Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Die gravierendsten Fehler sind angeordnet

März 27th, 2012 · 14 Kommentare

Die „Saison“ hat begonnen und das Frühjahr alle Veranwortlichen und Betroffenen -teilweise sicherlich überraschend- ereilt. Es wird „wieder“ Fahrrad gefahren. Und es stehen wieder diese Presse-Veranstaltungen an, nach denen man dann regelmäßig in den Zeitungen von „Rüpel-Radlern“, „selbst Schuld“ und „keiner trägt Helm!“ liest – weswegen ich letztes Jahr recht böse mit dem Leiter der Direktion Verkehr der Polizei Köln, Herrn Simon, war.

Um mir mal ein Bild von solch einer Veranstaltung zu machen, wollte ich die Pressekonferenz „Velo 2010: Netzwerkpartner stellen diesjährige Projekte vor„, die unter dem Thema „Mehr Sicherheit im Radverkehr“ lief, besuchen. Ich rief sogar extra einen Tag vorher bei der Pressestelle der Polizei an, um mich zu akkreditieren. „Kein Problem, kommen Sie einfach vorbei“ sagte man mir. Schön.

Pünktlich um 12:15 Uhr traf ich also im Foyer des Polizeipräsidums ein, etwas später wurden alle Beteiligten in einen Raum in einem der oberen Stockwerke geleitet.

Es waren anwesend: Der neue Polizeipräsident Herr Albers, der Leiter Direktion Verkehr der Kölner Polizei, Herr Simon, Herr Harzendorf (Leiter Amt für Straßen und Verkehrstechnik), Herr Möllers („Fahrradbeauftragter“ der Stadt Köln), Dr. Bäumerich (Verkehrswacht), Sven Bersch (adfc) und ein Herr vom ADAC. Bürgermeisterin Frau Elfi Scho-Antwerpes ließ sich wegen eines anderen Termins entschuldigen.

Dazu gesellten sich einige Journalisten und Fotografen von KStA, Express, Radio Köln, etc.

Herr Albers stellte das Projekt Velo 2010 noch einmal vor und fasste zusammen, was seit der Gründung im Jahre 2005 alles passiert ist. Nicht unerwähnt ließ er auch mit gewissem Stolz, daß man 2006 und 2007 zwei Preise „einheimsen“ konnte. Was die ursprünglichen Ziele im Jahre 2005 waren, nämlich u.a.  die “Unfälle mit verunglückten Radfahrern um mindestens 30 % bis 2010 zu reduzieren”  und das diese eigentlich komplett verfehlt worden sind, erwähnte er allerdings nicht. Herr Albers stellte hingegen fest, daß es als Erfolg anzusehen wäre, wenn man die Unfallzahlen halten könne, da der Radverkehr gleichzeitig mehr werden würde. Er erläuterte, daß es wichtig wäre, Gefahren, besonders mit Blick auf das Radverkehrsnetz, zu erkennen und gemeinsame Aufklärungsarbeit zu leisten. Unfallursache Nummer 1 wäre immer noch das zu schnelle Fahren motorisierter Verkehrsteilnehmer.

Als nächstes sprach Herr Simon, Leiter der Direktion Verkehr der Polizei Köln. Er ging insbesondere auf die Statistiken ein und erwähnte direkt, daß alleine am letzten (wettertechnisch wunderschönen!) Wochenende 30 Radfahrer verletzt wurden, er am Rheinufer unterwegs war und dort „die Hölle los“ war. Dort wäre allerdings trotzdem keiner verletzt worden (was ich bestätigen kann, dort konnte man auch schlichtweg gar nicht fahren, sondern mußte schieben). Die meisten Unfälle würden wochentags passieren und zwar nachmittags auf dem Weg zu, bzw. von Arbeit, Schule, Uni, etc. 40% aller Unfälle wären entsprechend Wegeunfälle.

Herr Simon ging die Statistiken detailliert durch und erwähnte auch, daß diese ausführlich auf der Website von Velo 2010 zu finden sind. Er machte sehr deutlich, daß die gravierendsten Unfälle, die sind, bei denen Radfahrer den „Radweg“ in die falsche Richtung benutzen und zudem 60% der Unfälle beim Abbiegen, etc. an Kreuzungen und Knotenpunkten stattfinden.

