[Stadt des Frohsinns – ML] Die Straßenverkehrsbehörde der viertgrößten -und vermutlich schönsten- Stadt Deutschlands hebt mit Beginn des neuen Jahres alle Benutzungspflichten der teilweise 80 Jahre alten Radverkehrsanlagen auf. „Wir müssen unsere Anordnungen nach fast 15 Jahren endlich an die gültige Rechtslage anpassen, alleine schon um die Stadtkasse und somit die Steuerzahler vor kostspieligen Gerichtsverfahren zu schützen“, so Klaus Harzendorf, Leiter des Amt für Straßen und Verkehrstechnik in Köln.
Hintergrund dieses bundesweit einmaligen Verfahrens ist die Tatsache, daß es seit der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Jahre 1998 de facto gar keine Benutzungspflicht mehr gibt, sondern Radfahrer nur auf Radwege gezwungen werden dürfen, wenn eine außerordentliche Gefahrenlage dies erfordert. „Wir haben da eklatante Fehler gemacht“ gibt Harzendorf zu. „Letztlich wurden die bestehenden Radwege unter der Ägide meiner Vorgänger zwar in Augenschein genommen, aber höchstens auf ihre erforderlichen Mindestmaße hin überprüft und quasi überhaupt nicht auf etwaige Gefahrenlagen auf der Fahrbahn, wo ein Fahrzeug nach Gesetz ja erstmal hingehört“, so Harzendorf weiter. Dazu komme auch die Tatsache, daß es in seinem Amt in den letzten Jahrzehnten kaum jemanden gab, der sich mit Radverkehr auskannte. „Ich selber kannte Fahrrad fahren nur aus dem Fernsehen, als Sport und vielleicht am Wochenende, um mit meiner Frau mal ein Picknick zu machen. Aber auch nur bei Sonnenschein.“ Harzendorf möchte die Fehler, Fahrbahnen überhaupt nicht auf Gefahrenlagen für Radfahrer geprüft zu haben, aber nicht nur auf seine Vorgänger abwälzen: „Wir haben die selben Fehler gemacht, wie Generationen von Verwaltungsangestellten und Verkehrsplanern vor uns. Aber Dummheit schützt vor Einsicht nicht. Wir mussten uns der Lage stellen und das haben wir mit der Entscheidung, zunächst rigoros alle Benutzungsplichten von Radwegen zum 1. Januar 2013 aufzuheben, getan“.
Nach und nach wird nun also das nachgeholt, was der Gesetzgeber bereits 1998 verfügt hat. Nicht die Radwege werden auf (Un)Tauglichkeit zum Befahren geprüft, sondern zukünftig die Fahrbahnen der Straßen Kölns daraufhin, ob tatsächlich eine außerordentliche Gefahrenlage nach StVO §45 Absatz 9 vorliegt. Sollte dies in Ausnahmefällen der Fall sein, wird erst dann eine Benutzungspflicht angeordnet und der Weg entsprechend beschildert. Also: nur wenn eine blaues Schild mit Fahrradpiktogramm einen Weg säumt, muß dieser benutzt werden. Dies dürfte in Köln in Zukunft in den wenigsten Straßen der Fall sein. Vorhandene Radwege dürfen zwar weiterhin benutzt werden, in den meisten Fällen wird davon aber sogar abgeraten, um sich nicht in Gefahrensituationen zu bringen. Zu den fehlenden Sichtbeziehungen zu Kraftfahrzeugen kämen außerdem noch die teils katastrophalen baulichen Zustände der Wege, die Alleinunfälle oftmals provozieren würden. Gehwegradeln ist -auch dort, wo es früher erlaubt war- tabu und wird von der Kölner Polizei künftig rigoros kontrolliert und geahndet. „Für eine Übergangszeit von einer Woche, bis sich die neue Lage bei allen Kölnern herumgesprochen hat, drücken wir noch einmal alle Augen zu und belassen es bei einer Ermahnung. Danach wird repressiv kontrolliert“, so Helmut Simon, Leiter der Verkehrsinspektion der Polizei Köln. „Gehwegradeln ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine tödliche Angelegenheit.“ Das Bußgeld beträgt bis zu 25 Euro.
