Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Auf den Vorrang verzichten

Mai 21st, 2012 · 17 Kommentare

Um festzustellen, was die prekärsten Situationen für Radfahrer sind, in denen es zu schweren Unfällen kommt, muß man noch nicht einmal selbst auf dem Fahrrad unterwegs sein. Einen ersten Eindruck kann man sich schon vom Bürosessel aus verschaffen, über die Website des „Expertenkreises Velo2010„, der sich dem Thema „Mehr Sicherheit im Radverkehr“ verschrieben hat. Dort gibt es eine Übersicht über die schweren Fahrradunfälle in Köln, sogar mit Fotos.

Über die Vielzahl der Rechtsabbiegerunfälle, oftmals durch die Benutzung von (benutzungspflichtigen!) „Radwegen“ verursacht, hatte ich kürzlich schon einen kleinen Artikel geschrieben. In den Velo 2010 Unfallberichten gibt es zum Schluß der Meldung meist ein „bon mot“, wie der Unfall hätte vermieden werden können. Daß sich damit in der Vergangenheit nicht grad mit Ruhm bekleckert wurde, sollte nicht erst seit der makabren Meldung auf Velo 2010 vom 19.8.2008 , als ein Radfahrer (vorschriftsmäßig auf einem “Radweg” unterwegs) von einem LKW tot gefahren wurde, klar sein: “Der LKW-Fahrer war nach eigenen Angaben angeschnallt. Der Radfahrer trug keinen Fahrradhelm”.

Neu ist nun aber, daß in der Schuldzuweisung am Ende einer Meldung darauf hingewiesen wird, daß man im Straßenverkehr als Radfahrer de facto keine Rechte hat. In der Unfallmeldung über einen Rechtsabbiegerunfall an der Richard-Wagner-Straße am 18.5.2012 (rechtsabbiegender LKW übersieht die auf dem „Radweg“ vorfahrtsberechtigt geradeausfahrende Radfahrerin und schleift sie mit) heißt es schließlich ganz offen:

Auch Radfahrer sollten an Kreuzungen auf abbiegende Fahrzeuge achten und zu ihrer eigenen Sicherheit auf ihren Vorrang verzichten!

Das heißt auf gut deutsch also „selbst Schuld„!

Der adfc Köln ist übrigens Mitglied im „Expertenkreis Velo 2010“ und steht somit für solche Aussagen, die hier auch in seinem Namen getätigt werden! Ich schlage -übrigens als adfc Mitglied- dem adfc vor, diesen „Expertenkreis“ zu verlassen, wie das der AStA übrigens schon vor Jahren getan hat.

 

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Tags: Allgemein

17 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 der_ub // Mai 21, 2012 at 12:48

    Statt auch oder gerade beim motorisiertem Verkehr für deutlich mehr Aufmerksamkeit zu werben, werden die schwachen Verkehrsteilnehmer noch weiter geschwächt. Künftig sollen Radfahrer auch darauf achten, ob am Steuer eines Autos telefoniert oder geraucht wird, damit er heil durch Köln komme. Gerade beim Rechtsabbiegen fehlt es dem meisten Fahrern an Verantwortung und Rücksicht. Beim Telefonieren oder Rauchen fehlt alles was mit verantwortungsbewusstem Umgang mit dem Automobil zu tun hat. Erst wenn bilateral Gefahrenquellen angesprochen und via Dauerschulung bewusst werden, kann sich an dieser Situation etwas ändern. Völlig falsch ist das gerne genommene „Radfahrer, passt doch mehr auf“ – Signal.

  • 2 Christian // Mai 21, 2012 at 13:08

    Dem ADFC den Austritt nahe zu legen wird schlecht funktionieren, da dieser in seinen eigenen Postillen genau den beschriebenen Ansatz (LKW die Vorfahrt gewähren) vertritt – so z.B. in seiner Zeitung für den Verein Neuss/Krefeld.
    Die Problematik, das Autofahrer beim rechts abbiegen, Fahrradfahrer auf abgetrennten Radwegen übersehen, kann eigentlich in jeder Stadt an Schwerpunkten tagtäglich gesehen werden. Hier besteht seitens der Stadt dringender Handlungsbedarf. Es ist daher absolut fragwürdig, warum wir Radfahrer unsere kurzen Grünphasen rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen überlassen sollen! Die einfachste Lösung ist dabei, vom Radweg runter auf die Straße zu wechseln, da Radfahrer im Verkehr leichter zu sehen sind. Das wissen auch Polizei und ADFC.

