Ein Leitartikel sollte es sein. So dachte ich mir das Anfang des Jahres, wahrscheinlich sogar in der Silvesternacht. Ein fahrradrelevanter Artikel in meinem kleinen Weblog zum Start in das Jahr nach „Velo 2010„, dem Jahr in dem alles sicherer sein sollte.
Nun, wo der erste Monat des neuen Jahres schon bald vorbei ist und ich -wie erwartet- schon genügend frustrierende Erlebnisse auf dem Fahrrad hatte, merke ich, wie auch mir dann und wann der Elan fehlt. Immerhin betreibe ich diesen Blog als Hobby oder Sport oder … manchmal sicher auch zum Frustrationsabbau. Ganz im Gegensatz zum Maskottchen „Fahrradbeauftragten“ der Stadt Köln, der für seine Arbeit ja bezahlt wird und von dem man ein gewisses Engagement sicherlich erwarten kann. Dazu später mehr – spätestens im Laufe des neuen Jahres!
Die guten Nachrichten vorneweg: man kann auch im Winter Rad fahren! Ist eigentlich gar nicht schwer und in der Gruppe macht es gar richtig Spaß! Eine gute Gelegenheit, aktiv zu werden, ist in diesem Sinne schon Übermorgen, nämlich die
Critical Mass am Freitag, den 28. Januar 2011!
Treffpunkt: Um 17:30 Uhr auf der Wiese am Aachener Weiher, ungefähr hier.
Dies ist eine herzliche Einladung, zusammen mit anderen auf die Rechte der Radfahrer hinzuweisen. Die Wettervorhersage meint „trocken und kalt“, also einfach dick einpacken und auf geht’s! Eine gute Erläuterung über die Critical Mass als Protestform bietet der Wikipedia Artikel. Jeder fährt für sich selbst und auf eigenes Risiko. Erscheint bitte mit verkehrssicherem Fahrrad, insbesondere einer funktionierenden Beleuchtung. Es ist meist auch jemand mit Werkzeug für kleinere Reparaturen vor Ort – freundliche Menschen für nette Gespräche sowieso!
Daß Fahrrad fahren auch im Winter geht, hat sich anscheinend noch nicht in allen Teilen der Bevölkerung rumgesprochen. Während die halbe Stadt über Schlaglöcher und fehlendes Streusalz klagt, käme ich aus dem Protestieren eigentlich gar nicht mehr heraus, würde ich mich jeder zusätzlichen Unzulänglichkeit für den Radverkehr im Winter widmen!
Für die mitlesenden (auch) Autofahrer: das, was Euch auf den Straßen nach ein paar Wochen Frost zusätzlich zugemutet wird, ist für uns Radfahrer das komplette Jahr über quasi Standard! Ich fahre in 80% der Fälle auf einer typischen Schlaglochfahrbahn mit dem Rad sicherer und bequemer, als auf einem üblichen Kölner „Radweg“. Der Unterschied ist nur, daß das -bis auf ein paar Freaks– jeder so hinnimmt und kaum jemand moniert. Schon gar nicht, die, von denen man es eigentlich erwarten müßte, wie die „Initiative Velo 2010“ oder Der „Fahrradbeauftragte“ der Stadt Köln.
So ein großes Problem habe ich mit diesem Umstand dann auch gar nicht. Werden die Radwege im Winter nicht oder nicht ausreichend geräumt, fahre ich selbstverständlich nach §2 Abs.4 StVO sicher auf der Fahrbahn. Dumm ist dabei nur, daß -mangels Lobby- der Großteil der anderen Verkehrsteilnehmer dafür kein Verständnis hat und mich selbst auf glatter Fahrbahn meint erziehen zu müssen – durch Abdrängen und absichtliches Schneiden, enges Überholen, Anhupen und ähnliche, oftmals vorsätzliche (!) Gefährdungen.