„Fahrrad fahren ist gar nicht so gefährlich, wie es immer gemacht wird“, erläutert Amtsleiter Harzendorf. Er selbst habe diese Erfahrung machen müssen, nachdem ihn ein Fahrradaktivist auf eine Radtour eingeladen hat. „Der junge Mann hat mir erstmal gezeigt, wie man richtig Fahrrad fährt. Sichtbar sein und nicht zu weit rechts, damit man von Autos nicht geschnitten wird oder in sich öffnende Türen fährt.“ Benutze man die von seinem Amt angelegten Verkehrsräume, die eigentlich als Schutzräume gedacht gewesen sind, könne man dies allerdings mitnichten einhalten. „Am Hansaring habe ich richtig Angst gehabt, als ich den Schutzstreifen genutzt habe!“, gibt Harzendorf zu. Später sei er schließlich -wie seine erfahrene Begleitung- links dieser Linie gefahren. „Der Großteil der Schutzstreifen werden in den nächsten zwei Monaten entfernt. Nur da, wo sie wirklich breit genug sind, lassen wir sie markiert. Das ist aber auf den wenigsten Abschnitten in Köln der Fall“. An Hansaring, Venloer und Bonner Straße dürften sich also schon in Kürze die Straßenarbeiter zu schaffen machen.
Durch einige Fahrradaktivisten sei man überhaupt erst „zur Vernunft“ gekommen, erklärt Klaus Harzendorf. „Die haben anfangs nur Akteneinsichten über Benutzungspflichten beantragt, da waren wir schon etwas verwirrt. Später haben die dann immer offensiver Klagen angekündigt und irgendwann war klar: die ziehen das durch! Ein paar Tage bevor eine Klage gegen die Radwege an den Ringen eingereicht werden sollte, haben wir dann die Reißleine gezogen und nachgegeben.“ Sein Fahrradbeauftragter hätte den entscheidenden Tip gegeben, meint Harzendorf. „Herr Möllers hat mir klar gemacht, daß die mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2010 (BVerwG 3 C 42.09) eine hervorragende Grundlage für ihre Klagen, die die Gesetzeslage bestätigt und zudem auch noch einen versierten Fachanwalt aus Norddeutschland ins Boot geholt haben.“ Harzendorf möchte das allerdings nicht als Niederlage verstanden wissen, sondern als Einsicht. „Eine gute, bürgernahe und rechtschaffene Verwaltung muß fähig sein, Fehler zuzugeben, anstatt auf veralteten Prinzipien zu beharren“, sagt Harzendorf, der klar zum Verständnis bringt, „früher hieß Verkehr für uns Auto fahren, aber die Zeiten haben sich definitiv geändert.“.
Konsequenterweise wird es in der Verwaltung einige bedeutende Änderungen bezüglich des Radverkehrs geben. Das Büro des Fahrradbeauftragten wird in mehreren Intervallen auf voraussichtlich 20 festangestellte Mitarbeiter aufgestockt. Derzeit arbeiten dort 3-7 Mitarbeiter, die aber teilweise aus anderen Abteilungen strafversetzt wurden. „Wir haben bereits Stellen ausgeschrieben. Voraussetzung für eine Anstellung ist regelmäßiges Radfahren, mindestens zweimal die Woche stellen wir uns vor.“ sagt Amtsleiter Harzendorf. Obwohl die Haushaltslage in Köln alles andere als rosig aussieht, stellt er sogar gute Dienstfahrräder in Aussicht, „dann muß der Mitarbeiter allerdings auch täglich mit dem Rad zur Arbeit kommen“. Fahrradabstellanlagen gibt es am Stadthaus jedenfalls bereits genug.
