Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Ein sicheres Schelmenstück

September 19th, 2009 · 5 Kommentare

Eine gute Woche habe ich Ruhe gegeben, was die Posse an der Mülheimer Brücke angeht und irgendwie hatte ich vor Filz und Willkür auch schon resigniert. Ein Letztes wollte ich aber noch versuchen, nämlich einfach mal die Kölner Parteien, bzw. Fraktionen um Stellungnahme zu der Sache bitten.

Das habe ich am Donnerstag, den 10.9.2009, spät abends, dann auch getan und fast allen demokratischen Parteien Kölns per e-mail einen offenen Brief mit Bitte um Stellungnahme zugesendet.

Die sowohl ernüchternden, aber auch zumindest augenscheinlich erfolgreichen Ergebnisse möchte ich Euch nicht vorenthalten. Den genauen Wortlaut meines Briefes gibt es unten.

Die Antwort der Grünen
Die Grünen antworteten wahrhaftig in Rekordzeit, nämlich bereits am Freitag, den 11.9.2009, vormittags, mit einer ausführlichen und persönlichen e-mail der verkehrspolitischen Sprecherin, Frau Bettina Tull. Es ist ganz offensichtlich, daß die Grünen als „Umweltpartei“ einen „Fahrradaktivisten“ (mein Gott, was für ein eigentlich schlimmes Wort! 😉) ernst nehmen wollen. Mir wird für mein Engagement zunächst ganz herzlich gedankt. Frau Tull geht dann recht ausführlich auf das Engagement der Grünen bzgl. Verbesserung der Radsituation in Köln und insbesondere der Mülheimer Brücke ein und erläutert die langfristigen Ziele. Das Wesentliche, nämlich die aktuelle Gefahrensituation wird im Großen und Ganzen beantwortet mit ‚Fahrrad fahren auf der Fahrbahn ist gefährlich‘:

„Insofern bleibt nur, auf die Gefahrenstellen aufmerksam zu machen und auf gegenseitige Rücksichtnahme der RadfahrerInnen zu appellieren. Dies ist sehr unbefriedigend, aber leider sehe ich für den Moment keine andere Möglichkeit“

Diese Aussage mag jeder selbst interpretieren, für mich heißt das leider „Autos haben Vorrang, Lebensgefahr für Radfahrer und Fußgänger sind Kollateralschäden“. Da hätte ich von den Grünen vielleicht eine andere Antwort erwartet.

Da die Grünen überhaupt nicht auf die Tatsache eingegangen sind, daß der angeordnete „Geisterverkehr“ auf der Brücke zuvor noch als Ordnungswidrigkeit geahndet und abkassiert wurde, frage ich diesbezüglich noch einmal per e-mail nach und bekomme auch relativ schnell eine Antwort:

„Zur Sache mit dem unterschiedlichen Gebahren der Kölner Polizei kann ich nichts sagen. Das Verhalten der Polizei in Bezug auf Radverkehr ist eh zwiespältig, wie man an den meiner Ansicht nach völlig überzogenen Kontrollen von RadfahrerInnen im Stadtgebiet erkennen kann. Es liegt im Ermessen der Polizei, ob eine Situation als gefährlich oder nicht gefährlich eingeschätzt wird. In diesem Fall bin ich eher froh, dass die Brücke für den Radverkehr offen bleibt, auch wenn es aufgrund der engen Verhältnisse zu Problemen kommt.“

Nun denn. Frage weder beantwortet, noch einen Konsens gefunden. Außer einer schnellen und freundlichen Antwort hat die Anfrage bei den Grünen also nichts gebracht.

Die Antwort von „Deine Freunde“
„Deine Freunde“ haben (noch) nicht geantwortet, ich bin allerdings sicher, daß die derzeit einfach ganz andere Sachen um die Ohren haben.

Die Antwort der FDP
Die FDP hat leider (noch) nicht geantwortet. Allerdings wurden die in den Verkehrsraum hineinragenden Wahlplakate nach einer knappen Woche wieder entfernt. Daß dies mit meiner Anfrage zusammenhängt und somit als Antwort zu werten ist, ist rein spekulativ.

