Heute hat mich ein Polizist über seine ganz eigene Sicht der Verkehrsregeln aufgeklärt. Mehr dazu unten, erstmal von vorne. Heute Mittag auf der Mülheimer Brücke in Richtung Mülheim:
„Na und?“ mag sich der Ortsunkundige denken. Ortsansässige wissen, die Mülheimer Brücke ist einer der Gefahrenschwerpunkte des Radverkehrs in Köln schlechthin. Besonders an den Pylonen werden Weg und Sicht eingeschränkt. Der Weg ist seit August 2005 mit Zeichen 241 beschildert, rechts der weißen Linie ist also der Gehweg, der nicht befahren werden darf.
Heute fand dort eine Verkehrskontrolle des Autoverkehrs statt, was ich prinzipiell begrüße. Es gilt Tempo 50, die zweispurige Fahrbahn lädt jedoch zum Gas geben ein. Wie man auf dem Foto gerade noch erkennen kann, wurde die „Radarfalle“ samt dazugehörigem Zivil-PKW hinter dem Brückenpfeiler aufgebaut. Meiner Meinung nach problematisch, da der sowieso schon enge benutzungspflichtige „Radweg“ somit noch weiter verengt wurde.
Ich sprach einen Zivilpolizisten, Herrn M. (voller Name bekannt), auf die Situation an. Ich wies ihn darauf hin, daß die Pylonen auf der Mülheimer Brücke bereits einen Unfallschwerpunkt in Form einer erhöhten Gefahr für Fahrradfahrer darstellen, was der Expertenrat „Velo2010„, zu dem die Polizei Köln auch gehört, schon desöfteren festgestellt hat und der PKW diese Gefahrensituation somit noch weiter verschärft. Eine genauere Zusammenstellung zur Situation auf der Mülheimer Brücke gibt es bei der Mülheimer Fahrrad-Gruppe.
Es war sehr nett, daß Herr M. tatsächlich mit mir diskutierte, obwohl er augenscheinlich zu tun hatte (er wechselte grad die Filme der Kamera). Ich fasse die etwas über 5-minütige, freundlich aber bestimmt geführte Diskussion einmal kurz zusammen. Herr M. erklärte mir, daß er (die Polizei) den Weg blockieren darf und daß er das seit 20 Jahren dort macht und noch nie etwas passiert ist. Außerdem würden die Radfahrer durch die leichte Steigung die Stelle sowieso langsam passieren.
Ich erwiderte, daß es durchaus auch Radler gibt, die sportlich genug sind, diese Stelle flott zu passieren (was selbstverständlich mit der Pflicht zur angepaßten Geschwindigkeit gekontert wurde) und auch daß ich die Argumentation, daß da „in 20 jahren nichts passiert ist“ nicht gelten lassen kann. Daß die Polizei blockieren kann und darf was sie will leuchtet mir ein und das soll sie auch tun. Ich finde es nur unverantwortlich, daß sie dadurch eine für Radfahrer gefährliche Stelle noch gefährlicher macht und wenn im 21. Jahr dort jemand stürzt, bringen die Jahre ohne Unfall herzlich wenig.
Der Höhepunkt war allerdings die Ansicht Herrn M’s, daß ich ja den weißen Streifen nach rechts überfahren dürfe. Auf meinen Einwand, daß das eine Ordnungswidrigkeit wäre, da ich damit auf dem Gehweg fahren würde, was verboten ist, meinte er, daß „die weiße Linie nur zur Orientierung“ da wäre.