Viel wesentlicher wiegt aber die Tatsache, daß der Fahrradbeauftragte zukünftig zwar weiterhin bei der Stadt Köln angestellt ist und von ihr bezahlt wird, aber nun komplett autark und unabhängig agieren kann. „Ich muß keine Amtsmeinung mehr vertreten, was in anderen Städten Deutschlands schon länger gang und gäbe ist“, so Jürgen Möllers, der den Posten seit einigen Jahren inne hat. Möllers ist nicht nur Fahrradbeauftragter der Stadt Köln, sondern auch Vorstandsmitglied im VCD Köln, der schon seit langem u.a. Tempo 30 in Innenstädten fordert. „Damit macht man sich am Willy-Brandt-Platz nicht gerade beliebt. Auch hier wollen alle nach Feierabend möglichst schnell mit ihren Autos nach Hause, da stören Radfahrer im Verkehrsraum genauso wie Tempolimits.“ Es gehe aber nicht um „Freie Fahrt für freie Bürger“, sondern um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und da müsse auf die Schwächeren Rücksicht genommen werden – auf Radfahrer genauso wie auf Fußgänger. Das wäre auch ein Grund, weswegen Radfahrer künftig fast nur noch auf der Fahrbahn fahren sollen. „Die Zahl an Unfällen auf den Radwegen ist auffällig hoch und dazu kommt noch eine Dunkelziffer, zusätzlich Bagatell- und Fastunfälle, auch zwischen Radfahrern und Fußgängern auf zwangsweise gemeinsam benutzten Wegen“, erklärt Jürgen Möllers. Tatsächlich werden in Köln -wie in anderen Städten auch- regelmäßig Radfahrer durch rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge schwer verletzt oder gar getötet. „Die Sichtbeziehungen stimmen einfach nicht. Man kann durchaus sagen, daß die meisten Kölner Radwege die Radfahrer nicht schützen, wie es das Gesetz eigentlich verlangt, sondern vielmehr gefährden. Dem müssen wir entgegenwirken, um endlich eine angenehmere Statistik vorweisen zu können.“ Seinen Status als „fahrradfreundliche Stadt“ hat Köln durch die autofokussierte Fehlpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte bereits verloren, aber man wäre durch die Zäsur potentiell auf einem guten Weg , diesen wiederzuerlangen, meint Möllers. „Da richten wir unser Augenmerk drauf“. Einwände, daß durch die nun einheitliche Regelung „Fahrräder benutzen die Fahrbahn“ ein Großteil des Betätigungsfeldes seines Büros zukünftig wegfällt, weißt Möllers energisch zurück: „Wir besinnen uns auf unsere Kernkompetenzen!“. So würden die Velorouten weiter ausgebaut, die Einrichtung von Fahrradständern künftig mit Einweihungsreden und Blasmusik zünftig gefeiert und alle Bürgeranfragen zum Radverkehr in kürzester Zeit beantwortet: „drei bis höchstens fünf Arbeitstage, länger wird es zukünftig nicht dauern, bis eine Anfrage an den Fahrradbeauftragten beanwortet ist“ freut sich Möllers. Zudem werde man in jeder Kölner Sackgasse und an wichtigen Trampelpfaden weitere Fahrradzählstellen einrichten, um zuverlässig Quartalszahlen mitteilen zu können.
Ansonsten möchte er mehr Präsenz zeigen und öffentlichkeitswirksam agieren, erläutert Möllers. „Ich möchte die Menschen in Köln für das Fahrrad fahren begeistern und ihnen aufzeigen, daß fast jeder zumindest seine innerstädtischen Wege per pedalo zurücklegen kann.“ Er möchte so regelmäßig zum Critical Mass Ride, jeden letzten Freitag im Monat um 17:30 Uhr ab Rudolfplatz, einladen und auch selbst mitfahren. „Nur zur jährlichen Fahrradsternfahrt werde ich es leider nicht schaffen, während dort gefahren wird, muß ich den Stand unseres Büros am Neumarkt zur Abschlußkundgebung aufbauen, das hat Priorität“. Dafür plant Möllers, zusammen mit einigen Mitarbeitern, ein paar offizielle adfc-Touren als Tourenleiter zu begleiten: „da besteht noch einiges an Nachholbedarf, besonders was die Verkehrsregeln angeht. Da kann ich sicherlich mit Sachverstand helfend tätig werden und Nachhilfearbeit leisten.“
Entsprechend zerknirscht gibt man sich bei der Fahrradlobby. „Der adfc hat in Köln eine lange Tradition. Hier hat man immer mit Händen und Füßen seine eigenen Wege gefordert und verteidigt, das wird schwer, das aus den jahrzehntealten Köpfen herauszubekommen, daß man sein Ghetto nun verlassen muß“, sagt Sven Bersch, Vorsitzender des Drahteselpedalrittervereins. „Es wird sicher noch einige Jahre lang dauern, bis sich die adfc-Mitglieder der Moderne anpassen“, solange wolle aber vor jeder offiziellen Tour Unterschriften einfordern, daß sich die Mitfahrer an die gültigen Verkehrsregeln halten, „sicher ist sicher“, so Bersch.