  • 3 Marco // Mai 21, 2012 at 13:22

    @Christian: ich hab das einfach mal gemacht. Es gibt ja immerhin eklatante Unterschiede, was die Regionalverbände im adfc angeht und -immerhin- in Köln *ein paar* wenige klare Köpfe und es wird sich in der „FahrRad!“ durchaus sehr kritisch mit der RWBP auseinandergesetzt, sowie immer wieder Kritik an der Stadt geübt. Anfangs zögerlich, mittlerweile recht offen.
    Als Mitglied solch eine Anregung zu geben, sollte also drin sein.

    Die Lösung ist -ganz klar- Radfahrer ausnahmslos auf die Fahrbahn zu lassen. Das wissen sowohl adfc, als auch StVB. Solange Fahrradpolitik aber von Automobilverbänden und Ahnungslosen gemacht wird, wird das nicht oder nur zögerlich passieren.

    Separation tötet.

  • 4 Ralf // Mai 21, 2012 at 15:05

    Prinzipiell ist es natürlich richtig, im Zweifel dem anderen die „Vorfahrt“ zu lassen. Ich habe das sogar in der Fahrschule so gelernt.

    Nicht nur, dass mir das einige Krankenhausaufenthalte erspart hat. Ich meine sogar, derjenige, der einen Unfall verhindern kann, aber es absichtlich(!) nicht tut, die alleinige Schuld bekommt.

    > Die Lösung ist -ganz klar- Radfahrer ausnahmslos auf die Fahrbahn zu lassen.

    Ist das -hier- wirklich die Lösung? Der Radweg geht direkt an der Strasse entlang. Somit sind die Radfahrer im Blickfeld.

    Wenn ein LKW aber bei rot an der Ampel steht und ein Radfahrer von hinten kommt und rechts am LKW vorbei fährt, ist er, möglicherweise, erstmal im toten Winkel.

    Bei Wikipedia steht: „In Deutschland fordern der ADFC und viele andere Gruppen seit langem bessere gesetzliche Regelungen zur Verminderung der Gefahren durch den toten Winkel.“

    Und liegt damit meiner Meinung nach goldrichtig.

    @Marco: Hier wird immerwieder darüber geklagt, dass Schutzstreifen zu nah an den parkenden Autos entlang geführt werden. Wieso? Wegen der Gefahr der sich öffnenden Autotür? Aber wieso konkret? Der Radfahrer hat doch das Recht dort langzufahren und der Autofahrer hat nicht das Recht die Tür zu öffnen. So sehe ich zumindest gerade deine Argumentation in diesem Fall.

  • 5 Ralf // Mai 21, 2012 at 15:19

    Und zu den Unfallberichten selbst noch ein Wort:
    Nirgends finde ich auf deren Seiten eine Definition von „schwerer Unfall“. Im Arbeitsrecht z.B. gibt es eine, die wird aber wohl nicht verwendet.

    Knochenbrüche, Schädel-Hirn-Trauma, aufgrund des Unfalls 6 Wochen arbeitsunfähig ist KEIN schwerer Unfall laut Velo2010!

  • 6 siggi // Mai 21, 2012 at 16:01

    Nicht nur aus dem Expertenkreis austreten, sondern auch jegliche Kommunikation mit den Behörden einstellen.

    Dieser ganze Experten und runder Tisch Müll hat bis heute nur dazu geführt, dass es für wirklichen Radverkehr immer schlechter wird und das wird auch weiterhin dazu führen.

    Lasst diese selbsternanten Radverkehrsexperten der Kommunen mutnter drauf los planen und machen, so wie sie es für richtig halten.
    Um so schneller ist der Zeitpunkt erreicht bis auch der letzte „Otto“normalradler merkt, was hier gespielt wird.

  • 7 toni // Mai 21, 2012 at 19:14

    Was erwartet man von einem Herr Roters von der SPD? Natürlich sind ihm die Toten Ratfahrer egal, sonst würde er solch eklatanten Fehler in Köln gar nicht zulassen, aber anscheinend ist ihm sein Geld-Freund Herr Mattes von Ford Deutschland wohl wichtiger als Menschenleben, wie gesagt, sonst hätte er schon längst gehandelt.

  • 8 skip // Mai 21, 2012 at 19:29

    @siggi: Nein. Der Normal-Radler wird das nicht merken, stören wird er sich schon gar nicht.