Gibt man bei Google am heutigen Tage (26.1.2011) die Worte „Schlaglöcher“ und „Köln“ ein, erhält man Dutzende Treffer und Links auf eine Vielzahl kritischer Artikel und Initiativen. Der Kölner Express hat die Schlaglöcher gezählt oder zumindest geschätzt, IHK und Stadt Köln haben „Schlagloch-Hotlines“ eingerichtet, Junge Union und CDU fordern Aktionsprogramme, die CDU rief gar zum Fotowettbewerb auf: „Wer fotografiert Kölns größtes Schlagloch?“, und noch vieles mehr.
Es geht -und das muß man nochmal ausdrücklich hervorheben- bei all diesen Initativen ausschließlich um den Autoverkehr. Ich bemängele das gar nicht, ganz im Gegenteil, sicherlich eine gute Sache! Ich würde mir solch eine Lobby, solch eine Presse und solch ein Engagement aber auch für den Radverkehr wünschen! DAS wäre eine Aufgabe für unsere „Fahrradbürgermeisterin“ Frau Scho-Antwerpes! Oder für die „Sicherheitsinitiative“ Velo 2010! Oder für Herrn Möllers und seine Gehilfen! Genauso unbürokratisch und schnell, wie man fleissige Straßenarbeiter die monierten Schlaglöcher flicken läßt, genauso schnell sollte man alle „Radwege“, die holprige Buckelpisten sind, gefährlich geführt werden oder schlicht den gesetzlichen (!) Mindestanforderungen nicht entsprechen, ohne Wartezeit dicht machen!
Wo ist sie also, die Lobby der Fahrradfahrer, die der uninformierten Allgemeinheit immer wieder eintrichtert, daß Radfahrer auf der Fahrbahn immer erst einmal der Normalfall sind und laut Gesetz ein „Radweg“ ein Sonderweg, also eine Ausnahme ist, die zudem der Sicherheit der Radfahrer und nicht der Bequemlichkeit (freie Fahrt!) der KFZ-Führer dienen soll?! Daß man ein einspuriges Fahrzeug umsichtig, mit angepasster Geschwindigkeit und einem ausreichenden Sicherheitsabstand überholt?! Daß ein Fahrrad ein Fahrzeug ist, mit dem auch in unserer Stadt täglich Tausende von gleichberechtigten Menschen ihre Wege erledigen?!
Wo ist die Lobby, die die regelmäßigen schikanösen Zustände für Radfahrer bei Baustellenführungen moniert und sie beseitigt – schon gar wo sie das könnte!?!
Diese Lobby gibt es nicht und die, die sich dafür halten, werden entweder gar nicht oder aber erst auf mehrmaliges Hinweisen nach Monaten aktiv oder sie suhlen sich im Eigenlob über rechte sinnfreie Aktivitäten, die ich eher schon als Verschwendung von Steuergeldern bezeichnen würde!
Der „Expertenkreis“ Velo 2010, der übrigens nicht so wirklich kritische Stimmen in seinen eigenen Reihen duldet, gründete sich 2005, um „den Lebensraum Straße rücksichtsvoller und partnerschaftlicher von allen Verkehrsteilnehmern in Köln zu nutzen“ und um „Unfälle mit verunglückten Radfahrern um mindestens 30 % bis 2010 zu reduzieren“. Nun, 2010 ist vorbei und betrachtet man sich die Statistiken auf der Velo 2010 Website, kommt man dann wohl auch als Laie recht schnell zu dem Ergebnis, daß der „Expertenkreis“ versagt seine hehren Ziele doch mehr oder weniger knapp (je nach Sichtweise und Schönreden) verfehlt hat. Vielleicht sollte man selbige nochmal korrigieren, mit der Initiative „Velo 2011“? Oder besser doch … „Velo 2020„!
Man muß weder als Laie noch als „Experte“ großartig suchend durch Köln fahren oder laufen, um vermeidbare Gefährdungen ausfindig zu machen. Ein einfaches Beispiel, an dem vermutlich auch Entscheidungsträger und ähnliche potentielle Fahrradlobbyisten öfters vorbei kommen, findet sich seit einigen Monaten (!) an der Universitätsstrasse, Ecke Dürener Str. in Richtung Universität, ungefähr hier.
