Ja, ich habe mich bisher in der Berichterstattung rausgehalten, was das „Radverkehrskonzept Köln-Innenstadt und Deutz“ (RVKI) angeht. Herr Möllers, der „Fahrradbeauftragte“ der Stadt Köln fuhr mit mir bei der Fahrradsternfahrt 2014 ein paar Kilometer zusammen und war ganz aufgeregt ob der Konzepte, die von zwei Planungsbüros mit Hilfe der Bürger erarbeitet werden sollten. Und -obwohl er noch vor einigen Jahren auf den letzten Moment erfolgreich meine Teilnahme am „Expertenkreis Velo 2010“, zu dem mich der damalige Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei Köln, Helmut Simon, eingeladen hatte, verhindern konnte– war er auch sehr euphorisch, Menschen „aus dem Volk“ dabei zu haben, Er sprach davon, daß „die Blogger unbedingt“ dabei sein müssen und räumte dafür 2 Plätze und somit einen für mich im Arbeitskreis ein. Und ob mir noch was einfallen würde? Radsportler? Migranten? Senioren? Ich könne mich jederzeit melden, wenn mir noch was einfallen würde, wen man da ins Boot holen könnte.
Nun ja, es gab eine (öffentliche) Auftaktveranstaltung, an der ich auch teilgenommen und meine Vorschläge (umgehende (!) Umsetzung der Anforderungen der StVO und aller weiterer Regelwerke bzgl. des Radverkehrs) unterbreitet habe. Und ich bin tatsächlich zu allen weiteren (internen) Facharbeitskreissitzungen (wenn ich mich recht erinnere, waren das zwei) eingeladen worden. Ich wäre auch hingegangen, hätte ich die Zeit dafür gehabt – leider war ich aber beruflich verhindert und mir dafür frei nehmen wollte ich nicht. Ich gebe es ehrlich zu, ich habe kein Vertrauen (mehr) in unsere Verwaltung, als daß ich glauben könnte, daß bei diesem Konzept am Ende sonderlich zählbares rauskäme. Oder dies zumindest in absehbarer Zeit passieren würde. Allerdings haben viele recht kluge Köpfe mitgewirkt und Vorschläge für das Konzept gemacht – u.a. engagierte Mitglieder des neu erstarkten Kölner ADFC. Ich möchte diesen Menschen die Illusion nicht nehmen, aber ich habe durchaus im Hinterkopf, daß es der Verwaltung damit, daß sie „auf einmal“ Bürger an Planungen teilhaben lässt (Planungen wohlgemerkt, keine Entscheidungen!) um eine Art „Greenwashing“ geht. Getreu dem Motto „wir haben das mit den Bürgern zusammen erarbeitet“, das muss also „gut“ sein und ist somit vom Volk abgenickt. Denn kritische Menschen -wie ich und es werden in Köln erfreulicherweise immer mehr!- gehen denen in der Verwaltung gehörig auf den Sack, da bin ich mir sicher (und das ist gut so!)! Und so kriegt man diese Menschen vielleicht halbwegs ruhig oder sie kommen gar nicht auf die Idee, kritisch zu sein.
Wie dem auch sei, das was von den erarbeiteten Konzepten und Vorschlägen bisher bekannt ist (siehe Forderungen auf der ADFC-Website), liest sich gar nicht mal so schlecht. Mit vielen Dingen bin ich persönlich nicht einverstanden, aber anderes ist für Köln schon „revolutionär“, wie der „Fahrradbeauftragte“ Möllers das ausgedrückt hat. Und es ging ja auch schon durch die Presse („Köln plant Fahrrad-Autobahnen„, „Köln kriegt Rad-Bahn„), es wird dem MIV einiges an Platz weggenommen werden (müssen), wenn man denn tatsächlich vorhat, den Radverkehr konsequent und zukunftstorientiert zu fördern. Ich schreib’s nochmal, weil’s so schön ist: man wird den Autos Platz wegnehmen müssen! Und das, wo Köln doch seit ein paar Tagen endlich mal einen Titel hat, den man ins Stadtwappen schreiben kann: Köln ist die neue Stau-Hauptstadt! Jeder Kölner Autofahrer steht demnach pro Jahr 65 Stunden im Stau (ich nicht!).