FDP Wahlwerbung im VerkehrsraumFDP Wahlwerbung im Verkehrsraum

Ich habe übrigens auch ein Foto bekommen, wie die Plakate aufgehängt wurden. Der benutzte PKW nutzt den Fuß- und „Radweg“ recht …äh… unkonventionell. Aber egal, ist ja kein Pranger hier.

Die Antwort der Linken
Die Linken haben mir am 14.9.2009 geantwortet, allerdings kurz und knapp direkt „Butter bei die Fische“ gemacht: Vom sachkundigen Herrn im Verkehrsausschuß wurde mir mitgeteilt

„A) dass ich vollkommen Recht habe.
B) dass er sich deswegen an den Leiter des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik, Herr Harzendorf, wenden wird.“

Außerdem wurde ein Dringlichkeitsantrag für die Sitzung der Bezirksvertretung Nippes am 17.9.2009 gestellt. Ein pdf des Antrages wurde mir übersandt, darin heißt es u.a., daß in Betracht gezogen werden soll, einen Autostreifen vorübergehend in einen Radweg umzuwidmen. Als Begründung werden im Wesentlichen meine Ausführungen (siehe unten) benannt.

Da war ich -ehrlich gesagt- mal baff, ging ich doch inzwischen davon aus, daß man als „kleiner Mann“ eigentlich gar keinen Einfluß hat – bis auf ein bis drei Kreuze alle paar Jahre. Es sollte aber noch besser kommen, denn es fehlt ja noch:

Die Antwort der CDU
Die CDU antwortete am 15.9.2009, ebenfalls kurz und knapp und herzlich:

„herzlichen Dank für die treffliche Schilderung auf der Mülheimer Brücke und für den besonderen Hinweis auf das aktuelle Schelmenstück. Wir haben eine Anfrage für die Bezirksvertretung Mülheim erstellt und reichen diese morgen bereits ein. Zudem habe ich das Bezirksamt Mülheim informiert und darum gebeten, sich der Sache auf Verwaltungsseite anzunehmen.“

Eine Partei fehlt noch und just in dem Moment, als ich das schon abhakte, kam dann doch noch …

Die Antwort der SPD
Die SPD antwortete am 18.9.2009. Mir wird für meine „ausführliche e-mail vom 14.9.2009“ gedankt (ich habe die e-mail am 10.9.2009 geschrieben!). Die Antwort ist aber prinzipiell erstmal erfreulich, lautet sie nämlich:

„Zwischenzeitlich hat sich die Bezirksvertretung Nippes in ihrer Sitzung am 17. September 2009 mit der Thematik befasst und einen einstimmigen Beschluss gefasst. Danach ist die Verwaltung beauftragt, die aus Sicht der Bezirksvertretung für Radfahrer/innen lebensgefährliche Umleitungssituation auf der Mühlheimer Brücke, zu überprüfen und unverzüglich zu entschärfen. Das Thema wird daher weiter auf der Agenda bleiben.“

Nun gut, die Antwort der SPD fasse ich als Ergebnis des Engagements der Linken auf (Dringlichkeitsantrag in der BV Nippes), aber immerhin: es soll sich was tun, die Situation soll unverzüglich entschärft werden. Fragt sich nur, was die Ausführenden unter „Entschärfen“ verstehen. Am 18.9.2009, noch bevor mich die e-mail der SPD erreichte, sah ich nämlich folgende Beschilderung an zwei der vier Gefahrenstellen an den Brückenpfeilern:

Gesicherte Entschärfung 1

Gesicherte Entschärfung (1. Pfeiler vom Linksrheinischen aus)

Sollte das der Versuch einer „Entschärfung“ sein, ist das eigentlich nur ein weiteres Schelmenstück, um den treffenden Ausdruck aus der Antwort der CDU zu verwenden. Der einzige Erfolg wäre dann also lediglich die Tatsache, daß meine Anfrage behandelt wurde (womit ich nicht gerechnet hatte), während „einen Autostreifen vorübergehend in einen Radweg umzuwidmen„, wie die Linken es formuliert hatten, ein wirklicher Erfolg, weil eine sichere Lösung, wäre. Mir würde die einfache Öffnung der Fahrbahn für den Radverkehr übrigens reichen. Meinetwegen noch ein Warnschild „Achtung Radfahrer“ für den KFZ-Verkehr.