Dort wird für „uns und der der Umwelt zuliebe“ durch die „Stadtentwässerungsbetriebe Köln, AöR“ der Kanal „Universitätsstraße u. Liliencronstraße“ neu gebaut. Selbstverständlich hat man für die Baustelle („Baubeginn Oktober 2010, Bauzeit 7 Monate“) den „Radweg“ einfach mal gesperrt und zusätzlich per Zeichen 254 die komplette Straße für den Radverkehr unpassierbar gemacht. Dieses vorsorglich bereits ein paar Wochen vor Baubeginn schon im September und später dann mit einem eigens angefertigten Schild:
Diese Eigenkreation ist mittlerweile (Stand Anfang Januar) umgedreht und somit also momentan nicht gültig (ob beabsichtigt oder nicht?), geblieben ist aber das diletantische Umleitungsschild (ein Zusatzschild rechts im Bild, mit aufgemalten Z237 und dem Wort „Radweg“, über dessen verkehrsrechtliche Relevanz ich mir nicht wirklich im Klaren bin):
Über die Fußgängerampel (Wartezeit um die 2 Minuten) wird der Radverkehr also auf die linke Straßenseite geführt, dort soll es weitergehen:
Interpretiert man das fälschlicherweise angeordnete Z237 (da gehört wohl eher ein Zeichen 241 hin – Fußgänger links, Radfahrer rechts) so, daß das rot gepflasterte Konstrukt rechts der den Fahrradfahrern vorbehaltene Verkehrsraum ist, wird der Radverkehr hier auf ca. 1,60 Meter Breite in beide Richtungen geführt. Führe ich dort, blieben mir bei Gegenverkehr also ca. 80 cm Platz (dort ist -da universitätsnah- selbst bei schlechtem Wetter viel Radverkehr). Erschwerend und außerordentlich gefährdend kommt aber hinzu, daß der KFZ-Verkehr dort mit „Tempo 70“ fahren darf, was in der Realität heißt: „Tempo 70+X„! Dort fahren auch KVB-Busse, deren Spiegel leicht über den Fahrbahnrand hinaus und somit in den „Radweg“ hinein ragen, wobei sicher nicht nur mir als 2 Meter Mann angst und bange wird! Selbstredend war dieser „Radweg“ zusätzlich in den letzten Wochen nicht von Schnee und Eis geräumt, was die Benutzung noch gefährlicher machte, als sie eigentlich ist. Nicht nur deswegen kann man es den Radfahrern kaum verübeln, daß sie -verbotenerweise, aber quasi „von oben erzwungen“- den Fußweg benutzen – zu Lasten der noch schwächeren Verkehrsteilnehmer, den Fußgängern.
In Höhe der Bachemer Straße ist der Spuk die Baustelle dann zu Ende und es geht wiederum über die Ampel (selbstverständlich mit mehrminütiger Wartezeit) zurück auf die rechte Straßenseite. Die übliche unbürokratische Radverkehrsgeschwindigkeitsentschleunigung baut sich dort dann oft genug von selbst ein:
Ein wesentlich einfachere und vor allem sicherere Lösung wäre es gewesen, den Radverkehr ganz einfach über die Fahrbahn zu leiten, wie es z.B. auch das Ministerium für Bauen und Verkehr in NRW vorschlägt. Diese Broschüre liegt laut dem „Fahrradbeauftragten“ der Stadt Köln übrigens aus und wird auch regelmäßig angefordert und verteilt. Statistische Erhebungen, ob sie auch gelesen wird, gibt es bisher nicht.
Ach ja, ein kleiner, vielleicht nicht ganz unbedeutender Nachsatz zu diesem einen (!) Beispiel an regelmäßiger, konkreter Gefährdung von Radfahrern in Köln:
Es handelt sich um einen Streckenabschnitt von ganzen 260 Metern!
Ein Schelm, wer vermutet, daß auf Kosten unserer Sicherheit auf einem Viertel Kilometer einfach nur „freie Fahrt für freie (motorisierte) Bürger“ gewährleistet werden soll!
In diesem Sinne: allseits gute Fahrt, haltet immer schön die Augen auf und laßt Euch auch 2011 nicht alles gefallen!