Die Kölner Polizei begrüßt die neue Konsequenz aus dem Stadthaus. Helmut Simon, Leiter der Verkehrsinspektion der Polizei Köln meint dazu: „Eine Vereinfachung der Regeln spielt uns schon einmal zu, wir werden dennoch unsere Polizisten ausnahmslos neu schulen. In der Vergangenheit schon wurden viel zu viele Fehler bezüglich Benutzungspflichten gemacht, davor sind leider auch wir nicht gefeit.“ Augenscheinlich konnte ein erhebliches Fehlverhalten Kölner Polizisten gegenüber Radfahrern analysiert werden, es lagen bereits mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden vor, in denen es um Nichtwissen der Verkehrsregeln und um unverhältnismäßige Maßnahmen bezüglich Fahrradfahrern ging. So wird von Fällen von Androhung von Leibesvisitationen wegen Nichtbenutzung eines Radweges, Verbot der Weiterfahrt wegen Zitieren der StVO und offensichtlicher Deklarierung eines Radfahrers auf der Fahrbahn als Verkehrshindernis berichtet. „Ich habe 5000 Beamte unter mir, da kann ich nicht davon ausgehen, daß die immer alles richtig machen“, so Simon. „Und wo Menschen sind, da werden Fehler gemacht und Polizisten sind ja auch nur Menschen, selbst wenn sie eine Waffe am Gürtel und Pfefferspray in der Hosentasche tragen“, das würde trotzdem nicht begründen, daß sie alles wissen.
„Die neue Situation in Köln ist einfach zu verstehen“, meint Simon. Seine Beamten müssten sich nun einfach keine großen Gedanken mehr machen, wenn sie einen Radfahrer sehen, es sei denn er fahre auf dem Gehweg. „dann wird er auch angehalten“, da sei man konsequent. „Wir haben früher schon nie eine eigene Meinung zu den Anordnungen der Verwaltung gehabt und deren Arbeit nie hinterfragt. Das machen wir jetzt auch nicht. Wenn die Straßenverkehrsbehörde die Radfahrer also auf die Straße läßt, dann ist das gut so.“ Die mehrwöchigen Schulungen über den neuen Sachverhalt hätten für die Kölner Polizisten bereits zwischen den Jahren begonnen, so Simon. Man wolle zusätzlich in die Handschuhfächer aller Dienstfahrzeuge Handzettel mit einfach verständlichen Erläuterungen in besonders großen Buchstaben und auch grafisch aufgearbeiteten Hinweisen legen.
Sein Verhältnis zum Radfahren sei gespalten, sagt der Leiter der Verkehrsdirektion. „Früher dachte ich immer, man kann das nur im Flachen, aber dann habe ich zuhause mal vor die Tür geguckt“. Dort -im Bergischen Land, wo er lebt- hätte er die ganzen Rennradfahrer in ihren bunten Outfits gesehen, die flott die Anstiege erklommen hätten „und die waren teilweise wesentlich älter als ich, das hat mir dann doch zu denken gegeben.“ Radfahren als Alter-Männer-Sport, das hat es Simon angetan: „Ja, es stimmt, ich habe mich für den Klassiker ‚Rund um Köln‚ angemeldet! Ich werde eine Woche meines Jahresurlaubs für ein Rennradtraining auf Mallorca opfern und es dann an Ostern ganz ruhig angehen lassen. Eine Zeit unter 3 Stunden für die 60km Strecke der Jedermänner ist mein Ziel“. Die Wahrscheinlichkeit, daß Simon dies auch schafft ist groß, denn diese Zeiten fahren üblicherweise die Senioren in der Altersklasse ab 70 Jahren. In die Öffentlichkeit will er mit seiner neu gewonnenen Sportlichkeit aber erstmal nicht: „der Bauch strafft das Trikot noch ein wenig, da muß ich erstmal keine Fotos von in der Zeitung sehen“ sagt er und lacht. „Ich habe aber schon eine kleine Polizei Betriebssportgruppe angeregt“, Ziel sei es eine wirkliche Fahrradstaffel für Köln zu haben und auch etwas für die Fitness zu tun. „Wenn wir trainieren, dann bin ich der Helmut“ erkärt Simon seinen neu gewonnenen Sportsgeist und konstatiert „immer nur Donuts in sich zu stopfen bringt lange nicht so viel Zusammenhalt, wie das wöchentliche Training in der Gruppe.“
Bei den Kölner Fahrradaktivisten gibt man sich einigermaßen zerknirscht: „ich weiß gar nicht wirklich, was ich jetzt machen soll“, sagt Moritz Dachbodenfrau, „vielleicht sattel ich auf was anderes um, Segelfliegen oder so“, während Martin Schmitz das lockerer sieht: „für mich ändert sich nichts, ich wohne ja in einem Kölner Vorort und bei uns hat sich nichts geändert und das wird es augenscheinlich in der nächsten Zeit auch nicht. Ich bleibe weiter aktiv!“.