    In Hennef z.B. ist auf dem schmalen „Pfad“ vor den Geschäften an der gesamten innerstädtischen Hauptstraße (Tempo 30, beruhigt) Radverkehr erlaubt – auf dem Fußweg.

    Effekt ist, dass
    – Tante Trude die spielenden Kinder böse anklingelt,
    – der coole Joscha dreist Spaziergänger rammt und
    – Fred im Auto hupt, wenn Du auf der Straße fährst.

    Dort wird erzogen, wie es zu sein hat: Schau nach rechts und links, wenn Du aus der Bäckerei auf’s Trottoir trittst!

    So wird es kommen, wenn man es den „Experten“ überlässt. Und alle ziehen brav ihre Narrenkappe an und finden das „sicher“.

  • 9 skip // Mai 21, 2012 at 19:31

    @Ralf: Wenn ich den Radweg nicht benutzen muss, überhole ich den Rechtsabbieger natürlich links, damit er problemlos um die Kurve kann. Das Problem toter Winkel erledigt sich von selber.

    PS: … wenn der Fahrer blinkt, während er mit links raucht und mit rechts telefoniert.

  • 10 Fahrverkehr // Mai 22, 2012 at 08:37

    @Ralf: „…Ich meine sogar, derjenige, der einen Unfall verhindern kann, aber es absichtlich(!) nicht tut, die alleinige Schuld bekommt.“
    Du meinst doch nicht im Ernst, dass sich die Radfahrerin absichtlich unter den LKW geschmissen hat?
    @Ralf: „Der Radweg geht direkt an der Straße entlang. Somit sind die Radfahrer im Blickfeld.“
    Das Gegenteil ist der Fall! Der Radweg bewirkt, dass die Radfahrerin aus dem Blickfeld verschwindet. Sie verschwindet auf dem Radweg vor allem aber auch aus der Wahrnehmung der Auto-/LKW-Fahrer.
    @Ralf: „Wenn ein LKW aber bei Rot an der Ampel steht und ein Radfahrer von hinten kommt und rechts am LKW vorbei fährt, ist er, möglicherweise, erst mal im toten Winkel.“
    Es gibt auch den umgekehrten Fall, dass der LKW von hinten kommt und sich links neben dem Radfahrer aufstellt. Der Systemfehler bei Radwegen besteht darin, dass sich schwere, gefährliche Fahrzeuge, die möglicherweise rechts abbiegen werden, sich links neben den Geradeausfahrer aufstellen.
    @Ralf: „Bei Wikipedia steht: “In Deutschland fordern der ADFC und viele andere Gruppen seit langem bessere gesetzliche Regelungen zur Verminderung der Gefahren durch den toten Winkel.”
    …und das geht am besten, indem man die Radfahrer gar nicht erst in den toten Winkel leitet.
    Zum Thema Schutzstreifen: Auch bei Schutzstreifen sind Radfahrer verpflichtet mindestens einen Meter Abstand rechts zu parkenden Autos einzuhalten. Darum sind in der Regel Schutzstreifen unbenutzbar.

  • 11 Philip // Mai 22, 2012 at 17:01

    Inzwischen wurde die Formulierung übrigens zum Besseren geändert:
    »Abbiegevorgänge von Lkw sind insbesondere im städtischen Bereich für parallel fahrende Radfahrer mit einem erhöhten Risiko verbunden, unabsichtlich übersehen zu werden. Wenn Sie sich nicht sicher sind, dass Sie vom Lkw-Fahrer erkannt wurden, verhalten Sie sich Ihrer eigenen Gesundheit zu Liebe besser defensiv und verzichten auf Ihren Vorrang.«

  • 12 Hein Bloed // Mai 22, 2012 at 17:53

    @Marco: Wg. „Separation tötet.“

    Das sehen diese beiden möglicherweise anders: http://www.nw-news.de/lokale_news/bielefeld/westen/polizei/6742194_Motorrad_streift_Rad_Zwei_Schwerverletzte.html

    Ihr kritisiert, dass jemand ausschreibt, dass auf der Strasse das Recht des Stärkeren gilt (und Radfahrer deshalb auf Ihr Recht verzichten müssen).

    Damit, dass Ihr fordert, dass Radfahrer auf der Strasse fahren, ändert Ihr daran nichts sondern betoniert eher diesen Zustand.

    Immer mehr Radfahrer fahren „freiwillig“ auf dem Gehweg. Die verzichten auf Ihr Recht, auf der Strasse zu fahren, weil es Ihnen zu unsicher ist.