Nochmal zum Mitschreiben: Ein Polizist erlaubt mir also ausdrücklich, daß ich mit dem Fahrrad einen Gehweg befahre und setzt sich somit über die StVO hinweg!? Hm! Dazu finde ich bei Peter de Leuw:
„Eine durchgezogene Linie zwischen Radweg und Bürgersteig ist als „Mauer“ zu betrachten: Sie darf von Radfahrern nicht überfahren werden. Bei Gegenverkehr müssen Radler sich ganz rechts halten, notfalls sogar anhalten – vorsorgliches Ausweichen auf den Fußgängerstreifen ist in jedem Fall grob verkehrswidrig (OLG Hamm, Az. 13 U 111/94).“
Ich laß mir den Spaß nicht nehmen und frage die Polizei Köln einmal nach einem Statement zu dem, was ihr Mitarbeiter hier von sich gibt, an. Vielleicht gibt es ja ne Antwort. Die obigen Fotos der Situation (und noch ein paar mehr) habe ich übrigens mit der Erlaubnis des Herrn M. gemacht.
8 Antworten bis jetzt ↓
1 Hans // Aug 13, 2008 at 16:25
Herr M. sollte doch mal § 35 StVO genau studieren, dabei vor allem auch Absatz (8), und dann noch einmal darüber nachdenken, ob die Wahrnehmung eines Sonderrechts in dieser Form zum Zweck der Messung tatsächlich dringend geboten und verhältnismäßig ist.
Daß er nach Lust und Laune die StVO mißachten darf, ohne damit eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, ist jedenfalls Kokolores.
2 Verkehrskontrolle, die nächste // Aug 26, 2008 at 14:48
[…] der Verkehrskontrolle auf der Mülheimer Brücke vor 2 Wochen, von der ich hier berichtete, hatte ich eine Anfrage an die Polizei Köln gestellt, die leider bislang noch nicht beantwortet […]
3 Verkehrskontrolle, die dritte! // Okt 6, 2008 at 11:56
[…] auf der Mülheimer Brücke, sondern Antwort der Kölner (Verkehrs)Polizei auf meine Anfrage vom 12. August 2008. Keine zwei Monate her, […]
4 nobody // Mai 27, 2009 at 17:12
Warum machst Du das KFZ-Kennzeichen des Verkehrsgefährders unkenntlich?
5 Fünfe gerade sein lassen – Verkehrskontrolle reloaded // Aug 25, 2011 at 18:17
[…] Leser mag das alles u.U. bekannt vorkommen, richtig! Vor fast auf den Tag genau drei Jahren gab es eine ähnliche Situation – lediglich auf der anderen Seite der Brücke. Damals fuhr ich -sowohl im Gespräch, als auch […]
6 CJB // Mai 9, 2013 at 10:07
Das behauptete Recht hat die Polizei definitiv nicht. Zwar verhalten sich Polizisten allenthalben so, als gälten für sie keine Gesetze und Verordnungen (besonders beliebt: Parken auf Überwegen, an Straßenecken, Halten in zweiter Reihe, Überfahren von Rotlicht mit Blaulicht, welches danach sofort wieder abgestellt wird), es gilt jedoch auch für sie die allgemeine Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Artikel 20 III Grundgesetz).
Hinzu kommt der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das hieße auf der Straße, daß natürlich der Gehweg als Parkplatz dienen darf, jedoch nur und n u r dann, wenn es keine andere zumutbare und gangbare Alternative gibt. Das wird aber selten geprüft, ob aus Dummheit, Arroganz, Anmaßung oder was immer, darüber kann man trefflich spekuklieren.
7 CJB // Mai 9, 2013 at 17:57
Dazu noch dies: in § 35 StVO ist in Absatz 1, zweiter Halbsatz folgende Formlierung zu finden: „…,soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.“
Das Wörtchen „dringend“ ist das entscheidende. Aber anscheinend ist für die Polizei alles, was sie tut und läßt so dringend, daß sie tun was sie eben tun. – Bundeswehr, Bundespolizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Zoll haben nach ebenderselben Vorschrift denselben Dispens von den Vorschriften der StVO wie die Polizei, aber anscheinend haben sie weit seltener dringendes zu erledigen…
8 Schläge, die man einstecken muss // Sep 24, 2016 at 15:48
[…] auf der Mülheimer Brücke auf Geschwindigkeit zu kontrollieren. Nach mehreren Artikeln (Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3, Artikel 4) wurde mir schließlich durch Helmut Simon, den damaligen Leiter […]
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