Immerhin wurden aber (nach gut 2 Wochen!) die auf dem „Radweg“ herumstehenden Baken und das vermutlich dort geparkte Verkehrsschild (Pfeil links) entfernt:

Abstellfläche

Abstellfläche auf "Radweg"

Fazit: anscheinend kann man als engagierte Privatperson doch tatsächlich irgendwas erreichen, auch wenn mir noch nicht ganz klar ist, was das genau ist, bzw. sein wird. Mein Dank geht prinzipiell an alle Politiker, die sich die Zeit genommen haben, meine Eingabe zu lesen und auch zu beantworten. Mein ganz besonderer Dank geht an die Kölner Linken und an die Kölner CDU für Ihr bisheriges Engagement in dieser Sache.

Hier der Text meines Schreibens:

Sehr geehrte Damen und Herren:

mein Name ist Marco Laufenberg, ich bin 39 Jahre alt, seit 1993 zugezogener Kölner und wohne in Köln-Mülheim.

Ich berichte -als Privatperson- in meinem Webblog unter http://www.radfahren-in-koeln.de über meine persönlichen Erlebnisse und Ansichten als Radfahrer in und um Köln. Dabei behandle ich subjektiv verkehrspolitische Themen, bin jedoch nicht parteipolitisch aktiv.

Ich möchte mit meinem Anliegen ihre kostbare Zeit nur so begrenzt wie möglich in Anspruch nehmen, deswegen trage ich es in Stichworten vor. Detailiertere und bebilderte Informationen entnehmen Sie bitte meinem Webblog.

Seit Montag, den 24.8.2009, wird die Mülheimer Brücke saniert. Die Stadt Köln teilte dies am Donnerstag, den 20.8.2009 in einer Pressemitteilung mit. Diese Sanierung soll noch „bis Oktober“ dauern.

Die Mülheimer Brücke ist eine wesentliche Gefahrenstelle für den Radverkehr in Köln, es kam seit 2004 -seit die „Radwege“ auf der Brücke benutzungspflichtig sind- öfters zu Zusammenstößen zwischen Radfahrern, die in der falschen Richtung als „Geisterradler“ unterwegs waren. Es gab einen Toten und mindestens einen Mann, der durch einen Frontalunfall nun berufsunfähig ist. Aus diesem Grunde finden öfters Verkehrskontrollen durch die Polizei statt, so mindestens auch in den Kalenderwochen 33 und 34.

Seit dem 24. August (KW 35) wird der Radverkehr von links- nach rechtsrheinisch nun über die Nordseite der Mülheimer Brücke umgeleitet, d.h. dort wo Geisterradler die Wochen davor noch (berechtigterweise) abkassiert wurden, MÜSSEN sie nun fahren!

Meine Anfrage an die Stadt Köln (Amt für Straßen- und Verkehrstechnik und „Fahrradbeauftragter“) über diese untragbare, weil gefährdende Situation wurde dahingehend beantwortet, daß die Freigabe des Radweges in beide Richtungen („Geisterverkehr“) „nach Abstimmung mit der Polizei“ erfolgte.

Meine entsprechende Anfrage an die Polizei wurde zunächst telefonisch so beantwortet, daß die Polizei dieser Regelung NICHT zugestimmt hätte und das ja auch sonst ein „Schildbürgerstreich“ wäre, wenn in der einen Woche das Befahren des Weges mit einer Ordnungswidrigkeit belegt und in der anderen Woche selbiges Befahren angeordnet wird.

Mittlerweile wurde ich telefonisch von der Polizei unterrichtet, daß die  Zustimmung der Polizei zu der gefährdenden Regelung tatsächlich stattgefunden hätte und zwischen den Zeilen hörte ich heraus, daß es lediglich darum geht, den KFZ-Verkehr nicht zu behindern, denn die einzig sinnvolle Alternative zur derzeitigen Regelung wäre die sichere Umleitung des Radverkehrs über die Fahrbahn.

Zusammengefaßt heißt dies für mich, daß die Stadt Köln Fahrradfahrer und Fußgänger auf der Mülheimer Brücke für ca. 5-9 Wochen bewußt gefährdet, nur um dem KFZ-Verkehr ausnahmslos freie Fahrt zu gewähren.