7 Antworten bis jetzt ↓
1 Kim // Jan 27, 2011 at 16:53
Das kreative, extra angefertigte Hauptschild ist wieder „richtig“ herum gedreht. Jetzt gibts also drei Schilder auf einmal für Radfahrer, damit man auch wirklich sicher sein kann, dass kein „frecher“ Radfahrer auf die Idee kommt die Fahrbahn zu benutzen. Ganz schön viel Umstände für die Ausgrenzung von Radfahrern.
2 siggi // Jan 28, 2011 at 22:52
Auch das Radwegschild mit dem Zusatzzeichen „ENDE“ ist für Radfahrer eigentlich bedeutungslos. Das Radwegschild steht für einen benutzungspflichtigen Radweg und dieser endet hier. Ein, im Sinne der StVO, anderer Radweg bleibt es trotzdem.
Radfahrer dürfen also dort genauso, mit allen Rechten, weiterfahren.
3 Martin // Jan 31, 2011 at 19:53
Mist, die CM verpennt. Danke für Deine Neujahrsansprache. Ich mache mir momentan Gedanken darüber, wie man als Radfahrer mal mit Nachdruck der Stadt Köln aufs Dach steigen könnte. Anlässe sammeln sich ja mit jeder Fahrt. Vielleicht mal einen Beschwerdebrief-Flashmob immer zu einer ausgesuchten Stelle des Kölner Radverkehrsschwachsinns? Wir müssten dafür nur ausreichend viele sein und jeder müsste dazu einen eigenen Brief formulieren. Der müsste dann wohl ans Straßenverkehrsamt gehen, der Radbeauftragte scheint mir etwas hilflos in der momentanen Lage.
4 Holger Müller // Feb 1, 2011 at 18:24
@Martin: Das mit einfachen Briefen bringt nichts, das müssen schon konkrete Forderungen nach Neubescheidung sein, aus denen auch eine Klageabsicht bei einem nicht genehmen Ergebnis ersichtlich sein muss.
Bei dem Bild an der Universitätsstraße überlege ich ob man bei der mangelhaften Baustellenabsicherung nicht mal durch einen Brief nach 50926 Köln nachfragen sollte ob da nicht §315b StGB erfüllt ist….
Mit mangelnder Baustellensicherung kennt man sich in Köln ja aus…
ciao
Holger
5 Roland Brühe // Feb 16, 2011 at 20:39
Die Situation an der Universitätsstraße ist wirklich nervig und teilweise immer wieder gefährlich. Nachdem die „Umleitung“ eingerichtet wurde, habe ich eine Mail an das Straßenverkehrsamt geschickt, da ich mir vom „Fahrradbeauftragten“ außer Zurkenntnisnahme nichts erwartete. Ich habe auch konkrete Vorschläge in die Mail geschrieben, wie die Situation entschärft werden könnte. Allerdings habe ich bis auf drei (!) E-Mails mit dem immer gleichen Hinweis, dass die Nachricht an die zuständige Stelle weitergeleitet werden würde, nichts gehört. Ich befürchte, es wird hier ähnlich vorgegangen wie seinerzeit bei den Baumaßnahmen auf der Mülheimer Brücke – einfach die Zeit ins Land gehen lassen; es wird schon nichts passieren; besser, ein paar Radfahreer regen sich auf als die Autofahrerlobby…
6 Patrick Kaster // Feb 27, 2011 at 12:55
Es bleibt immer die Möglichkeit, wenn man die Entscheidung einer unteren Behörde nicht nachvollziehen kann, die Fachaufsicht einzuschalten.
Diese wird „von oben“ keine Weisung erteilen, prüft aber, ob die Kölner Straßenverkehrsbehörde bei ihrer Entscheidung von den Regelplänen – siehe obige verlinkte AGFS Broschüre – abzuweichen ermessensfehlerfrei vorgegangen ist.
http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/organisation/abteilung03/dezernat_31/beschwerden/index.html
7 Preisgekröntes Versagen // Apr 4, 2013 at 09:06
[…] Versagen hatte ich schon vorletztes Jahr ausgedrückt und dafür auch desöfteren gute Gründe angeführt und -zumindest von den […]
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