    Ihr bietet denen folgende Alternativen an:
    – fahre auf dem Radweg und werde von einem Rechtsabbieger umgesemmelt
    – fahre auf der Strasse und lasse die ständigen Nötigungen über Dich ergehen (und werde ggfs. von einem Motoradfahrer umgesemmelt).

    Im Prinzip ist natürlich Variante zwei vorzuziehen – aber an der Tatsache, dass die Verkehrsregeln nur minimalen Schutz für die schwächeren Verkehrsteilnehmer bieten, ändert das nichts.

    Mit der Einstellung „nur die Harten kommen in den Garten“, kann man eigentlich auch alles beim Alten belassen.

  • 13 Fahrverkehr // Mai 23, 2012 at 07:50

    @Philip: Wirklich besser ist die Formulierung aber nicht geworden. Mit der merkwürdigen Formulierung „im städtischen Bereich“ möchte man wohl das Wort „Radweg“ umgehen. Der „heilige Radweg-Gral“ darf keinen Schaden erleiden und darf offensichtlich nach dem Willen der Velo 2010 Experten nicht mit Abbiegeunfällen in Verbindung gebracht werden.
    Es fällt ebenso auf, dass in der Meldung der Hinweis auf den im Foto zu sehenden Radweg fehlt. Beim flüchtigen Lesen kann der Eindruck entstehen, die Radfahrerin hätte sich auf der Fahrbahn neben den abbiegewilligen LKW gequetscht. Sind die Meldungen nur ungenau oder steckt dort Absicht dahinter? Hier wäre es Aufgabe des ADFC als Mitglied des Velo 2010 Projektes auf eine Verbesserung hinzuarbeiten.

    Ebenso ist eine Aufklärungskampagne notwendig, die auf die besonderen Gefahren auf Radwegen hinweist: „Rechnen Sie auf Radwegen und Radspuren immer damit, dass abbiegende Kraftfahrzeuge Ihnen nicht die Vorfahrt gewähren. Darum sollten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit besser auf der Fahrbahn fahren. Die Stadt Köln wird nach Möglichkeit für die meisten Radwege die Benutzungspflicht aufheben.“

  • 14 Holger // Mai 23, 2012 at 08:17

    @Fahrverkehr:

    „““Die Stadt Köln wird nach Möglichkeit für die meisten Radwege die Benutzungspflicht aufheben“““

    An der Richard-Wagner-Straße habe ich vor 2 1/2 Jahren nachgefragt, warum dieser Radweg benutzungspflichtig sei. Man hat mir geantwortet, dass die Stadt das prüfen und mir dann Antwort geben wolle. – Sie prüfen immer noch!

    Der Satz muss also lauten:
    „““
    Die Stadt Köln, wird nach zügiger, aber gründlicher Prüfung, nach Möglichkeit, in wenigen Jahrzehnten, für die meisten Radwege die Benutzungspflicht aufheben
    „““

  • 15 Ralf // Mai 23, 2012 at 08:41

    @Holger: Behörden vergessen sowas gerne.

    Ich glaube aber der Rat der Stadt Köln ist da besser organisiert: http://www.stadt-koeln.de/1/stadtrat/ausschuesse-gremien/

    Nachdem der Fahrradbeauftragte mir ja sagte, dass er meine Anfrage absichtlich ignoriert, weil es ein Grundsatzthema sei, habe ich mich an den Rat der Stadt Köln gewendet. Die holen derzeit die Stellungnahmen der entsprechenden Behörden ein.

    Jemand vom ADFC Bochum hat mir diesen Weg empfohlen.

  • 16 TheSecretCoAuthor // Okt 18, 2012 at 22:46

    „Auch Radfahrer sollten an Kreuzungen auf abbiegende Fahrzeuge achten und zu ihrer eigenen Sicherheit auf ihren Vorrang verzichten!“

    Das ist jawohl eine Frechheit! Natürlich achtet jeder Radfahrer auf die Autos an die er heranfährt.
    An dieser Aussage erkennt man, wie weit wir von einer Gleichberechtigung im Straßenverkehr noch entfernt sind…

  • 17 Gestorben wird vor dem Auto – Teil 2 // Apr 30, 2013 at 14:39

    […] den Verkehrsregeln und der Verkehrsführung traut, dort schützen soll ist Harzendorf wohl klar: im Zweifel auf den Vorrang verzichten. Das kann meiner Meinung nach keine Vorstellung von gleichberechtigtem Verkehr […]

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