In den Facharbeitskreisen hat man also Vorschläge für das Radverkehrskonzept gemacht und die beteiligten Planungsbüros haben ein Konzept erarbeitet. Und „im Herbst“ sollten dann die ausgearbeiteten „Handlungsempfehlungen“ ausgesprochen werden. Per Newsletter des Büro des „Fahrradbeauftragten“ kam dazu am 31.7.2015 die Einladung,
Das Radverkehrskonzept Innenstadt geht in die „heiße“ Phase: am 01.09.2015 findet die Abschlussveranstaltung im Wallraf-Richartz-Museum statt, dazu laden wir Sie herzlich ein: http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/freizeit-natur-sport/veranstaltungskalender/radverkehrskonzept-innenstadt-2
Schön. Ein Termin endlich mal mit 4 Wochen Vorlauf angekündigt, da kann man sich den Tag dann tatsächlich einmal freihalten. Dachte ich.
Gestern, 26.8.2015, also 5 Tage vor der Veranstaltung, also im wahrsten Sinne „auf der Zielgeraden„, wurde genau dieser Termin nämlich per Pressemitteilung wieder abgesagt. Die Begründung im Wortlaut: „Bei den Vorbereitungen hat sich kurzfristig ein zusätzlicher Bearbeitungsbedarf in Bezug auf die Priorisierung von Maßnahmen, die Projektausarbeitung und die mögliche Umsetzung ergeben.“ Aha! Da hat aber jemand geplant! Was mag das für ein atemberaubender Handlungsbedarf sein, daß er sich erst 5 Tage vor Verkündung der Handlungsempfehlungen, an denen man 1,5 Jahre gearbeitet hat, ergibt? Ich bin gespannt!
Mich hatte das eh gewundert, daß solch ein bahnbrechendes Konzept so kurz vor der Wahl zum Oberbürgermeister (am 13. September) vorgestellt wird – inklusive dem entsprechendem Tamtam in der Presse („Stau-Gefahr„, „Radfahrer nehmen Autos den Platz weg!„, „Jetzt müssen alle mit Tempo 30 durch die Stadt schleichen!„. In Köln ist Wahlkampf und neben ein paar Randkandidaten treten Jochen Ott (SPD) und Henriette Reker (parteilos, unterstützt von CDU/GRÜNE/FDP) an, letzterer werden wohl derzeit die größten Chancen eingeräumt. Und die Vögel zwitschern es von den Dächern: das Konzept ist heiß, das passt eher nicht in die Zeit vor der Wahl, denn viele Wähler fahren halt …. Auto. Und Amtsleiter haben in Köln üblicherweise ein Parteibuch – das Parteibuch des Amtsleiters des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik kann man leicht recherchieren.
Bleibt zu hoffen, daß am Montag nicht allzu viele Bürger umsonst vor dem Wallraf-Richartz-Museum stehen. Die Basis hat die Stadt Köln -z.B. durch einen Newsletter des „Fahrradbeauftragten“ nämlich noch nicht informiert. Schade.
[Nachtrag 15:30 Uhr]
Als hätten sie’s gelesen, kam dann tatsächlich grad der Newsletter vom Fahrradbeauftragten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die für den 01.09.2015 um 18 Uhr geplante Bürgerveranstaltung zum Radverkehrskonzept Innenstadt im Wallraf-Richartz-Museum auf einen neuen Termin im Herbst, voraussichtlich Ende Oktober, Anfang November verschoben werden muss, da sich ein zusätzlicher Bearbeitungsbedarf ergeben hat. In Bezug auf Maßnahmenpriorisierung, Projektausarbeitung und Umsetzung sind weitere vertiefende Arbeiten erforderlich geworden.
Der neue Termin wird Ihnen rechtzeitig per Newsletter, in der Presse und auf den Internetseiten der Stadt Köln bekannt gegeben.
5 Antworten bis jetzt ↓
1 Jochen G. // Aug 28, 2015 at 09:07
Hm, eben hat mir jemand die Meldung von dem Vorhaben an der Züloicher Straße verlinkt, bei dem Harzendorf wohl deutliche Bauchschmerzen hat. Vielleicht hängt die Absage mit dem plötzlich n euen Handlungsbedarf ja damit, also der Zülpicher zusammen?
