Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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[Archiv] Kölner Grüne feiern sich für Gefährdung von Radfahrern und Fußgängern

August 20th, 2021 · Keine Kommentare

[Wie schon länger immer mal wieder angekündigt: hier kommt der erste „Archiv“ Artikel, d.h. ein Beitrag, der nicht mehr wirklich aktuell ist, ggf. erst einmal nur in meinem Kopf existierte und (manchmal aus Zeit- und Mußegründen) einfach noch nicht niedergeschrieben war und dann „unter den Tisch gefallen“ ist.

Dieser Artikel hätte Anfang April 2018 erscheinen sollen. Ich hatte ihn als „Entwurf“ im Backend und kann tatsächlich nicht sagen, warum ich ihn damals nicht veröffentlicht habe – vielleicht wollte ich ihn noch erweitern, vielleicht noch ein paar Fotos machen, vielleicht habe ich es auch einfach nur verschlafen, weil ich viel zu tun hatte. Sehr wahrscheinlich ist tatsächlich, dass ich ihn wegen meines recht kurzfristig anstehenden Umzugs ein paar Wochen später vergessen habe … Wie dem auch sei, vom Prinzip her ist die angesprochene Thematik immer noch aktuell und wird es -leider- wohl auch noch bleiben. ich bin den betreffenden Weg grad kürzlich gefahren und das war tatsächlich ziemlich schrecklich!]

Geisterfahren ist böse. Was der versierte Radfahrer schon lange weiß, spricht sich auch in der normalen Bevölkerung und bei den Dann-und-Wann-Radlern rum: fahre nicht gegen die Fahrtrichtung! Und was schon lange immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt wird und sowieso klar ist, auch: fahre nicht auf Gehwegen!

Die Gründe dafür sind seit Jahrzehnten offensichtlich und werden jährlich in den Unfallstatistiken manifestiert: die Wahrscheinlichkeit, zu verunfallen liegt demnach auf einem linksseitig geführten Radweg rund 12 mal höher als auf der Fahrbahn. Der ADFC Diepholz erläuret das auf seinen Internet-Seiten recht anschaulich und Erika Ciesla referiert über die generelle „Sicherheit“ von Radwegen. Dass Fahrzeugverkehr und Fußgängerverkehr alleine schon wegen der immensen Geschwindigkeitsunterschiede nicht zusammenpassen, sollte eigentlich sowieso klar sein – zumindest, wenn man ein Fahrrad für ein Fahrzeug hält (was es nun mal ist!)

Schlimm genug, dass es (wohl nicht nur) in Köln Altlasten in Form von linksseitig geführten Radwegen, oft genug gemeinsam mit Fußgängern geführt, gibt und unsere Stadtverwaltung mit der „Prüfung auf Radwegebenutzungspflicht“ seit 1998 (!) einfach nicht hinterher kommt: so etwas wird leider sogar immer wieder aktuell und unter Ignorierung der Vorschriften geltender Gesetze und Regelwerke angeordnet!

Neu ist nun allerdings, dass die (Kölner Lokal)Politik nicht nur diese illegalen Maßnahmen unterstützt, sondern -zusammen mit der Stadtverwaltung- gängiges Verwaltungsrecht unterläuft und missachtet, indem sie gegen Bundesgesetze und Verwaltungsvorschriften handelt.

Folgendes ist passiert: auf der Deutzer Brücke wurde vor ein paar Tagen auf der nördlichen Seite per Anordnung durch ein VZ240 („Fußgänger und Radfahrer gemeinsam“) Radfahrern erlaubt, die Brücke auf einem verhältnismäßig schmalen Hochboard gegen die Fahrtrichtung zu queren. Dabei wurde prinzipiell zunächst der Grundsatz „Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist mit besonderen Gefahren verbunden und deshalb aus Gründen der Verkehrssicherheit grundsätzlich nicht erlaubt.“ (Auszug aus der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO)) mißachtet und dann zudem noch einige Vorschriften aus den Regelwerken, wie z.B. den Abständen, die die ERA2010 zur (natürlich zweispurigen!) Fahrbahn vorsieht, komplett ignoriert.

Soweit, so dumm, so normal in Köln: die Stadtverwaltung, bzw. das Amt für Straßen und Verkehrstechnik unter der Ägide des Amtsleiters Klaus Harzendorf, sieht Radverkehr immer noch nicht als „Verkehr“, sondern halt als Fußgänger mit Reifen. Da führt man Fahrräder halt irgendwo lang. Noch dümmer: genau an dieser Stelle hat die Kölner Polizei zusammen mit dem Kölner Fahrradclub vor ein paar Monaten noch Radfahrer gegen die Fahrtrichtung -richtigerweise- kontrolliert und sanktioniert, worüber ich in einem meiner letzten Artikel berichtete. In der Annahme, dass Polizei und ADFC sinnvolle Maßnahmen treffen und sich in ein paar Monaten die Situation nicht grundlegend geändert haben wird, kann mal wohl davon ausgehen, dass Geisterradeln hier -wie vermutet- gefährlich ist und die Anordnung der Stadtverwaltung entsprechend gefährdend und illegal ist. Auf der Deutzer Brücke wurden der Pressemitteilung der Polizei nach übrigens tatsächlich am meisten Geisterradler bei der Aktion angetroffen. Fazit: was vor kurzem noch sanktioniert wurde, ist jetzt also legal!