Herr Simon ging auch auf den Fragebogen ein, der seit letztem Jahr an verunfallte Radfahrer geschickt wird und erklärte, daß dieser von über 99% akzeptiert wird. Einzig, daß in der gezeigten Folie ein Auswertungszeitraum von „Sommer 2011 bis Sommer 2012“ (am 27. März 2012!) angegeben wurde, machte mich etwas stutzig …

Der Großteil der befragten verunfallten Radfahrer sagte übrigens aus, daß sie nicht der Meinung wären, sie hätten einen Fehler begangen, also auch nicht diejenigen, die auf dem „Radweg“ in die falsche Richtung unterwegs waren und dadurch in einen Unfall verwickelt wurden.

Sehr erfreulich war, daß Herr Simon diesmal nicht permanent fehlende Fahrradhelme als ursächlich für Unfälle propagierte. Tatsächlich hatten sogar 1/3 der befragten verunfallten Radfahrer einen Helm getragen! Anscheinend spielt die Helmtragequote also keine so große Rolle bei den Unfallursachen, wie das letztes Jahr noch durch die Kölner Presse geisterte (Problem! Nur 10% der Radler tragen Helm!)

Insgesamt lieferte Herr Simon einen sachlichen, gut zu folgenden Vortrag, der sich insbesondere was die Gefahren durch das Fahren in die Gegenrichtung angeht, größtenteils mit meinen Erfahrungen als Vielradler deckt. Und er machte vor allem (sogar wörtlich!) klar, daß Radfahrer gleichbrechtigte Verkehrsteilnehmer mit allen Rechten und Pflichten sind!

Danach war Herr Harzendorf an der Reihe. Herr Harzendorf ist der Amtsleiter des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik in Köln. Salopp gesagt macht Herr Harzendorf also zu einem guten Teil die Regeln, bzw. setzt sie um. Oder er sollte sie umsetzen.

Er begann seinen Wortbeitrag direkt mit einem kleinen Seitenhieb, er „freue sich persönlich immer, wenn er im Frühjahr mehr Radfahrer auf den Straßen“ sähe und er selbst beteilige sich da auch „mittlerweile immer häufiger, nicht immer, aber immer häufiger“. Er stelle aber „auf der anderen Seite wieder fest, daß sich Radfahrer im Verkehr auch nicht wirklich anders verhalten als Autofahrer, die ja bekanntlich hin und wieder diese eingebaute Vorfahrt haben.“ Das wären die Dinge, die „nach seiner eigenen Einschätzung doch sehr unfallursächlich sind.“.

Herr Harzendorf erklärte dann, was das Amt für Straßen und Verkehrstechnik in „Richtung Information und Prävention“ mache und zählte auf:

  • das Fahrradquiz der Stadt Köln, bei dem man auch dieses Jahr ab 1. Mai wieder „schöne Preise“ gewinnen kann
  • die Variotafeln, auf denen seit 2009 Hinweise (z.B. „Achtung beim rechts Abbiegen: Radfahrer!“) eingeblendet werden
  • „Aktion Licht“ an Schulen seit 2008 (zusammen mit der agfs)
  • Aktion „warum stehst Du auf meinem Weg?“ (zusammen mit der agfs)
  • „Alles im grünen Bereich“, die Fahrradchecks im Rheinpark
  • Kölner Radverkehrstreff (3x in 2011), der nächste wird am 16.4.2012 stattfinden, zum Thema „Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit“

Er schloß seinen Vortrag mit einem gewagten Satz, nämlich den Worten „Wir werden das tun, was wir können, um die Situation zu verbessern„.

Damit übergab Herr Harzendorf das Wort an Herrn Möllers, ebenfalls vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik, in Funktion des „Fahrradbeauftragten“. Herr Möllers hielt einen Vortrag, den ich schon ein gefühltes Dutzend mal gehört habe. Er ging sofort -mit deutlichem Stolz in der Stimme- auf die bundesweit einzigartigen vier Dauerzählstellen für Radfahrer in Köln ein. Letztes Jahr zählte man in Köln ein Plus von 800.000 Radfahrern an diesen Zählstellen. „Es werden immer mehr!“ und das nicht nur als Freizeitbetätigung, mit dem Fahrrad werden also auch viele der alltäglichen Wege in Köln abgewickelt.