„So ein Mist“, meint Markus Lattenzwerg, „was soll ich denn jetzt für Feindbilder haben? Ramsauer, Roth, Scho-Antwerpes – da muß ich mir wohl jemand anders als Zielscheibe aussuchen!“, während Arndt Federvieh mit stoischer Ruhe zum besten gibt: „Hauptsache, wir kommen jetzt alle sicherer an!“
Nur der Rheinufertunnel bereite ihm dann doch Kopfzerbrechen, erläutert Klaus Harzendorf zum Schluß. Dort wieder Radfahrer durchzulassen, halte er immer noch für recht gefährlich, wenn auch nicht für unmöglich. „Es läuft auf eine eigene Fahrradspur hinaus“ meint er, nachdem ihn die Bezirksvertretung Innenstadt schon vor Monaten beauftragt hatte, eine Nord-Süd-Verbindung für den Radverkehr zu finden. „Wir werden die rechte Spur für Kraftfahrzeuge komplett sperren“, dazu bedürfe es allerdings einiger kleiner Umbauten an den Ein- und Ausgängen des Tunnels, die nicht sofort bewerkstelligt werden könnten. „Wir gehen da mit unserer gesamten Manpower ran, das hat Priorität! Spätestens im März haben wir das Ding gestemmt, solange bitte ich alle Kölner Fahrradfahrer um etwas Geduld!“
Auch aus der Politik hört man versöhnliche Töne: „ich fahre mit meinem 3-Liter Auto gerne hinter Radfahrern hinterher“ so Bettina Tull, verkehrspolitische Sprecherin der grünen Ratsfraktion ob der Tatsache, daß zukünftig hauptsächlich Mischverkehr in Köln stattfindet. „Freie Fahrt für freie Fahrradfahrer ist ja eigentlich eine grundliberale Forderung“, meint Lorenz Deutsch, Mitglied in der Bezirksvertretung Innenstadt, „das muß man auch als Autofahrerpartei einfach attestieren“, obwohl er im Sommer noch via Kölner Blätterwald gepoltert hatte, eine Fahrt durch den Rheinufertunnel wäre „Selbstmord“. „Das sehe ich jetzt anders, nachdem ich mit ein paar Jungs danach mal als Beifahrer auf dem Tandem durch den Tunnel gebraust bin, das war echt alles ganz easy und ungefährlich!“. Die Fraktionen von CDU und SPD gaben nur eine gemeinsame kurze Stellungnahme ab: „Wir möchten festhalten, daß die Kölner Straßen von unserem Beton gebaut wurden, tolerieren aber die Entscheidungen der Kölner Stadtverwaltung“. Oberbürgermeister Jürgen Roters weilt derweil im Urlaub in der Karibik und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Zusammengefasst ändert sich für Kölner Verkehrsteilnehmer zunächst folgendes:
- Fahrradfahrer dürfen in Köln ausnahmslos alle Fahrbahnen von Straßen befahren, außer Autobahnen und Kraftfahrstraßen
- Sämtliche Radwege müssen nicht mehr von Radfahrern benutzt werden, dürfen es aber weiterhin, auch wenn davon abgeraten oder zumindest um besondere Vorsicht gebeten wird
- Sämtliche (blauen) Radwegschilder werden derzeit zurückgebaut, der Rückbau wird wegen der Menge allerdings noch einige Wochen dauern. Die derzeit noch hängenden Schilder haben momentan keine Gültigkeit.
- Das Fahrradfahren auf Gehwegen bleibt verboten und wird strengstens verfolgt (Bußgeld bis 25 Euro). Wiederholungstätern drohen zukünftig empfindliche Ordnungsgelder
- alle Kraftfahrer werden gebeten, von Drangsalierungs- und Erziehungsmaßnahmen gegenüber Radfahrern abzusehen. Hierbei handelt es sich um Straftaten. Entsuchtungsprogramme werden von örtlichen Fahrradgeschäften und Fitness-Studios bereit gehalten und von vielen Freunden, Familien und Arbeitgebern gefördert
Die Stadt Köln bittet ihre Bürger um Mithilfe: sämtliche noch hängenden (blauen) Radwegschilder können von Anwohnern verdeckt werden, z.B. mit Müllsäcken (bitte fest verschnüren oder verkleben!). Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Schilder nicht eigenmächtig abgeschraubt werden sollen, sondern dies ausschließlich durch Mitarbeiter des Bauhofs geschehen darf. Die nicht mehr benötigten Schilder werden der Iniative „Radwegschilder zu Fahrradständern“ des Kölner Fahrradbeauftragten zur Verwertung zugeführt.