Es geht aber durchaus noch dümmer, denn nach der Anordnung des VZ240 berichtete -breit angelegt- die Presse darüber und was ich dort las, erstaunte mich doch einigermaßen. Nicht nur, dass die gefährliche Führung des Radverkehrs in den Gegenverkehr als Erfolg verkauft wurde, auch die Gesichter, die dafür stehen, verwirrten einigermaßen: neben ein paar Mitarbeitern des Bauhofs, rief der „Fahrradbeauftragte“ der Stadt Köln, Jürgen Möllers, der gleichzeitig auch für den Verkehrsfluss des MIV zuständig ist (sic!) zur Pressekonferenz, sowie Andreas Hupke, Grüner Bezirksbürgermeister in der BV1. Alle lächelten in die Kamera und preisten die Anordnung des VZ240 als „fahrradfreundlich“ an. Artikel gibt es bei koeln.de, im Kölner Stadtanzeiger (KStA), im Kölner Wochenspiegel, in der Kölnischen Rundschau und bei report-k. Auf den dortigen Fotos sieht man, was die Situation noch verschärft: Pfeiler mitten auf dem Weg und die alte, rote Radwegmarkierung, die zwar nicht gilt, was aber die wenigsten wissen und befolgen und sich und andere somit zusätzlich in Gefahr bringen. Hier die Mitteilung der Stadt Köln dazu, aus dem Büro des „Fahrradbeauftragten“.

Wer als radaktiver Mensch bis hierhin einigermaßen den Kopf schüttelt, der wird sich nun die Haare raufen, denn es geht noch weiter. Die „Grünen in der Bezirksvertretung Köln-Innenstadt“ berichten nämlich nicht nur über das VZ240, sie feiern sich bei Facebook als „zufrieden“ und „glücklich“ auch gleich selbst und das ganz ordentlich.

Unabhängig von dem -ich nenne es mal so- kleinen Shitstorm, den der „wegweisende Moment“ für die Grünen hier bringt (ich bin ganz offensichtlich lange nicht der einzige, der die Führung von Radfahrern in den Gegenverkehr „nicht ganz optimal“ findet), offenbart er noch etwas ganz anderes: in Köln gelten scheinbar eigene Gesetze, an die geltenden Regeln hält man sich jedenfalls nicht!

Das Prinzip ist eigentlich gar nicht so schwer. Vereinfacht ausgedrückt: in Deutschland gelten Bundesgesetze, die u.a. von Stadtverwaltungen ausgeführt werden. Das sind z.B. die Sozialgesetzbücher oder aber eben die Straßenverkehrsordnung (StVO), die -erweitert durch verschiedene Regelwerke- vorgibt, wann ausnahmsweise eine Radwegebenutzungspflicht angeordnet wird, etc. Hierbei gibt es zwar durchaus Ermessensspielräume, die sind jedoch -zumindest theorethisch- recht eng gesteckt und sind pflichtgemäß auszuüben. Deswegen kann man gegen Verwaltungsakte eben auch klagen. Konkret heißt es in der Verwaltungsvorschrift zur StVO u.a.:

Freigabe linker Radwege (Radverkehr in Gegenrichtung)

1. Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.

2. Auf baulich angelegten Radwegen kann nach sorgfältiger Prüfung die Benutzungspflicht auch für den Radverkehr in Gegenrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 oder ein Benutzungsrecht durch das Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ (1022-10) angeordnet werden.

3. Eine Benutzungspflicht kommt in der Regel außerhalb geschlossener Ortschaften, ein Benutzungsrecht innerhalb geschlossener Ortschaften ausnahmsweise in Betracht.

Jetzt könnte man anmerken, dass die Fachmenschen vom Amt für Straßen und Verkehrsordnung und aus dem Büro des „Fahrradbeauftragten“ gemäß Satz 2 bestimmt „sorgfältig geprüft“ haben, was ich allerdings -alleine schon aufgrund der Tatsache des dortigen massiven touristischen Fußgängerverkehrs in Sichtweite des Weltkulturerbe Kölner Dom- stark bezweifeln möchte. Die Wahrheit sieht jedoch ernüchternder aus: es wurde abgestimmt!

Aus dem freudigen Facebook-Artikel der Grünen geht es hervor (da ist mir das überhaupt bewusst geworden) und auch im Artikel der Stadt Köln wird es erwähnt, es wurde mit der Anordnung ein „Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt aus dem Herbst 2017 umgesetzt“. Bumm!

In einem Satz zum Mitschreiben: das Verwaltungsrecht sieht vor, dass eine Stadtverwaltung gemäß den rechtlichen Richtlinien prüft, in Köln wird so etwas einfach von der Lokalpolitik beschlossen. Demokratie und Gesetze werden damit schlicht ad absurdum geführt. Kölscher Klüngel. Zur Ehrenrettung der Grünen sei nicht unerwähnt, dass der Beschluss in der Bezirksvertretung einstimmig fiel, die Initiative stammte allrdings von Ihnen (was sie ja auch freudig erwähnen).

Was mich dann noch weiter frustriert, ist eine gewisse Merkbefreitheit der Vertreter der Grünen. Die massive und durchaus sachliche Kritik der meisten Kommentierenden wird zwar zunächst unflätig („hat Trollhausen Ausgang?“), dann aber durchaus doch noch konstruktiv („Die Kritik ist angekommen und wird mit Sicherheit auf der kommenden Fraktionssitzung angesprochen.„) beantwortet. Dennoch wird von „Mehrheiten“ gesprochen und gar nicht verstanden, dass es in Verwaltungsangelegenheiten eben nichts abzustimmen gibt! Und zum guten Schluss werden die Kommentare des Grünen-Vertreters (mk) dann teils wieder kommentarlos gelöscht (was im Thread dann so aussieht, als hätte man einen an der Waffel und würde mit sich selbst diskutieren), na toll! Diskussionskultur geht sicher anders, liebe Grünen! Verwaltungsrecht sowieso!

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Tags: ADFC · Allgemein · Archiv · Fahrradbeauftragter · Innenstadt · Kölner Stadtteile · Radwege

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