Zu den Maßnahmen, die ergriffen werden, erklärte Herr Möllers, es gäbe seit einem guten Jahr eine komplette Neuüberprüfung der Radwegebenutzungspflicht. Man hätte bereits 20 km überprüft (von über 500 km, das sagte er allerdings nicht – der geneigte Leser kann sich selbst ausrechnen, wie lange es also dauern wird, bis die rechtliche Grundlage der Kölner „Radwege“ festgestellt worden ist ). Er ließ nicht unerwähnt, daß immer mehr Radfahrer auf der Fahrbahn fahren wollen und sie das ermöglichen würden, andererseits aber auch viele „ihre Radwege“ haben wollten, so wie sie es halt seit 30 Jahren kennen. Daß das Gesetz keine Neuüberprüfung vorhandener Wege, sondern -wenn überhaupt- eine Überprüfung vorhander Fahrbahnen auf außerordentliche Gefährdung von Radfahrern vorsieht, erwähnte er natürlich nicht.

Herr Möllers zeigte dann noch diverse Sanierungsmaßnahmen mit Beispielen auf, z.B. die Sanierung des „Radweges“ am Pfälzischen Ring (den man tatsächlich über ein paar hundert Meter richtig gut befahren kann), daß dieser Weg dann quasi im „Nichts“ endet, war in seinem Vortrag nicht weiter von Belang .

Kurios war in meinen Ohren seine Aussage zu sogenannten „Schutzstreifen„, zu denen er zum besten gab, „ich darf ihn benutzen, muß ihn nicht benutzen„. Das klang in seinen früheren Aussagen anders, da wurde die Verpflichtung zur Benutzung des „Schutzstreifens“ durch Radfahrer nämlich per Rechtsfahrgebot definiert. Das ist übrigens auch in einer Lösung des „Verkehrsquiz sicheres Radfahren“ der Stadt Köln, das Herr Harzendorf vorher noch so stolz als Präventivmaßnahme erwähnte, zu lesen: „Für Radfahrerinnen und Radfahrer gilt, dass der Schutzstreifen grundsätzlich wegen des Rechtsfahrgebotes in Richtung des Hauptstromes zu nutzen ist.“ Sollte der „Fahrradbeauftragte“ solch elementare Regeln etwa nicht kennen? Ja, mir deucht, warum die Stadtverwaltung sich derzeit sehr schwammig bezüglich der Benutzung von „Schutzstreifen“ ausdrückt. Dazu später in anderen Artikeln noch mehr. Viel mehr!

Herr Möllers ging dann noch auf die jährlich stattfindenden Mängeltouren ein (die nächste findet am 2. Mai 2012 in Chorweiler, Esch, Pesch, etc. statt) und übergab damit an den Vertreter des adfc Köln, Sven Bersch.

Sven Bersch wies eigentlich nur auf die Mängeltour am 2. Mai hin und daß in Chorweiler der Radverkehr zugenommen hat. Sein Wortbeitrag hatte eine (gestoppte!) Länge von 1,5 Minuten, was mich -ob der Dauer der Veranstaltung von 60 Minuten- sehr enttäuschte! Ich dachte eigentlich, daß hier auch mal eine ggf. kritische Radfahrerlobby zu Wort kommen würde! Nichts dergleichen! Joachim Schalke, der Vorsitzende des adfc Köln, war zwar anwesend, allerdings nur in Uniform als Polizist und es war sicherlich auch nicht vorgesehen, daß er in irgendeiner Art und Weise das Wort ergreift, obwohl er potentiell jemand ist, der das -ob seines Fachwissens und seiner Erfahrung als Radfahrer- könnte.

Dr. Bäumerich von der Verkehrswacht stellte dann noch verschiedene Aktionen vor, auf die ich hier nicht detailiert eingehen will. Es ging z.B. um die Präsentation „Rückenwind pur. Mit dem E-Bike mobil und sicher!“ am 29. März 2012 vor dem Stadion. Auf der Website der Verkehrswacht gibt es bisher leider nur die Termine von 2011, vielleicht wird die Website für Interessierte ja noch aktualisiert.

Schließlich sprach noch ein Mann vom ADAC (um einiges länger als der Vertreter des adFc) und erklärte, daß der ADAC seit nunmehr 42 Jahren an Schulen Fahrradparcours anbietet und den Schulen sogar noch Geld dafür zahlt (!), daß diese dort stattfinden. Er wies auf  die Broschüre „Rad fahren – auf sicheren Wegen“ des „ADAC Expertendialog“ hin, die dort auch auslag und die letztlich -wenn auch wesentlich vorsichtiger als in den letzten Jahrzehnten- „Radverkehrsanlagen“ weiterhin propagiert. Wer sich das zweite „A“ in ADAC verinnerlicht, der wird verstehen, warum. Schade, daß Radverkehrspolitik immernoch größtenteils von Automobilverbänden gemacht wird.

