Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Es wird ruhiger werden!

Februar 28th, 2020 · 11 Kommentare

Mein Gott, über zwei Jahre ist er nun her, der letzte Artikel – im Dezember 2017 war das!

Und wahrlich, es ist viel passiert seither! Neben der Tatsache, dass dieser Blog zwischenzeitlich (im August 2018) zehnjähriges Jubiläum gefeiert hat (was ich damals sicherlich nicht gedacht hätte), viel spektakuläres in meinem Leben, dazu weniger spektakuläres und ganz zweifelsohne auch ein paar blöde Sachen! Und genügend Leute haben nachgefragt, per e-Mail, social media oder -ganz old school- persönlich: „wann kommt mal wieder ein Artikel?“ und „geht’s denn weiter mit dem Blog?“ oder einfach, „alles in Ordnung mit Dir?“. Nun, um die Frage direkt zu beantworten: Natürlich geht es weiter! Nur ganz sicher in einer anderen Form als in der letzten Dekade und das hat seine Gründe.

Andere Plattformen
Zunächst muss man sich als Blogger ganz banal die Frage stellen: ist so ein Blog noch zeitgemäß? Klare Antwort: jein! Viel Inhalt (und Diskussion) hat sich auf andere Kanäle verschoben, hauptsächlich Facebook und Twitter. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: schnelle Verbreitung von Inhalten und zügige Diskussion. Der Shitstorm bei Polizei oder Stadt und entsprechende öffentliche Wirkung und Reaktion bringt weitaus schneller ein Ergebnis, als wenn ein journalistischer Blogger Anfragen stellt, die in einem muffigen Büro mit der Schreibmaschine eingetippt beantwortet und dann als Scan per e-Mal versendet werden (kein Scherz!).

Aber auch die Nachteile leuchten ein: social Media Diskussionen können schnell ausarten, persönlich, unsachlich und themenfremd werden und sind schwer (aber nicht unmöglich) zu moderieren. Ausserdem sind sie kurzlebig, während so ein Blog (wenn man sich richtig anstellt) ein Leben lang existieren und als Archiv dienen kann. Insofern ist es sicherlich nicht unsinnig, zweigleisig zu fahren: den Blog für fundierte, recherchierte und gut belegte Artikel und Social Media für die Dinge, die schnell gehen und manchmal auch schnell gehen müssen. Ich gebe zu, ich bin (mittlerweile) zumindest privat nicht mehr so sehr aktiv, nehme aber durchaus an der ein oder anderen Diskussion teil und informiere mich natürlich über Begebenheiten aus der Welt des Radfahrens und der Verkehrspolitik. Hauptsächlich in der Facebook Gruppe der Critical Mass Köln und ein wenig auch auf Twitter. Bezeichnend, daß es neuerdings gar eine Gruppe auf Facebook gibt, die den Namen dieses Blogs trägt ;-). Was inhaltlich daraus wird? Da schauen wir mal!

Eine paar private Pausen – Teil 1
Der erste Grund für die lange Pause ist alles andere als schön. Angeklungen ist er hier und auf anderen Kanälen bereits, am Ende war er dann aber doch intensiver und schmerzhafter als gedacht und zunächst berichtet.

Das Jahr 2017 startete eigentlich sehr fein. Wie immer in den letzten Jahren nahm ich mir über den Jahreswechsel eine sonnige Auszeit in südlichen Gefilden mit einem Rennrad unter dem Hintern, lies es mir gut gehen und schrubbte dabei ordentlich Kilometer. Ich war mit meinen mittlerweile 15-18.000 Jahreskilometern wirklich fit, für mein Alter sowieso. An Pfingsten reiste ich mit zwei Freunden nach Südfrankreich und bezwang den Mont Ventoux. Nicht einmal, sondern dreimal und zwar alle drei Anstiege an einem Tag. Macht man und dokumentiert man das, ist man Mitglied im „Club des Cinglés de Mont-Ventoux„, dem „Club der Verrückten“ – ich bin Nummer 10798!