Rückfragen können an das Büro des Fahrradbeauftragten gerichtet werden:
Telefon 0221 / 221-21155
e-mail: fahrradbeauftragter@stadt-koeln.de
internet: http://www.stadt-koeln.de/4/verkehr/radverkehr/
37 Antworten bis jetzt ↓
1 Malte // Jan 4, 2013 at 16:18
Hast du dich ein bisschen mit dem Datum vertan? Tag und Monat vertauscht?
2 Malte // Jan 4, 2013 at 16:43
Total gut, dass der graue Text ganz am Ende des Artikels auf meinem MacBook kaum sichtbar ist. Mit Linux wäre das nicht passiert.
3 hamburgize // Jan 4, 2013 at 16:47
Schönste Stadt Deutschlands? Und alle B-Zwänge abgeschafft? Doch nicht etwa Köln!?
4 Stefan // Jan 4, 2013 at 17:02
Mach das lieber gut kenntlich, dass das Satire ist!
5 Martin // Jan 4, 2013 at 17:29
Würde vielleicht den Hinweis auf den satirischen Charakter nicht in pitch 6 in kursiv und Grau auf Weiß am Ende eines 10.000-Wort-Artikels verstecken, auf einer Webseite die sich faktenbetont gibt. Das eiert m.E. zwischen grober Fahrlässigkeit und gefährlicher Irreführung herum…
6 Rainer // Jan 4, 2013 at 20:08
Ich habe in der Mitte des 2. Absatzes den Braten gerochen und nach unten gescrollt.
Schade!
Aber zum Trost: In Wuppertal ist alles noch schlimmer.
7 Christian // Jan 4, 2013 at 20:30
Rhetorisch guter Artikel nach allen Regeln der Kunst. Jetzt können erst mal alle aus der Verwaltung nur noch dementieren, dass ihnen die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer wichtig ist.
8 Malte // Jan 4, 2013 at 21:35
Dass der Artikel lustig sein soll, merkt man ja schon an der Überschrift.
9 christian // Jan 5, 2013 at 10:46
Seeeehr gut! Vielen Dank für ein paar Minuten sehr guter Laune 😉
10 flueggus // Jan 5, 2013 at 11:18
Nun, als Satire würde ich den Beitrag nicht sehen, vielmehr als schönen Traum, der hoffentlich auch mal Wirklichkeit wird.
11 Klaus // Jan 5, 2013 at 11:25
Schön geschriebener Artikel, da ich über Google+ drauf kam, wusste ich leider schon, dass es Satire ist.
Leider ist die Einstellung zm Radverkehr in den meisten (allen?) Verwaltungen ganz anders 😉
12 Clabunt // Jan 5, 2013 at 13:56
Toller Erfolg! Für Auswärtige, die mit den handelnden Personen nicht vertraut sind, ein etwas langer Text, aber ansonsten absolut vorbildlich für andere Städte (… und Blogger.)
[Für die kommentierenden Kontrastbeauftragten, die ihre überzogenen Deklarationswarnhinweise satirisch meinten: herrlich, sehr adäquat weitergespielt!]
13 aufmerksam // Jan 5, 2013 at 16:00
Satire, die man als solche kennzeichnen zu müssen meint, ist aber langweilig.
14 aufmerksam // Jan 5, 2013 at 16:07
… aber sonst super.
aufmerksam
15 Marco // Jan 5, 2013 at 22:42
Ach, Herr Schulz, die Kölner Obrigkeit ist nur 5 Tage im Jahr lustig und das auch noch verordnet und bevor’s wieder Anzeigen hagelt, gehe ich lieber auf Nummer sicher … meine Anwältin hat derzeit genug zu tun 😉
… aber sonst: danke!
16 Rad-Recht // Jan 6, 2013 at 00:12
Man gut, dass mein Herz noch recht jung ist, die Aufregung hätte ich sonst nicht verkraftet. Das erste Drittel ist trotz der Unwahrscheinlichkeit zu ernsthaft geschrieben, weil ich so gefesselt war, hab ichs für den Moment glauben wollen. Aber sehr schön.
17 Kai // Jan 6, 2013 at 02:46
Schönes „Drehbuch“ für die Kölner Stadtoberen. Vielleicht wird es ja wirklich so kommen. Deine Klage(n) scheint ja gesetzt zu sein und deine Radtour mit Herrn Harzendorf steht auch noch aus. Kann alles noch immer so kommen. Hoffen wir mal, dass du so richtig Staub aufwirbelst, so oder so. Weiterhin viel Glück dabei!