Dann wurde es für mich spannend, denn nach der Pressekonferenz sollten die Journalisten natürlich die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Ich wurde anfangs von allen, denen ich bekannt bin, begrüßt – teilweise reserviert, aber auch teilweise herzlich, z.B. von Herrn Simon. Der gab mir aber auch direkt mit auf den Weg „das ist aber keine Diskussion hier!“, was mir natürlich klar war, mich jedoch nicht daran hindern sollte, in journalistischer Tätigkeit eine Frage stellen zu können, böte sich die Möglichkeit. Ich hatte mir jedoch vorgenommen, der hauptberuflichen Presse erstmal den Vortritt zu lassen.

Es gab eigentlich nur eine Frage von der Presse, von einem Mann, der „selber auch Rad fährt“ und dem es um katastrophale „Radwege“ wie an den Ringen ging, den er als „lebensgefährlich“ empfand (dem kann ich beipflichten!). Gefühlte 5% der Radfahrer würden überhaupt nur die Regeln einhalten und 95% nicht.
„Gegen die Fahrtrichtung fahren, da glauben wirklich manche, da gäb’s keine Regelung für“, Radfahrern das ins Bewußtsein zu rufen, daß „Unfälle aus diesem empfundenen Lapsus, auf dem Radweg in die falsche Richtung zu fahren passieren“, das wäre Aufgabe einer repressiven und auch präventiven Arbeit, so antwortete Polizeipräsident Herr Albers.

Das war für mich ein Stichwort und da es keine weiteren Fragen mehr gab, meldete ich mich zu Wort, denn schließlich habe ich als täglicher (!) Radfahrer sehr konkrete Vorstellungen für immerhin einige Gründe dieses Unwissens der Saisonradler.

Ich bestätigte, den Vortrag Herrn Simons, daß meiner Erfahrung nach die gravierendsten Gefährdungen durch fahren auf dem Radweg in die falsche Richtung stattfinden und stellte meine Frage an die Verwaltung:

Wie geht man denn generell mit den in der Vielzahl in der Gegenrichtung freigegebenen Radwegen um, die eigentlich genauso gefährlich sind? Und da möchte ich auch ganz kurz anmerken, weil gerade die Frage war, warum so viele Radfahrer sich gar nicht im Klaren darüber sind, daß sie etwas falsches tun: das ist eigentlich relativ verständlich, sie *müssen* auf der einen Seite gegen die Richtung fahren und ein paar hundert Meter weiter dürfen sie es nicht, obwohl die Gefahr eigentlich auf beiden Teilabschnitten die gleiche ist.“

Herr Harzendorf, Amtsleiter Amt für Straßen und Verkehrstechnik antwortete wie folgt:

„Ja, also, da kann man auch nur sehr allgemein darauf antworten. Wenn wir das freigeben, dann ist im Vorfeld die genaue Prüfung erfolgt, ob die Alternative a) überhaupt möglich ist und sicherer möglich ist und das kann man im Grunde genommen auch immer nur abschnittsweise machen. Das heißt, da wird sehr wohl natürlich, bevor man so etwas tut im Einzelfall überlegt, ob es denn sinnvolle Alternativen gibt, zugegebenermaßen, wenn sie so ne Situation haben, wie sie sie gerade geschildert haben, dann ist das schwierig. Das ist in der Tat so und das wäre auch ne Situation von der ich sagen würde, die muß man langfristig zumindest auch ändern. Oftmals sind solche Änderungen aber nur mit sehr, sehr hohem Aufwand möglich und insofern werden wir uns sicherlich auch noch in geraumer Zeit an dieser oder jener Stelle mit Situationen abfinden müssen, die eben nicht so ideal sind. Da haben wir einige von, umgekehrt möchte ich auch dafür werben oder mal ganz deutlich sagen, daß wir aber auch in den letzten Jahren sehr viel, sehr viel für den Radverkehr getan haben. Mein liebstes Beispiel ist immer das: mein Vor-Vorgänger, der war noch der Ansicht, der Radverkehr, der würde in Köln aussterben. Da gab’s noch 2% Radverkehr, jetzt haben wir irgendwie zwischen 12 und 15 % (Anmerkung des Autors: laut agfs waren es 1999 bereits 16%) und da hat sich auch sehr viel getan, aber wir haben auch noch sehr viele Baustellen, ganz klar. Das ist so. Da arbeiten wir dran, da werden wir auch noch sehr lange dran arbeiten und es wird immer Beispiele geben, auch wenn wir uns in 5 Jahren oder in 10 Jahren darüber unterhalten, werden wir vieles getan haben und es wird immernoch Kritikpunkte geben. Das heißt im Umkehrschluß: wir müssen auch dem Radfahrer wie jedem anderen Verkehrsteilnehmer abverlangen, daß er sich intensiv mit der Situation auseinandersetzt, wir fordern ihn auch, Unterstützung darin zu erkennen: wo sind denn wirklich kritische Situationen? Beispielsweise durch den Quiz oder andere Informationen, aber das, das wird auf absehbarer Zeit in Köln noch so sein, wie in vielen anderen Städten auch, aber das ist kein sehr komfortabler Zustand, aber das ist einer, mit dem wir leben müssen, weil die Welt so ist, wie sie ist und wir sie auch nicht in drei Tagen ändern können. Wir sind da bemüht, der Kreis (Anmerkung des Autors: er meint den Arbeitskreis „Velo 2010″) ist glaub ich Bild genug dafür, die Dinge zu verändern, aber es braucht seine Zeit, leider“