Nach diesem radsportlichen Wochenende der Superlative (wir sind noch zwei weitere sehr schöne Touren gefahren) ging es nahtlos weiter: ein Sportskamerad eines Freundes hatte einen schweren Unfall gehabt und sein Startplatz beim Traditionsrennen „Rund um Köln“ war vakant. Ich bin kein großer Freund von Radrennen Schulter an Schulter, da kann einfach viel zu schnell durch Unachtsamkeit (auch anderer) etwas passieren. Nervenkitzel, den ich nicht brauche und ich muss sowieso auch nicht „der schnellste“ bei irgendwas sein. Veranstaltungen wie das 24 Stunden-Rennen „Rad am Ring“ liegen mir da eher, weil man zwar mit anderen auf der Strecke, aber letztlich alleine sein eigenes Tempo fährt. Dort war ich mehrmals im 2er Team gestartet, in 2016 hatten Michael und ich mit 25 Runden über den Nürburgring Platz 17 und in unserer Altersklasse Platz 9 geschafft. Für zwei ehemalige Kettenraucher ganz in Ordnung!


Nun, der „RuK“ Startplatz war in Block B, das ist recht weit vorne, wo doch eher versiertere Fahrer zu finden sind, es war „nur“ die 65km Strecke und die Wettervorhersage war blendend. Ich sagte zu und fuhr somit für Marcel Wüsts „Casa Ciclista“ Team. Am Anfang schaute ich mir das alles mal ruhig an und rollte aufmerksam mit (viele Unfälle passieren direkt im Rheinufertunnel oder auf der Mülheimer Brücke), ohne in bedenkliche Situationen zu kommen. Hinter Leverkusen, in Richtung Altenberg, griff ich an. Ich schloss Löcher, zog eine Meute Richtung Bergisches Land, erstürmte das Kopfsteinpflaster am Bensberger Schloss und fuhr so langsam in den A-Block. Selbst den Wahnsinn, nur eine Flasche mitgenommen zu haben, konnte ich kompensieren, indem ich -ganz profilike- beim Angebot einer Trinkflasche eines älteren Herrn am Straßenrand beherzt zugriff. Der Mann hat mich schlicht gerettet! Am Ende standen irgendeine Platzierung (weiß ich nicht mehr), ein Schnitt von rund 39km/h und jede Menge Spaß bei einem großartigen Radsportfest zu Buche. Ganz ok für einen ehemaligen Kettenraucher. So konnte das Jahr jedenfalls weitergehen! Ging es aber leider nicht.

Im Juni war ich beruflich für rund zwei Wochen in Karlsruhe. Ich bin öfters in der Gegend um Karlsruhe und Baden-Baden und habe die Gegend als außerordentlich feines Radsportrevier kennengelernt. Für anspruchsvolle Touren ist man schnell im nördlichen Schwarzwald und wenn die Beine müde sind, kann man gute Kilometer in der Rheinebene machen oder mal schnell nach Frankreich ins Elsaß. Die gute Küche und Einkehrmöglichkeiten tun ihr übriges dazu. Das macht alles sehr viel Spaß! Somit habe ich in dieser Gegend also so oft es geht ein Rennrad dabei, so auch dieses mal. Ich musste immer erst gegen 17:00 Uhr zum Job an der Location sein, hatte also tagsüber Zeit für eine Tour, die auch schonmal an der 100km Marke kratzen konnte. An diesem Tag war ich mit einem rennradfahrenden Kollegen schon morgens unterwegs auf eine Tour mit reichlich Höhenmetern. Trocken gesagt habe ich ihn an jedem Anstieg „versägt“ – ich war wirklich fit und wollte mir noch etwas Feinschliff für das „Rad am Ring“ Event ein paar Wochen später holen.

Nachts für ich dann üblicherweise natürlich mit dem Rad von der Location zu meinem Hotel, so auch an diesem Tag. Was dann geschah, passierte letztlich in ein paar Sekundenbruchteilen, dennoch ist es in meinem Kopf gespeichert, wie ein Spielfilm in Zeitlupe. Ich befuhr den „Radweg“ an einer Landstraße zwischen Rheinstetten und Ettlingen (bei Silberstreifen). Er ist knapp 2m breit und befindet sich hinter einer Leitplanke. Er ist asphaltiert und eigentlich ganz gut zu befahren, zumindest bis zu den Kreuzungen (an denen man als Verkehrsteilnehmer dritter Klasse, wie in dieser Gegend üblich, umständliche Kurven zu fahren und zudem ausnahmslos „Vorfahrt achten“ hat.

