Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Bombenstimmung!

Juni 1st, 2015 · 8 Kommentare

Die Nachricht ging quasi um die Welt: in Köln wurde (mal wieder) eine Weltkriegsbombe gefunden! Was das mit diesem Blog und Radfahren in Köln zu tun hat? Recht einfach: wie scheissegal wichtig der Stadt Köln und ihrer Verwaltung das (sichere!) Radfahren ist, erkennt man an solch für den Radverkehr scheinbar unbedeutenden Dingen.

Tage vorher wurde es angekündigt, es gab in der Stadt kaum noch ein anderes Thema. Circa 20.000 Menschen mussten rund um die Mülheimer Brücke evakuiert werden, darunter ein Seniorenheim und einige größere Wohnhäuser. Überregionale Medien, wie Stern, Spiegel, FAZ, Focus, Tagesschau, etc. berichteten – in Kölner Medien wurden Liveticker für die Entschärfung der Bombe am 27. Mai 2015 eingerichtet. Für die evakuierten Menschen standen Aufenthalt, Kaffee und Snacks bereit, aber das Wichtigste:  die Mülheimer Brücke sollte -als wichtige Verkehrsachse- erst 30 Minuten vor der Sprengung gesperrt werden! Na gut, auf den zweiten Blick klang das dann nicht mehr für alle Verkehrsteilnehmer so euphorisch, denn die Medien verbreiteten: „Für Fußgänger und Radfahrer wird die Mülheimer Brücke bereits ab Mittag gesperrt.

Ok, man kann nicht alles haben und der Grund der Sperrung, die Entschärfung einer riesigen, 70 Jahre alten Bombe, ist natürlich ein triftiger. Die Realität bzgl. der Sperrung der Brücke für den Radverkehr sah dann allerdings ganz anders aus: die reguläre Auffahrt auf die Brücke war bereits am Tag vorher gesperrt. Ich wollte, bzw. mußte sie nachts gegen 0:30 Uhr auf dem Weg von der Arbeit nach Hause passieren und stand also vor der mit Absperrbaken und Flatterband (!) vollzogenen Sperrung, an der keine Umleitung ausgeschildert und auch keine sonstigen Hinweise ausgeschildert waren. Vor Ort waren ein paar Ordnungsamtsmitarbeiter, die dort wohl „Wache schoben“. Diese fragte ich freundlich, wie ich denn über die Brücke käme. Den Männern war das ganz offensichtlich ziemlich egal und erst nach weiterer Nachfrage teilten Herr Braun und Herr Westerhausen mir mit, „fahren sie doch da lang“ und deuteten Richtung südliche Auffahrt auf die Brücke. Diese ist -mit gutem Recht- mit VZ254 versehen und somit in diese (Gegen)Richtung für Radfahrer verboten. Vom möglichen Bußgeld (10.- Euro) abgesehen: die dortige Geisterfahrerei sorgte schon für einige verheerende Unfälle mit Toten und Schwerverletzten – das war hier schon öfters Thema, entsprechend eigentlich keine Option für mich. „Na, dann nehmen Sie halt die Zoobrücke“ war der sinnige Alternativvorschlag der beiden Herren. Einige Kilometer Umweg mitten in der Nacht, vielen Dank!

Sperrung für den Radverkehr

Sperrung für den Radverkehr

 

Gut, ich dachte mir meinen Teil und kam schon nach Hause. Am nächsten Tag war in Köln-Mülheim -wie angekündigt- ganz ordentlich Ramba Zamba: den ganzen Tag hörte man Sirenen und sah Konvois von Rettungsfahrzeugen, die die evakuierten Heimbewohner transportierten und so ziemlich jeden Anwohner akkustisch daran teilhaben ließen. Nun gut. Später am Nachmittag wurde die Bombe dann erfolgreich entschärft. Alles gut!

Nein, nicht alles gut, denn einen Tag später mußte ich wieder nachts über die Brücke und die Auffahrt war immernoch für Radfahrer gesperrt und -selbstverständlich- radelten alle (und das sind nicht wenige!) Radfahrer, die die Brücke passierten, fleißig über die Gegenseite und gefährdeten damit sich und andere – incl. der Option, ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit auferlegt zu bekommen. Umleitung oder Hinweise: weiterhin Fehlanzeige.

Am Freitag Morgen, den 29. Mai 2015 setze ich eine e-Mail an Ordnungsamt, Amt für Straßen und Verkehrstechnik, „Fahrradbeauftragten“ und Verkehrsdirektion der Polizei Köln auf:

ich gratuliere allen Beteiligten recht herzlich zur erfolgreichen Entschärfung der am Kuhweg gefundenen Weltkriegsbombe und zur reibungslosen Evakuierung der Anwohner. Besonders erfreulich empfand ich das Versprechen, den Verkehr über die Mülheimer Brücke bis kurz vor der Entschärfung fließen zu lassen, was im weitesten Sinne ja auch gut gelang.