Puh. Was für eine Antwort!

Herr Simon sprach anfangs von „gravierenden Fehlern“ als Unfallursachen. Herr Harzendorf spricht also, sobald die exakt gleiche Ursache schlichtweg angeordnet ist, also erfolgen MUSS, von Änderungen, die nur mit „großem Aufwand“ möglich wären und daß wir uns „mit Situationen abfinden müssen, die nicht so ideal sind“.

Wir müssen uns also damit abfinden, daß Radfahrer gegen die Fahrtrichtung fahren, was die gravierendste Unfallursache darstellt! Stimmt, das ist „nicht so ideal„, frontal in einen anderen Radfahrer zu fahren oder von einem PKW übersehen zu werden, weil der nicht damit rechnet, daß ich aus der falschen Richtung komme.

Ich möchte außerdem noch anmerken, daß mich dieser Tage ein Brief mit der Unterschrift Herrn Harzendorfs erreichte, in dem er mir mitteilt, daß in Köln gar keine Verkehrsschauen stattfinden, die aber eine Grundlage für eine Überprüfung wären. Da frage ich mich also schon, wie „im Vorfeld die genaue Prüfung erfolgt“ ist, die diese -nach VwV-StVO nur ausnahmsweise- Freigabe rechtfertigt („Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.„, VwV-StVO zu §2 Absatz 4 Satz 3 und Satz 4). Und daß ein linksseitig benutzungspflichtiger „Radweg“ in Köln keine Ausnahme, sondern Regel ist, sollte jeder vor seiner Haustür relativ schnell nachvollzogen haben.

Ich traue meinen Lesern so viel Intellekt zu, daß ich die Antwort des Amtsleiters (!) sonst nicht mehr sonderlich sezieren will. Sie spricht für sich. Gott sei Dank wird in Köln keine Transrapidstrecke angelegt!

Mein Fazit ist gespalten, ich habe einiges gelernt, nämlich daß ganz viel am Bild des Radverkehrs von den Multiplikatoren abhängt und bin entsprechend gespannt, wie die Presse morgen oder in den nächsten Tagen berichten wird (und werde das hier sicherlich noch erwähnen). Ich hatte von den Profi-Kollegen nicht den Eindruck, als würden sie sich außerordentlich interessieren, hoffe aber natürlich sehr, daß ich mich da getäuscht habe. In diesem Sinne finde ich eine Pressearbeit der Fahrrad- und Verkehrsverbände und aller Beteiligten unverzichtbar, um die Berichterstattung zu verfolgen und ggf. zu korrigieren, damit in der Öffentlichkeit kein falsches Bild entsteht. Herr Simon wurde vor kurzem z.B. zitiert, daß das Fahren auf dem „Radweg“ entgegen der Fahrtrichtung eine Owi von 5.- Euro nach sich zieht – was natürlich Quatsch ist (kostet 15.- Euro – mit Behinderung , Gefährdung, Unfall mehr) und er so sicher nicht gesagt hat, aber nun schwarz auf weiß in Kölns größter Tageszeitung steht. Und der Kölner glaubt gemeinhin was da angezündet wird drin steht.