Ich fuhr also zügig die 7km zum Hotel und freute mich auf mein Bett. Es kam mir auf einer langen Geraden ein Kfz entgegen, mit Fernlicht, wie hier leider meist üblich, zudem eines von diesen unfassbar grellen Xenon-Fernlichtern. Dieses ging kurz aus und dann: wieder an! Ich war komplett geblendet, während ich mit über 30 km/h unterwegs war. Wer schonmal auf einem Fahrrad (oder auch nur zu Fuß) die Augen zugemacht und versucht hat, geradeaus zu fahren oder zu gehen, der weiß, daß der menschliche Gleichgewichtssinn so nicht mehr so gut funktioniert. Nach ca. 5 Sekunden Blindflug kam ich schließlich mit dem Vorderrad ins Bankett, ich war unmerklich nach rechts abgekommen. Und ein Gebüsch bei der Geschwindigkeit, da hältst Du Dich nicht so einfach auf dem Rad. Ich stürzte wie in Zeitlupe. Mustergültig ausgeklickt, die Beine nach oben über den Lenker weg, fiel ich sauber auf auf den Hintern. Noch bevor ich den Mittelfinger meiner rechten Hand in Richtung Kraftfahrer -der nun knapp an mir vorbei war und mich gesehen haben musste- recken konnte, wusste ich: der linke Arm ist gebrochen. Glatt durch. So lag ich also auf dem Boden, kaum Schmerz empfindend, aber reichlich geschockt und verärgert. Ich lebte und nach dem Check meiner Extremitäten wußte ich, ich würde das wohl auch überleben. Rein praktisch war mir klar: ich lag mitten im Wald, ohne Hilfe (der Kraftfahrer, der mich gesehen haben MUSS, hielt nicht an). Bis zum Hotel waren es noch drei Kilometer, dort würden mir Kollegen, die mit einer Feierabendschorle vor der Tür standen, zur Hand gehen. Also stieg ich auf mein Rad (bis auf zwei kleine Kratzer an Pedale und Lenkerband nichts dran – ich fahre es heute noch), ließ den linken Arm runterbaumeln und fuhr (wie ich nach Auswertung meines Garmins weiß, sogar recht flott) zum Hotel. Der Anblick muss mehr als skurril gewesen sein. Teils kreidebleiche Kollegen holten mich vom Rad, riefen den Krankenwagen und packten ein paar Sachen für den Krankenhausaufenthalt. Das war’s mit dem Radsportjahr 2017, das wußte ich da aber noch nicht.

Anekdoten aus Krankenwagen und Krankenhaus gibt es zuhauf. Der Sanitäter im RTW fragte mich gottseidank, „oder machen sie Ausdauersport?“. Er hatte bei meinem Puls von 42 schon eine Spritze mit irgendwas leckerem aufgezogen und schaute etwas besorgt. Ich hab ein großes Herz, Mann!

Was in so einem Krankenhaus nervt, ist dieser ganze Papierkram und die Fragen, wenn man eigentlich andere Sorgen hat. Und dann auch noch die Blicke der Menschen, die Nachtschicht haben und kurz vor Feierabend noch einen reinbekommen – was mir ensthaft leid tut und ich mir auch anders vorgestellt hätte. Noch nerviger sind aber unnötige Diskussion und Belehrungen. So verneinte ich die Frage nach dem „Helm“ bei der Interviewrunde wahrheitsgemäß und beiläufig, was sofort vorwurfsvoll gegen mich verwendet wurde. „Wie können Sie ohne Helm fahren?“ und „was alles hätte passieren können!“ und es wäre sicher noch weiter gegangen, hätte ich nicht den Wind aus den Segeln genommen, indem ich meinen gebrochenen Arm hochhielt, mit den Worten „sehnse selber, oder?“. Immerhin, ein ertapptes Lächeln der Krankenschwestern tief in der Nacht sorgte für allgemeine Erheiterung sowohl bei den arbeitenden Menschen, als bei den Leidenden. Diskussion beendet.

Die Klinik in der ich war, war tatsächlich spezialisiert auf Handchirurgie, ich sollte also in besten Händen sein. Dachte ich zumindest. Volker, ein Freund und der Arzt der Produktion, bei der ich arbeitete und seitdem auch mein Arzt für chirurgische Sachen, war guter Dinge, daß ich mit meinem Heimtrainer das Nürburgring Event in rund 5 Wochen würde fahren können. Ich war zwei Tage später wieder beim Job und ließ mich feiern. Ich war guter Dinge.

