zeigen Sie Verantwortung – bleiben Sie zu Hause – gefährden Sie nicht sich, uns und andere.
Aktuelle Informationen der Stadt Köln finden Sie unter: https://url.nrw/20k0340
Zu finden auf facebook (https://www.facebook.com/Polizei.NRW.K/posts/1880879528710601) und auf Twitter (https://twitter.com/polizei_nrw_k/status/1243432815645130758), nicht aber als Pressemitteilung.
Das muss man sich also auf der Zunge zergehen lassen, während die Bewegung sich klar und deutlich von gemeinsamen Ausfahrten distanziert und dazu aufruft, „zehus“ zu bleiben, behauptet die Kölner Polizei, es würde „zur Critical Mass“ aufgerufen. Was schlicht nicht stimmt, es ist gelogen! Eine perfide Taktik, die Critical Mass in Misskredit zu bringen (was perfekt funktioniert, wenn man sich einmal die Kommentare bei Facebook durchliest (dabei bitte ruhig bleiben!)) und den #scheissradfahrern eins auszuwischen. Das macht wütend!
Immerhin, ich bin nicht der einzige, der sich über die Taktik der Kölner Polizei empört, neben vielen Radfahrern aus der „Community“, sind das auch Menschen von „außerhalb“, so z.B. die Journalisten von Report-K, Kölns Internetzeitung, die in einem sehr lesenswerten Artikel absolut sinnvoll abschließen:
Die Kölner Polizei verhält sich mit solchen Postings zunehmend als politisch und meinungsbildender Akteur. Eine Rolle, die die Verfassung und das Polizeigesetz NRW ihr nicht einräumt. Ganz im Gegenteil, als staatliche Organisation ist sie zu absoluter Zurückhaltung aufgefordert.
https://www.report-k.de/Koeln-Nachrichten/Koeln-Nachrichten/Polizei-Koeln-appelliert-an-Critical-Mass-Koeln-zu-Recht-128731
Das übrigens nur kurze Zeit nach den Tweets/Postings (dieser Artikel erscheint rund 3 Stunden nach dem Statement der Polizei).
Mein persönliches Fazit: in Krisenzeiten bemerkt man den wahren Charakter – im positiven, wie im negativen.
Bleibt gesund (unzehus!)!
5 Antworten bis jetzt ↓
1 Michael Schmitz // Apr 18, 2020 at 21:26
Ich lese Deinen Blog eigentlich immer wieder gerne, aber manchmal solltest Du die Kirche ruhig mal im Dorf lassen:
Im Statement der Polizei steht etwas von vereinzelten Aufrufen auf Social Media.
Nicht mehr und nicht weniger!
Den Hinweis darauf, die Critical Mass diesen Monat besser ausfallen zu lassen finde ich in keinster Weise übertrieben, da dort draußen genug Vollpfosten rumlaufen, die weitermachen als ob nix wär.
Wenn Du hier von Lügen schreibst und dahinter eine perfide Taktik vermutest, muß Du Dir ja enorm sicher sein, dass es die erwähnten Aufrufe tatsächlich nie gegeben hat, was ich angesichts der reinen Masse von Kommunikationskanälen eher bezweifeln mag – unbelehrbare Spinner finden sich immer und überall.
Es gibt deutlich gravierenderes, über das es sich aufzuregen lohnt:
Z. B. die Berichterstattung im KSTA online über den Unfall einer jungen Radfahrerin mit einem Taxi im inneren Grüngürtel (Vogelsangerstr.)
Lt. Dem zitierten Polizeibericht fuhr die Radfahrerin „ungebremst“ über die Straße. Ein Taxi versuchte noch zu bremsen, kam aber zu spät zum stehen. Unfallursache unbekannt.
Ich bin dort jahrzehntelang täglich zur Arbeit geradelt. Wenn ich mich recht entsinne, ist an der einzigen Stelle, wo man mit dem Rad ungebremst die Straße queren kann, ein Überweg. Dort haben Radler Vorfahrt. D. h. das Taxi hat diese grob missachtet (unangepasste Geschwindigkeit)
Doch im wording der Pressemitteilung steckt mal wieder das übliche „selber Schuld, fährt einfach ungebremst über die Straße“
2 Marco // Apr 18, 2020 at 22:08
Da gibt es nichts weiter zu kommentieren, es gab keine Aufrufe, wie geschildert. Soweit stand die Kirche die ganze Zeit im Dorf.
3 Michael Schmitz // Apr 23, 2020 at 19:53
Nicht von Dir, oder Anderen, Dir bekannten „Nicht-Veranstaltern“ ;-).
Wenn die Polizei jedoch von „vereinzelten Aufrufen“ schreibt, gehe ich erstmal davon aus, dass vereinzelte Vollpfosten tatsächlich entsprechende Aufrufe gepostet haben – nicht mehr und nicht weniger.
Daraus dann eine Stimmungsmachende Agenda der Polizei (deren Vorgehen ich oft genug ebenfalls sehr fragwürdig finde) zu basteln, ist schon ein wenig drüber.
Einigen wir uns darauf, dass die Kirche im obigen Artikel recht nah am Ortsrand stand?
4 Marco // Apr 24, 2020 at 06:14
Es gibt 3 maßgebliche Anlaufstellen für die Kölner CM-Bewegung, das ist die Facebook-Seite, Twitter und die Website. Beides wird von der Polizei regelmäßig konsultiert und gelesen (und zwar nachweislich bis in die Details, genauso wie dieser Kommentar gelesen werden wird). Die Polizei kennt auch alle relevanten Akteure – ALLE haben geäußert, „fahrt nicht“! Im Prinzip hätte die Polizei nur retweeten müssen … den Rest kannst Du im Artikel lesen. Da brauchen wir, wie gesagt, nicht weiter drüber zu diskutieren und auch auf nichts zu „einigen“.
5 Physical Distancing vs. Critical Mass // Aug 25, 2020 at 12:02
[…] ← Alternative Fakten – Das miese Spiel der Kölner Polizei […]
Hinterlasse ein Kommentar