Den Vortrag von Herrn Simon fand ich sehr gut verständlich und nachvollziehbar, zumal er darauf verzichtete, von „den Radfahrern“ (als Randgruppe) zu sprechen und auch in den Unfallursachen nicht in Polemik verfiel, sondern ganz klar und unaufgesetzt von gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern sprach. Das klang durchaus so, als würde er das ernst meinen und als wäre Rad*verkehr* bei ihm angekommen. Ganz im Gegensatz zu einigen anderen Vortragenden:

Die Vorträge der Verwaltung waren lachhaft (Internet-„Verkehrsquiz“ mit bis zu 1100 Teilnehmern als Präventivmaßnahme?) bis blenderhaft (statt der permanenten Überwachung der Dauerzählstellen einfach so schnell es geht sämtliche wirklich gefährlichen „Radwege“ erstmal dicht machen!) und geizten nicht mit der imposanten Darstellung belangloser Zahlen (20 km von über 500 km sind auch nur weniger als 5%!), sowie hübsch aufgemalter Streifen in Schmal- und Breitstrich.

Der adfc traut sich einfach nicht, mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen und zu versuchen, ein wirklicher Lobbyist zu sein. Da will ich gar nicht großartig draufhauen, der Verein ist bundesweit im Umbruch und hat ein großes Potential! Ich sage: mitmachen! Meldet Euch beim adfc an und unterstützt die Menschen dort, zeigt ihnen, daß es jede Menge Support gibt, als Partner den Mund auf zu machen, anstatt sich einmal im Jahr mit der Organisation einer Mängeltour zu begnügen!

Die ersten Artikel der Profis sind nun online:

Beim Kölner Stadtanzeiger hat es ein Statement der Antwort auf meine Frage -wenn auch halbwegs aus dem Kontext gerissen- gar in den Artikel geschafft. Ansonsten wie erwartet: „Fahrradfahren ist gefährlich“ steht schon in der Überschrift.

Die Welt meint „Stadt und Polizei geben Tips für sicheres Radfahren“, wobei ich -ehrlich gesagt- keinen wirklich guten Tipp vernommen habe, weder vor Ort, noch im Artikel….

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Tags: ADFC · Fahrradbeauftragter · Kommunikation · Polizei · Presse · Radwege

14 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Radfahren in Köln bleibt komisch | Radverkehrspolitik.de // Mrz 28, 2012 at 11:17

    […] Marco hat sich intensiv mit der Veranstaltung befasst und meint: Die gravierendsten Fehler sind angeordnet […]

  • 2 Ulrike // Mrz 28, 2012 at 12:11

    Danke für die Mühe, die du dir machst!
    Diese 2-Richtungsradwege sind wirklich die Pest und ich war noch gar nicht drauf gekommen, dass viele Radler vielleicht wirklich meinen, man könne die Fahrtrichtung wählen, wenn es doch auch immer wieder verpflichtend entgegen der Straßenrichtung zu befahrende Radwege gibt. Hier in N mischt sich das auch munter durcheinander.
    Bei der Antwort von H. Harzendorf auf deine Frage kann man wirkich nur „Puh!“ stöhnen. Gesagt hat er trotz der vielen Worte leider nichts und auf die Frage geantwortet schon gar nicht. Leider wissen wir ja alle, dass die Verhältnisse suboptimal sind.
    Und der „Beitrag“ vom ADFC ist einfach nur peinlich. Aber hier genauso: auf Schmusekurs mit der Stadt, wahrscheinlich, weil man hofft, dass man damit mehr erreicht.