Es kam alles anders. Nach zwei Wochen kam der Gips ab (der Bruch, eine Galeazzi-Fraktur, wurde mit einer schicken Titanplatte geflickt) und die Hand war ein geschwollenes Etwas. Schmerzen hatte ich permament, Schmerzmittel waren mein täglicher Begleiter. Den Heimtrainer habe ich einmal versucht, vor dem TV während die „Tour de France“ lief und schnell gemerkt, daß ich den linken Arm zum Abstützen brauchte. Das ging irgendwie auch nicht gut. Dann also untrainiert zum Nürburgring, genügend Grundlage hatte ich ja und Willen sowieso.

Letztlich wurde mir nur schleichend klar, daß die Sache etwas langwieriger werden würde, als gedacht (und erhofft). Die Schwellung von Hand und Gelenk wurden eher noch schlimmer, als besser und ich war Stammgast in diversen Apotheken – der Nachschub an mittlerweile immensen Mengen Schmerzmitteln musste gesichert werden. Eine zusätzlich hinzugezogene Koryphäe unter den Handchirurgen brachte dann die leidige Erkenntnis, dass hier noch mehr anstand als ein profaner (Achtung, Radfahrergag!) Speichenbruch am linken Arm: „da ist bei der OP wohl was schief gelaufen“ meinte er, erläuterte mir am Röntgenbild, daß der Knöchel nicht sauber im Gelenk stand und stellte zudem eine zirkulatorische Störung fest. „Morbus Sudeck, googlen sie das mal!“. Das machte ich abends auch und dann wurde mir schlecht.

Recht panisch saß ich am nächsten Morgen bei Volker. Was denkst Du, wenn Du eine Krankheit hast, bei der es Selbsthilfegruppen und Selbstmordraten gibt? Ich, seltsamerweise, nicht viel. Den Nürburgring hatte ich abgehakt, aber ich überlegte durchaus, wann ich wieder ordentlich auf dem Rad sitzen könnte. Hier kommt der Punkt, an dem ich Euch nicht mehr sehr ausführlich berichten werde (das ist ja immernoch ein Fahrradblog!). Nur soviel: wenn es übel läuft, dann richtig! Zum „konstanten regionalen Schmerzsyndrom“ (CRPS) kam noch eine Kalkschulter (Impingement Syndrom) und irgendwas am Fuß (ich weiß nicht mehr, wie’s heißt) und im Herbst: Herzrhythmusstörungen. Jetzt weiß ich, warum ein Leistungssportler (kardiologisch laufen Breitensportler wie ich tatsächlich unter „Leistungssport“) abtrainieren und seinem Herz etwas zu tun geben muss, was ich dermaßen eingeschränkt nicht oder nur kaum tat, bzw. tun konnte.

Ich mache es kurz: wie Volker mir sagte, passiert wirklich „viel im Kopf“ und für mich war immer klar, daß ich positiv denken und nach vorne schauen muß, was ich auch tat, auch wenn das sehr oft schwer fiel. Die ersten -sehr eingeschränkten- Radtouren waren gleichermaßen Genuß wie Erleichterung. Mittlerweile bin ich -auch wenn es langwierig war- wieder körperlich recht hergestellt und auch in der Lage wieder lange Touren, jenseits der 200km zu fahren. Wenn auch wesentlich langsamer als zuvor, was zum einen nervt und am Ego kratzt und zum anderen auch für eine Suche nach neuen Trainingspartnern sorgt. „Social Riding“, d.h. auf die Schwachen achten, ist nicht jedermanns Sache, das mußte ich leider feststellen. Ich habe immernoch einen leichten Schmerz/Druck in der linken Hand, bin aber schon lange komplett frei von Schmerzmitteln. Der Moment vor einem dreiviertel Jahr, als ich das erste mal nach 1,5 Jahren wieder eine Faust ballen konnte, war ein großartiger und selbst wenn ich noch etwas eingeschränkt bin, wenn die Hand so bleibt, dann kann ich damit leben. Eine Karriere als Gitarrist oder filigraner Zahntechniker habe ich weiterhin nicht geplant. Und die Form kommt so langsam, auch wenn es lange dauert (für einen ungeduldigen Jungspund für mich natürlich: zu lange! Und 6-7 Kilo müssen auch noch wieder runter! 😉 )