Leider haben Sie hierbei allerdings den Fahrrad*verkehr* scheinbar völlig vergessen. Die einzige legale Möglichkeit, die Mülheimer Brücke vom Rheinradweg aus kommend radfahrend von links- nach rechtsrheinisch zu queren, nämlich über die Auffahrt am Kuhweg, war bereits am Tag vor der Entschärfung gesperrt und ist es heute, zwei Tage nach der Entschärfung, immer noch (siehe Foto). Ob der Umstände ist dies natürlich vollkommen verständlich, allerdings hätte hier wohl eine Umleitung ausgeschildert werden müssen, stattdessen gab und gibt es für den Radverkehr noch nicht einmal einen Hinweis. Quasi alle Radfahrer, die die Brücke nun queren wollen, nutzen derzeit den mit VZ254 für Radfahrer verbotenen Weg der Gegenrichtung, auf dem die Polizei (zu Recht und leider viel zu selten!) geisterfahrende Radfahrer sonst anhält und mit einem Bußgeld belegt. Einen legalen Weg über die Brücke zu finden ist selbst für Anwohner schwer, für Ortsunkundige ist es schlicht unmöglich (ich selbst habe aus diesem Grunde Ordnungswidrigkeiten begangen und die Brücke zweimal gegen die Fahrtrichtung passiert). Ich gehe davon aus, daß Ihnen die Unfallstatistik, die die Passage als außerordentliche Gefahrenstelle mit mehreren Toten und schwerverletzten Radfahrern belegt, bekannt ist.

Die Verkehrsdirektion der Polizei Köln weise ich hiermit auf die derzeitige dortige Gefahr für Radfahrer hin, mit der freundlichen Bitte um Verkehrsschau und entsprechenden professionellen Rat an die verantwortlichen Behörden.

Das Amt für Straßen und Verkehrstechnik und das Ordnungsamt fordere ich hiermit freundlichst auf, *umgehend* eine Umleitung auszuschildern und für eine *sichere* Radverkehrsführung zu sorgen.

Heute, Montag den 1. Juni 2015 habe ich dann auch eine Antwort bekommen, nämlich von Herrn Heribert Büth, Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Köln.  Herr Büth stellt klar: „Nach der Entschärfung und dem Abtransport des Bombenblindgängers ist das Amt für Straßen und Verkehrstechnik für diese Baustelle und die erforderlichen Beschilderungen zuständig. Ich leite diese Antwort daher im Cc auch an den zuständigen Kollegen weiter.“ Und dann hat der Büth auch noch den Tipp des Tages parat:

Privat kann ich Ihnen als passionierter Fahrradfahrer empfehlen, vorübergehend den Weg durch den ehemaligen Tivoli zum Rheinufer zu nehmen und auf der südlichen Seite der Mülheimer Brücke den Treppenaufgang mit provisorischer Fahrradführung zu benutzen, um auf den Fahrradweg in Richtung Mülheim zu kommen.

(Hervorhebung von mir) Na, da bin ich aber begeistert! Kurz zur Erläuterung, der Treppenaufgang sieht wie folgt aus und die „provisorische Fahrradführung“ ist ein 20cm Bordstein links oder rechts:

"Provisorische Radverkehrsführung"

„Provisorische Radverkehrsführung“

 

Natürlich, ich sehe gar kein Problem, ein Rennrad da hochzutragen, allerdings: mit meinem Trekkingrad sieht das durchaus schon anders aus. Und überhaupt: ich möchte Fahrrad fahren und nicht als Fußgänger unterwegs sein. Aber jemand, dessen Passion Fahrrad fahren ist, der muß es ja eigentlich wissen, oder? An Senioren mit 25kg schwerem E-Bike oder Mutti und Vati während des Kita-Streiks denkend, fragte ich Herrn Büth also „Erläutern Sie mir doch kurz, wie man Ihre Lösung mit Packtaschen und Kinderanhänger vollziehen soll, vielen Dank!“ Und Herr Büth ließ sich nicht lumpen:

da haben Sie Recht: Unter diesen Bedingungen hilft mein Tipp nicht weiter. Die Arbeit des Ordnungsamtes ist mit der Beseitigung der Gefahrensituation erledigt. Nun ist das Amt für Straßen und Verkehrstechnik am Zuge.

Na also, da haben wir’s! Schwarzer Peter abgegeben! Die anderen sind Schuld!

Selbstredend, die Brückenzufahrt ist heute, 1. Juni 2015, also 5 Tage nach der Entschärfung der Bombe immernoch gesperrt und getreu dem kölschen Motto „et hätt noch immer joot jejange“ habe ich keine weiteren Antworten bekommen, weder vom „Fahrradbeauftragten“, noch vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik oder der Polizei. Letzterer traue ich allerdings zu, daß sie nun mal ein paar Beamte auf die Brücke schickt. Da kann man grad gut Kasse machen!

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Tags: Allgemein · Baustellen · Fahrradbeauftragter · Mülheim · Mülheimer Brücke · Ordnungsamt · Polizei

8 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Tunichtgut // Jun 2, 2015 at 18:44

    das ist ärgerlich. Wenn man diesen Blog hier so ließt, scheint Köln alles Andere als eine fortschrittliche Verkehrspolitik zu betreiben.
    Im Falle der Radwegsabsperrung hätte ich wohl die Fahrbahn benutzt. Zumindest konnte ich bei Streetview keine Einschränkung (für Radfahrer gesperrte Fahrbahn) oder besondere Gefährdung (z.B. Freigabe für Tempo 70) erkennen.
    Aber bitte korrigiere mich, falls ich falsch liege (oder die Bilder bei Streetview veraltet sind).