  • 3 Thomas // Mrz 28, 2012 at 18:57

    Hallo Marco,
    danke für diesen ausführlichen und informativen Bericht! Ich hatte heute morgen den Bericht im KStA gelesen und war schon drauf und dran, einen bösen Leserbrief zu verfassen. Warum? „Häufigste Unfallursache: Das Fahren auf der falschen Seite des Radweges oder auf dem Gehweg.“ DAS KANN DOCH NICHT SEIN! Ich hab dann tief durchgeatmet, sagte mir „das geht auch noch heute nachmittag“ und ersparte mir und der Redaktion ein paar sehr unhöfliche Worte. Was sehr gut war in diesem Fall, denn …
    in meinem Erleben – ich fahre täglich ca 30 km durch Köln – sind es immer eher die Autofahrer, deren Verhalten ich als gefährlich und unfallträchtig wahrnehme: Vorfahrt missachten, schneiden, eng überholen usw., das volle Programm eben. Die ganzen Deppen, die als Geisterfahrer unterwegs sind, die nehme ich so hin.
    Der Bericht ließ mir keine Ruhe, daher habe ich nochmal den ganzen Hintergrund und die Statistik auf „Velo2010“ nachgelesen. Und, verdammt! der KStA hat ausnahmsweise mal richtig zitiert. Die Unfallberichte und die Statistik sind da ganz eindeutig zu verstehen – hätte ich nicht gedacht!
    Jetzt hoffe ich doch mal, dass die Stadt Köln den Worten auch Taten folgen lässte und auf meiner Lieblings-Geisterradlerbahn Mülheimer Brücke auch mal auf die Falschfahrer – ähem – erzieherisch einwirkt. Aber so sehr ich mir das wünsche: Ich ahne, dass das keine nachhaltige Wirkung haben würde. Hier wirst du recht behalten: auf der Deutzer ist es erlaubt und angeordnet, auf der Mülheimer Brücke verboten? Wer soll denn das verstehen?
    Schöne Grüße,
    Thomas

  • 4 Holger // Mrz 28, 2012 at 19:14

    @Thomas: Auf der Deutzer Brücke ist selbstverständlich nur die Südseite für beide Richtungen freigegeben. Der Weg auf der Nordseite darf nur stadteinwärtz befahren werden. Ist doch ganz einfach!

  • 5 Thomas // Mrz 28, 2012 at 20:49

    @Holger: Ach so. Na, dann ist ja alles gut 😉

  • 6 Roland Brühe // Mrz 28, 2012 at 23:10

    Man kann nur hoffen, dass die Vertreter der allgemeinen Presse nicht lediglich Praktikanten oder ähnliche, eben hingeschickte Personen waren sondern Journalisten, die sich für das Thema interessieren. Aus der Frageresonanz, die du beschreibst, lässt sich dass allerdings nicht schließen…

    Es bräuchte ein publizistisches Gegengewicht zu den unbedarft und eher automobilorientierten Presseberichten der in Köln mehr oder weniger monopolistischen Presselandschaft. Die Fahrradblogger bieten da zwar etwas, in der allgemeinen Öffentlichkeit werden diese Berichte aber wohl eher nicht wahrgenommen.

  • 7 Malte // Mrz 29, 2012 at 01:42

    Mit dem Geisterradeln ist das aber überall so. Egal ob in Rendsburg oder in Hamburg: wenn es nur an einer Seite einen Radweg gibt, dann ist der nunmal in beide Richtungen benutzungspflichtig, auch wenn das Fahren auf der Fahrbahn eigentlich sehr viel unproblematischer wäre.

    Bei Straßen mit zwei Radwegen ist das irgendwie von den einzelnen Verkehrsströmen abhängig, ob eine Seite oder gar beide in zwei Richtungen befahren werden dürfen, das kann man irgendwie herausfinden mit etwas Mühe.

    Nur bleibt auch dort die Frage: wenn man erst auf der linken Seite radeln darf, warum darf man das nach drei Kreuzungen nicht mehr, nur weil der Großteil der Radfahrer dort abbiegt, die subjektive Gefährdung und die Ausgestaltung des Radweges aber identisch bleibt?

    Das ist alles etwas komisch und ich kann mir durchaus vorstellen, dass nicht jeder Radfahrer dabei durchblickt. Links endet mit der Benutzungspflicht auch das Benutzungsrecht, rechts darf man aber nach Ende der Benutzungspflicht trotzdem weiterradeln.

  • 8 koelnradler // Mrz 29, 2012 at 15:37

    Velo 2010 stellt fest, dass radeln auf dem Gehweg und die Benutzung von Radwegen in Gegenrichtung (Zweirichtungsverkehr bei beengten Platzverhältnissen) die beiden Haupt-Unfallursachen darstellen.
    In diesem Zusammenhang möchte feststellen, dass sich der „Expertenkreis“ von Velo 2010 in manchen Bereichen vollkommen konträr hierzu verhält und äußert.
    Am Rheinufer wird die Durchfahrt durch den problemlos und sicher zu befahrenden Rheinufertunnel aus Sicherheitsgründen verweigert und stattdessen auf die Rheinuferpromenade verwiesen (eine kleine Darstellung des Sachverhaltes gibt es hier).