Ein dann doch verkehrspolitischer Absatz sei mir heute erlaubt: es gibt auf den ersten Blick keinen „Schuldigen“ an meinem Unfall, außer einem Idioten, der es nicht für nötig gefunden hat, sein Fernlicht auszuschalten. Dennoch: ich empfinde viele der außerorts angelegten Radwege (die z.B. vom ADFC gefordert und gefördert werden) als nicht wirklich optimal. Neben der ausschließlich zum Nachteil ausgelegten Vorfahrtsregelung an Kreuzungen (von mangelhaften baulichen Zuständen komplett abgesehen) ist das vor allem das Höhenniveau: achtet nachts mal drauf, auf welchen Wegen sich Euer Kopf auf der Höhe der Scheinwerfer der Kfz befindet und ihr somit potentiell geblendet werdet. Besonders schlimm ist dies dann bei Nässe auf linksseitig geführten „Radwegen“. Da braucht es durch die Spiegelungen auf der Fahrbahn gar kein Fernlicht mehr für einen „Blindflug“. An sicheres Vorankommen ist hier nicht zu denken. Selbstredend: der Kraftfahrer, der mich geblendet hat, wurde nicht gefunden. Er wurde -trotz meiner Anzeige- noch nicht einmal gesucht, es gab zumindest keine Pressemitteilung mit Zeugensuche der zuständigen Polizei Karlsruhe. Ein Beamter rief mich allerdings an, er verstand den Link zur geauen Unfallstelle auf Google-Maps nicht. Wahrscheinlich tippt der die PM grad in seine Schreibmaschine ….

Noch mehr private Pausen – Teil 2
Nach dem ganzen Abfuck hatte die bloglose Zeit dann aber auch noch andere, ganz und gar positive, erfreuliche, ja fast schon euphorische Gründe: ich bin kein Kölner mehr! Nunja, „Kölner“ war ich eh nie, eher ein Immi, der 25 Jahre in der Stadt gelebt und sie geliebt und auch ein wenig gehasst hat. Nicht ganz aus heiterem Himmel, aber doch recht kurzfristig und fix, hat es mich ins wunderschöne Bergische Land gezogen – ins krasse Gegenteil des lebendigen Köln-Mülheims, in ein kleines Dorf bei Much. War ich es früher gewohnt, nachts die quietschenden Reifen der Autoposer (die die Polizei nie finden wollte, wenn man sie darauf ansprach) auf der Frankfurter Straße und den Fluglärm der fast direkt über die Häuser bretternden Flieger zu hören (und das übrigens noch als verhältnismäßig ruhig zu empfinden), höre ich jetzt wenn ich ins Bett gehe: nichts. Und ein paar Pferde. Und ein paar Schafe. Und besonders im Frühjahr einen Haufen Vögel. Dieser Tage hat nachts ein Schaf alle 20 Sekunden verhältnismäßig laut (ich glaube, es war ausgebüxt und fand nicht zurück) geblökt und ich konnte ernsthaft erstmal nicht einschlafen! War das laut! Dazu kommt: Dunkelheit! Hier gehen um 0:00 Uhr die Straßenlaternen aus und wer das nun provinziell findet, der kommt mal vorbei und schaut sich einen sternenklaren Nachthimmel an! Es gibt tatsächlich mehr als ein paar Sterne in der Mitte des Nachthimmels – Stichwort: Lichtverschmutzung.
Unser Dorf hat wohl so rund 70 Einwohner (und sicher mehr Tiere!), eine Kirche, eine Kneipe, eine Kita und ich liebe es hier seit dem ersten Tag! Hier machen andere Urlaub und ich kann das verstehen! Ach, und zwei Dörfer weiter wohnt ein „Vuelta à Espana“ Sieger und er ist mit meiner Nachbarin befreundet! Kann also sein, daß ich „Le Loop“mal zufällig vor der Tür treffe ;-).

Und da liegt also auch der rein praktische Grund der langen Pause: ich habe den Rest des Jahres 2018 und viel von 2019 (und derzeit eigentlich auch noch) damit verbracht, das Heim herzurichten. Ein Umzug mit vielen Fahrrädern und ganz viel Zeugs, das sich über 15 Jahre in einem Haus ansammelt, will gestemmt werden. Das alte Haus leer machen und übergeben, das neue einrichten, sich einleben – das alles dauert und somit sind die Prioritäten eben anders gesetzt.