18 Chally // Jan 6, 2013 at 08:15
Der Artikel sollte an alle Ordnungsämter in Deutschland verschickt werden, vielleicht kommt dann etwas „Bewegung“ in die Köpfe. Toller Artikel!
19 gerbs // Jan 6, 2013 at 11:03
Na ja, ab 6. Januar beginnt ja auch in Köln der Karneval so richtig bzw. er hat am 11.11. angefangen.
20 malenki // Jan 6, 2013 at 14:24
Obwohl vieles plausibel klang, konnte ich es nicht so richtig glauben. Ab dem „Eine Woche Rennradtraining auf Mallorca“ und „Bürger werden gebeten, die Verkehrszeichen zu verhüllen“ war es dann zu unglaublich. Leider.
Ausdrucken und auf den Kölner Ämter aushängen: +1
Oder gleich als Flugblatt abwerfen 🙂
21 Wolli // Jan 6, 2013 at 21:52
Super Artikel!
Hatte mir schon die neuen, ungefährlicheren Wege ausgemalt für den morgigen Arbeitsweg von Bensberg nach Köln. Schade, schade…
Gruß Wolli
22 Ulrike // Jan 7, 2013 at 20:18
Irgendwann hab ich gedacht: Das kann nicht, so viele positive Wandlungen auf mal…
Schade aber auch, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bisschen Geduld müsst ihr aber schon haben. 😀
23 der_ub // Jan 10, 2013 at 13:51
Toller Artikel! Ich habe auch zuerst geglaubt eine Art Schlaraffenland zu erleben.
Dass die Verwaltung Fehler zugibt, war dann doch zu unrealistisch 🙁
24 MacDubh.de – Radwegepflicht in Köln aufgehoben! // Jan 10, 2013 at 14:09
[…] Radwegepflicht in Köln aufgehoben! […]
25 Sascha // Jan 11, 2013 at 16:11
Mann, hast mich voll verarscht und ich wollte schon abfeiern; nach dem ersten Absatz war es aber irgendwie dann doch klar.
Marco, wir kennen uns nicht, aber ich würde dir raten, dich nicht in Teufels Küche zu bringen. Konfrontation – ja, gerne, aber der Hinweis auf einen satirischen Artikel geht fast unter. Nicht, dass die dich für „groben Unfug“, „gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ o.ä. am Arsch packen…
26 Marco // Jan 11, 2013 at 17:30
@Sascha:
ganz im Ernst: der Artikel fängt mit dem Tag „Stadt des Frohsinns“ an, ist unter der Rubrik „Satire“ abgelegt und hat einen -wie ich finde- deutlich sichtbaren Disclaimer am Ende. Das nennst Du „geht fast unter“? 😉
Ich glaube beim besten Willen nicht, daß ich mich damit in „Teufels Küche“ bringe … 🙂
27 Thomas // Jan 15, 2013 at 12:15
@Marco
Danke Marco,
für den Artikel und Deine Arbeit hier mit dem Blog. Ich bewundere besonders Dein fundiertes Wissen und wie Du es anwenden kannst. Ausserdem machst Du eine sehr wichtige Arbeit für uns Radfahrer. DANKE
28 aufmerksam // Jan 20, 2013 at 12:27
Geehrter Herr Laufenberg,
natürlich kann man nur schwerlich verlangen, dass Sie sich bewusst in die Nesseln setzen, indem Sie auf de Satire-Hinweis verzichten. Interessant fände ich es aber schon, wie die Klägerseite in einem Verfahren, weil sie sich verschaukelt fühlen argumentieren würden.
„Es stimmt nicht, dass wir sachlichen Argumenten aufgeschlossen sind. Und wir halten uns auch nicht an die Vorschriften, die bei der Anordnung von Benutzungspflichten zu beachten sind. Auch interessieren wir uns nicht für die Sicherheit von Radlern. Wir nehmen seit Jahren tödliche Unfälle in Kauf — der tote Winkel muss sich seinen Namen ja irgendwie verdienen — harhar. Warum sollten wir auf einmal daran etwas ändern?“
So in etwa. Und genau das wissen diese Leute und werden einen Dreck tun, rechtlich gegen Sie vorzugehen und Ihnen damit womöglich auch noch öffentliche Aufmerksamkeit zuzubilligen.
aufmerksam
29 Das große Los gezohen ! « Tausendkilometer // Feb 8, 2013 at 17:29
[…] es geschehen noch Zeichen und Wunder. Erst vorgestern erfuhr ich das die Stadt Köln die gesamte Radwegbenutzungspflicht aufgehoben hatte und dann trifft es mich auch […]
30 Heiner // Feb 25, 2013 at 19:08
Auweia,
der Witz geht in Erlangen gar nicht mehr.