  • 2 Marco // Jun 5, 2015 at 12:25

    „alles Andere als eine fortschrittliche Verkehrspolitik“ trifft es ganz gut. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Köln versucht Radverkehr zu behindern, wo es nur geht.

    Die Fahrbahn benutze ich in solchen Fällen üblicherweise selbstverstänbdlich auch, allerdings hätte ich dafür mehrere Kletterpartien über Leitplanke, etc. vollziehen müssen.

  • 3 Karl Kreidbaum // Jun 5, 2015 at 12:04

    Ich gebe Tunichtgut recht und möchte das Thema noch etwas vertiefen.
    Man muss unterscheiden zwischen expliziten Fahrbahnverboten und impliziten. Ein explizites hat man am Rheinufertunnel, wo es den Radfahrern durch ein Verbotsschild untersagt wird, die Fahrbahn zu benutzen. Ein implizites sind die Radwegbenutzungsschilder. Da der Radfahrer verpflichtet wird, den Radweg zu benutzen, kann er als Konsequenz (implizit) nicht die Fahrbahn benutzen.
    Das Aufstellen eines Schildes ist ein Verwaltungsakt und damit die Anordnung einer Benutzungspflicht für Radwege. Ein Verwaltungsakt kann durchaus nichtig sein. (§44 Verwaltungsverfahrensgesetz, Nichtigkeit des Verwaltungsaktes). Dort heißt es auszugsweise:

    (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

    4. den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
    5. der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
    6. der gegen die guten Sitten verstößt.

    Wenn ein Radweg durch zugeparkte Autos, Baustellen, oder, noch besser, Absperrungen, in einen Zustand gebracht wird, dass niemand den Verwaltungsakt der Radwegbenutzung ausführen kann, also seiner Radwegbenutzungspflicht nachkommen kann, dann entfällt die Voraussetzung der Radwegbenutzung für das Fahrbahnverbot und man kann getrost die Fahrbahn benutzen. Bemerkung: Bei geparkten Autos muss man bei nächster Gelegenheit wieder auf den Radweg, bei den anderen Hindernissen ist mir das nicht bekannt.
    Hey, man mache sich klar, was da passiert: Die Stadt Köln macht ihre Radwegbenutzungspflichten und damit ihre impliziten Fahrbahnverbote unwirksam und ist bereit, das auch so zu lassen – von sich aus und ganz ohne Zwang von außen!! Was will man mehr?
    Aus diesem Grunde habe ich mir längst abgewöhnt, die Behörden auf fehlerhaft beschilderte Baustellen hinzuweisen oder den „Parksündern“, die bereit sind, sogar eine Knolle zu riskieren, nur damit ich den Radweg nicht benutzen muss, das Leben schwer zu machen. Mit der Baustelle, die keine Radwegführung hat, ist der Radweg oft zu Ende (freu!!) und ich bleibe ab da auf der Fahrbahn. Bei Falschparkern fahre ich frühzeitig auf der Fahrbahn, da Spurwechsel von Radfahrern vom Radweg auf die Fahrbahn eine häufige Unfallursache sind, und das Risiko will ich natürlich vermeiden. 🙂

  • 4 Karl Kreidbaum // Jun 6, 2015 at 23:56

    Vielleicht interessant:
    http://www.bics.be.schule.de/son/verkehr/fahrrad/dokument/fhis009.htm

    Der Artiekel ist von 1900 (!) und beschreibt die Situation vorher. Z. B. war bis 1894 Radfahren in Köln verboten. Auch wenn man die Handhabungen und die Vorurteile liest, hat man irgendwie ein Déjà-vu.

  • 5 Radfahrer // Jun 9, 2015 at 12:22

    Einfach mal nachts ins unsichtbare Flatterband hineinradeln und dann Strafanzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gegen das zuständige Amt. Wetten, dass die Sperrung im Nullkommanichts beseitigt ist?

  • 6 Marco // Jun 9, 2015 at 12:36

    @Jens: genau das habe ich schonmal gemacht: http://www.radfahren-in-koeln.de/2012/10/11/seil-uber-radweg-gespannt/
    Verfahren ist eingestellt worden …

  • 7 Timovic // Jun 9, 2015 at 18:24

    Wo steht da denn auf dem Foto eigentlich, dass der Weg gesperrt ist? Das Flatterband kann ja schließlich nur ein Laie montiert haben und das offensichtlich von einem LKW gefallene Ding auf der Fahrbahn verbietet ja nicht die Durchfahrt.

  • 8 Marco // Jun 10, 2015 at 10:23

    Die Sperrbaken stehen auf dem Radweg. Ein paar Meter weiter ist tatsächlich physikalisch komplett kein Durchkommen mehr gewesen.

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