    Gerade auf der Rheinuferpromenade werden die festgestellten Haupt-Unfallursachen in eklatanter Weise kombiniert und dem radfahrenden Bürger als besonders sicher ans Herz gelegt.
    Dass ich solche Gedankengänge nicht ganz nachvollziehen kann, wird mir wohl niemand übelnehmen…

  • 9 Ralf // Mrz 30, 2012 at 12:07

    Ich bin in letzter Zeit (nach 3 Unfällen und einem weiteren Zusammenstoss in einer einzigen Straße in Köln) auch gewillt, etwas zu unternehmen.

    Ich frage mich aber, ob sich der politische Aufwand überhaupt lohnt oder ob einem nicht auch der Rechtsweg offen steht und schneller ist.

    Konkret geht es mir um diese Situationen, die es in Köln auch massig gibt:
    http://www.adfc-bo.de/Gerthe%20Mitte2.htm

    Ich habe das inzwischen mit fast der gleichen Begründung auch an die Stadt Köln geschrieben.

    Eigentlich sind doch mit der ERA und der VwV-StVO die Grundlagen soweit klar und gar nicht von der Stadt änderbar.

    Somit müssten wir doch „nur“ die Stadt auf dem Klageweg zur Einhaltung zwingen, oder?

  • 10 Marco // Mrz 30, 2012 at 12:12

    @Ralf:

    ja, Dein letzter Satz sagt’s 😉

  • 11 siggi // Mrz 30, 2012 at 18:00

    Hurra wir klagen mal wieder gegen illegale Radverkehrseinrichtungen.
    Man – das Klagen hat die Kommunen und Behörden schon die letzten 15 Jahre nicht interessiert, warum soll sich das jetzt ändern.

    Klagen sollten die, die einen Angehörigen durch diese illegalen Radfahrertötungswege verloren haben und zwar gegen die Personen, die verantwortlich für die Errichtung solcher Wege sind.
    Da wären mal unsere angeblichen fahrradfreundlichen Rechtsanwälte gefordert. Die füttern aber lieber die Fahrradaktivisten mit nutzlosen Tips für Widerspruchsklagen.
    So kann man die Fahrradszene ja auch beschäftigen.
    Wenn dann mal ein paar Meter Radweg weggeklagt wurden ist wieder wochenlanges Onlineschulterkolpopfen angesagt.

  • 12 Ralf // Mrz 30, 2012 at 19:03

    Ok, ein paar einzelne Klagen in der Vergangenheit haben nicht wirklich etwas verändert.

    Teilweise liegt es an den Begebenheiten und teilweise aber auch daran, dass das Umgesetzte nicht überwacht wird. Von mir aus kann die Polizei jeden Tag auf einer Rheinbrücke stehen und Strafzettel verteilen, für Leute, die in die falsche Richtung fahren. Oder das Ordnungsamt auf der Bonner Str. alle, die in zweiter Reihe auf dem Schutzstreifen parken, abschleppen.

    Hintergrund meines jetzigen Aktionsmusses sind einmal meine Unfälle auf meinem täglichen Weg zur Arbeit.

    Und jetzt ganz konkret, weil ein Bekannter nun auch Klage eingereicht hat. Er war die ganze Zeit schon am überlegen wegen einer bestimmten Teilstrecke und es gab dort jetzt einen tödlichen Unfall.
    (Nicht in Köln)

  • 13 Michael // Apr 10, 2012 at 13:19

    Schöner Blog, auch wenn es schade ist, dass das notwendig ist. In unserer (Paderborner) Zeitung wird bei den Unfallmeldungen unter Teilnahme von Radfahrern immer (!) auf das Helmtragen hingewiesen („pädagogische Keule“), unabhängig vom Verschulden oder ob der Radfahrer sich überhaupt eine Kopfverletzung zugezogen hatte…
    Ein Freund taucht vorletztes Jahr nach einem unverschuldeten Unfall in der Presse „ohne Helm“ auf, obwohl er nur einen lädierten Arm hatte….
    Radfahrer gehören auf die Strasse!

  • 14 Geisterradlerin bei Zusammenstoß mit Gehwegradler schwerverletzt // Aug 7, 2012 at 13:09

    […] Unfalls. Soweit so schlimm, mag man denken. Typischer Fall von Gehweg- und Geisterradlerei, was -laut Bericht der Kölner Polizei (die ist auch für Leverkusen zuständig)- Unfallursache Nummer 1 bei schweren Unfällen unter […]

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