Fahrradtechnisch habe ich einerseits das große Los gezogen, denn für Radsportler wird es hier oben erst richtig, richtig gut! Ich rolle aus der Einfahrt und bin quasi „auf der Strecke“. Wen’s interessiert: meine kurze, knackige Hausrunde hat auf ~50km ca. 1200 Höhenmeter. Je nach Tageszeit treffe ich auf 20 Kfz, trotzdem ich komplett asphaltiert unterwegs bin. Man kann sich hier platt fahren, wenn man will – und die Bewirtung in den Landgasthöfen ist auch nicht zu verachten. Ja, es ist ein Traum!

Andererseits: „mal eben“ aufs Rad und irgendwo hin ist … schwierig. Das fängt bei alltäglichen Dingen an, der nächste Supermarkt ist ~5km entfernt (das waren früher 50m) und es geht bei beruflichen oder privaten Reisen weiter. „Mal eben“ nach Köln will überlegt sein, das sind 40km und hat dazu -trotzdem es ja eigentlich „runter“ geht- wegen zweier Hügel 400 Höhenmeter. Und das ist nur der Hinweg. Muss ich beruflich nach außerhalb, hatte ich es früher 300 Meter zum Bahnhof mit RE Anschluß, nun muß ich das planen und bin auf einen Verkehrsmix angewiesen. Und: ich habe mir letztes Jahr tatsächlich -das erste mal in meinem Leben- ein Auto gekauft! Ich kenne jetzt also auch die „andere Seite“ und habe da schon einiges erlebt (und verstanden), das wird definitiv noch einen eigenen Artikel geben. Ein Radfahrer gefangen in einer Blechkiste oder so!

Ich bin aber nicht „von Köln weg“, ich habe dort noch genügend zu tun, aber ich muss mir natürlich Gedanken machen, ob und wie es mit diesem Blog weitergeht: Ich werde nicht (und will das auch nicht) wie früher in hoher Frequenz über Kölner Radverkehrspolitik berichten können, dafür bin ich -neben dem Mangel an Zeit- zu weit entfernt. Andererseits: die großen und tiefgehenden Berichte können weiterhin recherchiert und geschrieben werden, denn dafür muß man nicht zwingend immer und direkt vor Ort sein können. Zudem heißt dieser Blog „Radfahren in Köln und Umgebung“ und da gehört mein neuer Wohnort ja noch dazu. Der Blog ist jetzt auch erreichbar unter „http://www.radfahren-in-much.de“, wer weiß also was noch passiert und vielleicht findet ja auch das ein oder andere rein touristische Thema Anklang – zu berichten über schöne Touren gibt es hier „oben“ jedenfalls genug.

Falls in der Stadverwaltung, bei Polizei & Co. jetzt die Sektkorken knallen: zu früh gefreut! Das heißt ganz sicher nicht, daß ich nicht mehr aktiv sein werde und außerdem: ich hab da noch so ein schönes Archiv an unveröffentlichten Geschichten aus dem Amt 666: Frau S., die auf Anfrage nach einer sinnlosen Beschilderung nicht möchte, daß „hier Radfahrer fahren“, Frau B., die mir in der Antwort auf eine Anfrage unverblümt mit der „Rechtsabteilung der Stadt Köln“ droht, wenn ich ihren „Namen im Internet nenne“ und natürlich Herr H., über den gibt es immer ein paar feine Geschichten. Mal gucken.

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Tags: Allgemein

11 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Claudi // Feb 28, 2020 at 13:21

    Schön geschrieben – und gut, dass Du wieder fit bist. Die Tour nach Much (ich sprech das immer Englisch aus ?), hab ich nicht vergessen und komme, wenn ich mich von meiner anstehenden Nasen-OP erholt hab, ganz sicher mal auf nen Social Ride vorbei.
    Oh, und über die elenden Zustände für Kölner Radfahrer berichte gern weiter. Da gibt’s ne Menge!

  • 2 MartinTriker // Feb 28, 2020 at 13:57

    Schön mal wieder was von dir im Blog zu lesen, statt nur ab und zu ein kurzer Tweet. Das mit dem Blog vs. Social Media sehe ich wie du. Und bin gerade deswegen froh, dass du dein Blog nicht abschaltest, wie es Rasmus leider getan hat. Gerade dein Artikel, warum du aus dem ADFC ausgetreten bist verlinke ich doch zu gern.

    Und schade, von deinem Unfall zu lesen. Dein Eindruck über Radwege außerorts kann ich leider nur zu sehr bestätigen, auch wenn ich solche Folgen bisher nie erleben musste. Nicht mal Stürze.