Falls Sie die Situation vor Ort nicht kennen oder selbst kein Fahrrad fahren sollten: der Weg, den sich die Radfahrer derzeit in beide Richtungen teilen müssen, ist ca. 1,20 Meter breit und zweimal wird bei der Überfahrt durch die Brückenpfeiler die Sicht komplett versperrt. Ein Fahrrad ist ca. 60 cm breit und benötigt als einspuriges Fahrzeug genügend Abstand zu den Seiten. Ich wurde in dieser Woche selbst Zeuge eines Zusammenstoßes, bei dem -Gott sei dank- nichts schwerwiegendes passierte.

Vielleicht können Sie nachvollziehen, daß ich die geschilderte Situation als Willkür seitens der Behörden empfinde. Mich würde interessieren, wie Ihre Partei zu meinen Ausführungen steht. In diesem Sinne würde ich mich über eine Stellungnahme sehr freuen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Mit freundlichen Grüßen,

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Tags: Baustellen · Kölner Stadtteile · Mülheim · Mülheimer Brücke

5 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Udo // Sep 19, 2009 at 18:18

    Auch ich habe sowas versucht, ohne nennenswerte Reaktion, wie der Link zeigt. Unsere Politik ignoriert §40.3 „Der Rat überwacht die Durchführung seiner Beschlüsse sowie den sonstigen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten.“ der Niedersächsischen Gemeindeordnung.

  • 2 siggi // Sep 20, 2009 at 12:56

    Hallo Marco

    Anerkennung erst mal für deinen Einsatz.
    Unterm Strich ist für mich aber zu erkennen, dass bei allen Verantwortlichen der Gedanke, dass Radverkehr auch ganz normal auf einer Fahrbahn, ohne jegliche Radverkehrseinrichtungen, statt finden kann, nicht mehr existiert.
    Bin gestern wieder 140km durchs Sauerland geradelt. Der nationale Radverkehrsplan treibt auch hier mehr und mehr sein Unwesen. Lange Touren von A nach B werden wohl in in Zukunft, mit dem Rad, nur noch illegal möglich sein.

  • 3 Roland Brühe // Sep 21, 2009 at 00:27

    Danke für Dein Engagement und die ausführliche Schilderung der Partei-Antworten! Nachdem Du erstmals über die Situation auf der Mülheimer Brücke berichtet hast, habe ich eine Anfrage beim Kölner Fahrradbeauftragten gestellt, da ich die Situation persönlich auch als höchst gefährlich erlebe. In der E-Mail habe ich auch um die Freigabe der Fahrbahn für Radfahrer ersucht. Zwar habe ich eine Lesebestätigung erhalten, aber keine persönliche Antwort des Fahrradbeauftragten. Vertrauen in die vollmundig beworbene Aktivitäten der Stadt Köln für den Fahrradverkehr lässt dies nicht entstehen.

  • 4 Hans // Sep 23, 2009 at 17:30

    Alle Achtung – Du hast Dir eine Menge Artbeit gemacht. Danke dafür.

    Was die Grünen betrifft: Was hattest Du erwartet? Von den fünf Auto-Parteien im Bundestag ist das die 3-Liter-Auto-Partei. Daß sich das bis in die kommunalen Parteigliederungen zieht, wundert mich nicht im geringsten.

    Ich vermute, daß die Verwaltung die Sache jetzt einfach aussitzt. Wenn man das Thema Mülheimer Brücke schon seit Jahren in den Schreibtischschubladen vergammeln läßt, schafft man das auch bis zum Ende der Bauarbeiten. Da kümmert sich niemand ernsthaft um die Sache, weil es niemanden ernsthaft interessiert. Oder man wiegelt einfach ab. Die völlig unglaubwürdige Geschichte, mit der die Polizei ihre Kehrtwende in der Sache begründet hat, zeigt ja überdeutlich, daß man auch die Exekutive umgehend zurückpfeift, wenn da mal jemand nachgedacht hat und eine sinnvolle Lösung anstrebt.

  • 5 Velo 2011 // Jan 26, 2011 at 14:37

    […] Lobby gibt es nicht und die, die sich dafür halten, werden entweder gar nicht oder aber erst auf mehrmaliges Hinweisen nach Monaten aktiv oder sie suhlen sich im Eigenlob über […]

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