Wegen dieser Rechtssprechung sind bei uns tatsächlich die meisten blauen Schilder abgebaut.
Neueste Verordnung: In ca. 20 bis 30 Einbahnstrassen wird der Radverkehr in beiden Richtungen freigegeben.
31 undogmatiker // Jun 20, 2013 at 03:10
Dachte zuerst, Satirehinweis (etwa so: /s) am Anfang hätte geholfen, aber dann wiederum hätte ich den Artikel womöglich nicht gelesen.
Wäre auch o.k. gewesen, da Zeitersparnis.
Umkehrschlußherangehensweiseargumentation andererseits wiederum interessant.
Haben hier bei ADFC in Rendsburg / SH auch Unterbelichtete, die nicht auf benutzungspflichtigen Radwegen fahren, wenn ihnen die Wege nicht passen – aber immer darauf hinweisen nach StVO zu fahren, womit sie ihre selbstgezwirbelte meinen.
So schwer kann das doch nicht sein. Und wem es nicht paßt oder wer das nicht verstehen will, kann doch zu Fuß gehen, auch zum StVO üben, oder Auto fahren – das ist eventuell einfacher.
Aber meckern und Paragraphen um sich werfen gehört in BRD scheint’s zum guten Ton.
Zügig mit dem Rad ohne Probleme von A nach B macht viel Spaß und geht ganz einfach, kann man lernen.
Mal ständiges Unzufriedensein und Nörgeln lassen.
Versuchen Sie es doch auch mal.
32 In eigener Sache: weiter geht’s! // Jan 27, 2014 at 17:38
[…] Tradition (in Köln ist alles, was zweimal passiert, eine Tradition), zu Beginn des neuen Jahres einen Leitartikel zu schreiben, konnte ich nachkommen. Im Posteingang, in einigen Kommentaren und diversen Foren, ja […]
33 “Müssen Radfahrer den Radweg benutzen?” | video51 // Apr 18, 2014 at 09:29
[…] “Die Straßenverkehrsbehörde der viertgrößten -und vermutlich schönsten- Stadt Deutschlands hebt mit Beginn des neuen Jahres alle Benutzungspflichten der teilweise 80 Jahre alten Radverkehrsanlagen auf.” http://www.radfahren-in-koeln.de/2013/01/04/stadt-koln-hebt-alle-radwege-benutzungspflichten-auf/ […]
34 Jens Siegfried // Okt 7, 2014 at 17:38
„Haben hier bei ADFC in Rendsburg / SH auch Unterbelichtete, die nicht auf benutzungspflichtigen Radwegen fahren, wenn ihnen die Wege nicht passen – aber immer darauf hinweisen nach StVO zu fahren, womit sie ihre selbstgezwirbelte meinen.“
undogmatiker
Es gibt Radwege, die trotz entsprechender Beschilderung nach aller Vernunft UND Rechtsprechung nicht benutzt werden sollten (geschweige denn müssten).
Dazu braucht es keine „selbstgezwirbelte“ StVO, sondern lediglich etwas Selbsterhaltungstrieb.
Und den haben sogar Radfahrer.
35 Radwegbenutzungspflicht wird in Köln abgeschafft. | josch // Okt 27, 2015 at 23:21
[…] hier noch 2013 bittere Satire war, wird nun mehr oder weniger Realität. Der ADFC hat allen Grund zu […]
36 Rad-beo-bachtungen: Köln // Nov 8, 2015 at 09:41
[…] Wie wir alle gejubelt haben (zumindest diejenigen, die sich für Fahrräder und Städteplanung interessieren), als sich die Meldung wie ein Lauffeuer über Facebook verteilte, dass Köln die Benützungspflicht für Radwege aufgehoben hat (siehe u.a. radfahren-in-koeln.de). […]
37 Cycling-b(eo)log: Cologne – beo blog (en) // Nov 8, 2015 at 09:46
[…] Oh how we all rejoiced (at least those interested in cycling and city planning) when the news of Cologne dropping the mandatory use of cycle lanes spread like a wildfire on Facebook. (see e.g. German language cycle blog radfahren-in-koeln.de) […]
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