    Auf aller Fälle: bin mal gespannt, was da an Beiträgen folgt.

  • 3 Markus // Feb 28, 2020 at 15:24

    Hi Marco, schön auch hier wieder was von dir zu lesen. Hatte eben deinen Tweet gesehen und dann gleich mal in den Blog geschnuppert und nun gelesen, was dir so passiert ist.
    Ich freu mich für dich, dass du dich inzwischen erholt hast und dich wieder „rankämpfst“.
    Alles Gute für die Zukunft und auf viele weitere, unfallfreie und motivierende, Fahrradkilometer.

  • 4 DS-pektiven // Feb 29, 2020 at 15:19

    Schöner Beitrag; wenn auch überwiegend auf unschönen Gegebenheiten beruhend. Außerortswegelchen sind auf jeden Fall die Pest; vor allem im Dunkeln.

    Zum Umzug: Das Landleben ist ein Traum; es hat um Welten mehr Vor-, denn Nachteile. Gerade wenn man das Radfahren auch sportlicher betreibt. Deine Berichte aus Köln haben meine Abneigung gegen Großstädte auf jeden Fall verstärkt; für mich eine Horrorvorstellung, in so einem Molloch radfahren zu müssen. Wenn du jetzt wieder regelmäßiger bloggst, wäre ich wohl auch nicht mehr das so ziemlich einzige bloggende, radverkehrspolitische Landei. 😉

    Nebenbei hast du mich mit deinen sportlichen Höchstleistungen (den Ventoux von drei Seiten hoch ist schon der Hammer…!) ein klein wenig motiviert, hin und wieder doch mal wieder auf den Schnitt zu schielen.

  • 5 Marco // Feb 29, 2020 at 16:05

    ach, der „Schnitt“ ist echt nicht so wichtig – zumal ich meiner damaligen Form ja noch Meilen (und mehr) hinterher hänge. Der Ventoux war allerdings wirklich phantastisch, insbesondere der Kameradschaft mit den Jungs, mit denen ich da war.

    Von Köln aus konnte ich ganz gut und schnell „raus“, jetzt wohne ich direkt da und muss nicht erst 20km rollen, bevor’s geil wird – das sind jetzt 10 Meter aus der Einfahrt 😉

  • 6 DS-pektiven // Feb 29, 2020 at 17:22

    So unwichtig ist er nicht. Ich hab mir in den letzten Jahren leider ein richtiges „Bummeltempo“ angewöhnt. Und nicht nur deshalb, weil ich unterwegs immer wieder mal bescheuerte Wegelchen fotografiere. 😉

    Ich hoffe, den Ventoux vielleicht doch irgendwann mal befahren zu können; der liegt leider arg weit südlich. Das Stilfserjoch beidseitig, Große Scheidegg – Männlichen und Susten – Grimsel – Furka waren bei mir so die bislang schönsten Erfahrungen im Hochgebirge. 😉 Alles leider auch schon wieder viel zu lange her…

  • 7 Norbert // Feb 29, 2020 at 19:46

    Hast du überlegt, parallel zu

    http://www.radfahren-in-koeln.de/feed/ auch

    http://www.radfahren-in-much.de/feed/

    einzurichten?

  • 8 Marco // Mrz 1, 2020 at 02:01

    ich denke nicht. Das wird ja, wenn, alles der gleiche content sein. Idt übrigens auch unter http://www.radfahrer-absteigen.de/ zu erreichen 😉

  • 9 Ralf // Jun 29, 2020 at 12:08

    Ich sehe den Artikel erst jetzt. Mein Wegzug aus Köln steht auch früher oder später an. Bin gerade etwas neidisch 😉

  • 10 Marco // Jun 29, 2020 at 12:12

    es war eine sehr gute Entscheidung 😉

  • 11 Frank // Sep 16, 2020 at 08:11

    Uff, vielen Dank für die Info und vielen Dank zurück zu sein. Ich hatte mir Sorgen gemacht – wie sich herausstellt nicht ganz unberechtigt. Dann aber aus familiären Gründen den Blog aus dem Auge verloren. Und erst heute im Austausch mit einem Kollegen mal wieder darüber gesprochen, weil ein uns bekannter Entertainer heute wohl einen Sch* #mdrzA hatte – zumindest seinen Tweets zu folge. Alles Gute, bleib gesund und viel Spaß mit dem tollen Radrevier! Grüße F

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