Vielleicht denkt man sich, eben weil so kurz vor der Wahl und in Köln im Stau Auto“fahren“ so beliebt ist (besser im Stau als daheim oder beim FC?), daß es bei dem sich nun anbahnendem Ärger wegen der geplanten Maßnahme an der Zülpicher, besser ist kein von der Stadt geplantes Konzept bzgl. Radverkehr in die Medien zu bringen. Der Ärger der Staufahrer könnte sich dann in die unerwünschte Richtung entladen und das kommt halt schlecht, so kurz vor einer Wahl.
2 Karl Kreidbaum // Sep 1, 2015 at 12:41
Vorab möchte ich bemerken, dass ich Marco in allen wichtigen Punkten recht gebe.
Ich möchte bei dieser Diskussion und der Vorherigen (Zählstellen) nur auf einige Punkt hinweisen, die man im Kopf behalten sollte.
Die ERA hat in Kapitel 1 „Radverkehrskonzept“ das Unterkapitel 1.3 „Information und Kommunikation“. Dort gibt es das Unterkapitel 1.3.2 „Öffentlichkeitsarbeit und -beteiligung“. Merkmale einer guten Öffentlichkeitsarbeit sind Systematik, Vielseitigkeit, Kontinuität, Glaubwürdigkeit und Integration. Die Öffentlichkeit soll bei Erstellung und Umsetzung des Radverkehrskonzepts beteiligt werden, die Möglichkeit haben, eigene Ideen und Anregungen auf der Grundlage ihres Alltagswissens einzubringen. Soweit die ERA zu Öffentlichkeitsarbeit in eigenen Worten.
Die ERA erwähnt unter 1.2.5 „Methodische Hinweise“ auch die Zählungen in einer eigenen Unterüberschrift.
Mir selber gefallen die automatischen Zählungen. Sie beweisen zum einen, dass es technisch möglich ist, Induktionsschleifen zu bauen,die auf Radfahrer ansprechen. Ampeln, die nur Induktionsschleifen haben, die auf Kfz ansprechen, sind damit nicht Stand der Technik und vermeidbare Beschränkungen des fließenden (Rad-)Verkehrs, sie sind jetzt kein Argument mehr. Wenn die Zählungen auch noch an benutzungspflichtigen Radwegen stattfinden, dann werden automatischen die Opfer von Fahrbahnverboten und schlechter Infrastruktur mitgezählt. Hierbei kommen weit größere Zahlen zusammen als die Critical Mass zu leisten vermag. Gezählte 120.000 Radfahrer innerhalb von 4 Wochen (=28 Tage) sind 4.285 pro Tag!
Für meinen Teil will ich auf verbindliche Termine und mess- und testbare Ergebnisse bei dem Nachhohltermin achten. Alles andere sehe ich als wertlos an. Beispiel für „wertvoll“: Bis Ende 2017 werden wir die Radwegbenutzungspflicht auf den Ringen aufheben. Beispiele für „wertlos“: Bis Ende 2017 wollen (wollen = Absichtserklärung, mehr nicht!) wir die Radwegbenutzungspflicht an den Ringen aufheben. Demnächst (kein verbindlicher Termin) werden wir die Radwegbenutzungspflicht an den Ringen aufheben. Wie werden dem Radverkehr mehr Platz schaffen. (Wertlos, da unklar bleibt, welches Maß ich ansetzen kann. )
3 Sicherheit geht vor! // Sep 10, 2015 at 13:28
[…] wenn Sie denken, das Radverkehrskonzept Köln-Innenstadt hätte keine weiteren Aufgaben für Sie parat, dann irren Sie! Denn direkt hinter der Kurve wartet […]
4 Norbert // Sep 13, 2015 at 01:50
Ich verstehe die Aufregung um Köln hier nicht. In der AGFS-Broschüre zur Nahmobilität 2.0 heißt es doch „In vielen fahrradfreundlichen Mittel- und Großstädten (Münster, Köln, Bonn u.a.) zeigt sich trotz proaktiver Radverkehrsförderung, “ … Seite 17 in http://www.agfs-nrw.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/NM2.0_Broschuere_web_2015.pdf
😀
5 Besorgter Staatsbürger // Sep 26, 2015 at 16:11
Wieso sind solche Planungsunterlagen nicht zentral auf der Seite der Stadt-Köln einsehbar? Sind ja nur Sachdaten und keine Personendaten.
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