Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Polizei: „Was machen sie hier?“

März 26th, 2011 · 14 Kommentare

Ich empfand es heute schon als denkwürdigen Tag, als sich dann zur ersten Critical Mass in der „Fahrrad-Saison“ (obwohl: einige ganz hartgesottene sind ja selbst im Winter bei Minusgraden regelmäßig gefahren!) doch wesentlich mehr Radfahrer als sonst am Rudolfplatz zu einer netten Runde durch die Kölner Innenstadt eintrafen. Der neue Treffpunkt tat der Sache sicherlich gut und ich denke, es hatte „sich rumgesprochen“, dass etwas im Gange ist und es einige Menschen in unserer schönen Stadt gibt, die Zeichen setzen wollen …

Die Critical Mass im März hätte einen längeren, ausführlich bebilderten Artikel verdient, aber da ich weiß, dass ich das in den nächsten Tagen zeitmäßig nicht leisten kann, müssen nun ein paar abendliche Gedanken reichen. Ich bin mir sicher, meine Freunde von den Nachbarblogs werden Euch auch noch bestens informieren.

Das Prinzip der Critical Mass will ich heute nicht mehr erklären, das habe ich in der Vergangenheit schon öfters getan. Für die seit heute Nachmittag verzweifelt Google durchforstenden Kölner Polizisten: der Wikipedia-Artikel ist ganz gut.

Wir starteten also am Rudolfplatz und fuhren in angepaßter Geschwindigkeit die Ringe runter Richtung Ebertplatz. Es ergaben sich nette Gespräche, Menschen winkten uns zu, ein paar hupten uns freundlich an. Wir fuhren als geschlossener Verband (vgl. StVO §27) und die, die vorne fuhren, bestimmten den Weg.

Soweit, so gut, so friedlich, so sicher, so schön. Irgendwann tauchte ein Polizei-Motorrad auf, das uns wohl zunächst von hinten eskortierte und dann überholte. Der Fahrer warf mir und einigen anderen vor, wir wären bei „rot“ über die Ampel gefahren – was so nicht stimmte, denn schließlich gilt der geschlossene Verband als ein Fahrzeug, d.h. fährt der Anfang bei „grün“, gilt dies für die komplette Gruppe, auch wenn die Ampel umspringt. Das war nicht der einzige Sachverhalt, der von Polizisten am heutigen Tage nicht ganz verstanden wurde. Die Polizei wurde mehr, es gab zunehmend Blaulicht und ein paar mal Sirenen und schließlich wurden wir von einem Polizei PKW gestoppt mit den Worten: „Was machen sie hier?

Fahrrad fahren!

Das war die einfache und entwaffnende Antwort auf diese suggestive Frage, die sich so nach Verbrechen und Illegalität anhört – oder zumindest nach ungehorsam und anders sein. „Wer ist ihr Anführer?“ wurden wir gefragt und „Wo wollen sie hin?“ und außerdem „Wogegen protestieren Sie? Gegen Atom?„. Alles Fragen, die man nicht so einfach beantworten kann, wenn es keinen „Anführer“ gibt und einfach diejenigen, die vorne fahren, den Weg bestimmen. Ja, es gab Sprechchöre! Die gingen z.B. „Köln autofrei, wir sind dabei!“ Ja, jemand hatte ein „Atomkraft? nein Danke!“ Schild in seinem Fahrradkorb liegen! Ich hab heute 3 Autos hintereinander gesehen, die hatten Aufkleber hinten drauf: „AKW? Nee!“ Sofort anhalten, würd ich sagen! Und fragen, ob das ne Demo ist! Und im Stau auf der Zoobrücke mal an die Fenster klopfen und fragen, wer der Anführer ist – da hätte ich auch mal Lust zu!

Mittlerweile hatte die Stärke der Polizei etwas von Problemfußballspiel, ich zählte 7-8 Fahrzeuge und um die 18 Polizisten, außerdem einen auf dem Mountainbike. Und ganz ehrlich: die dann folgende Diskussion hat den nachfolgenden Verkehr wesentlich mehr gestört, als unsere kleine Radtour: Vollsperrung auf der Nord-Süd-Fahrt!

Nachdem der wortführende Polizist anfangs noch meinte, wir würden „den Verkehr stören“ (was die verkehrsrechtlich Versierten aus unseren Reihen selbstverständlich direkt widerlegen konnten), wollte man uns schließlich zu „unserer Sicherheit, damit niemandem etwas passiert“ eskortieren. Meine Anfrage, ob man mich später „zu meiner Sicherheit“ auch nach Hause eskortieren könne, wurde leider abschlägig beschieden.

Die Polizei wollte uns nun „sicher zur Domplatte“ geleiten, wir sollten ihnen hinterherfahren, dort könnten wir unsere „Kundgebung“ halten. Das Problem war: es wollte Niemand zur Domplatte und es wollte auch Niemand eine Kundgebung halten! Ich glaube, auf der Domplatte darf man noch nicht mal Fahrrad fahren! Und eigentlich wollten wir auch gar nicht der Polizei hinterherfahren und von denen „beschützt“ werden. Wir luden schließlich den Fahrradpolizisten ein, er könne ja voraus fahren und damit den Weg bestimmen, damit es endlich weiterginge …

„Neumarkt“ gaben wir den Polizisten als Ziel an und es wurde staatstragend grotesk. Ein gefühlter Aufwand wie zuletzt beim Papstbesuch, was die Sperrung der Seitenstraßen angeht und wir wurden gar mehrmals wie Hooligans gefilmt! Kann ja sein, dass einer seine Fahrradklingel als Wurfgeschoß verwendet. Mein Gott, war das alles lustig! Und wir mußten bei „rot“ über die Ampel fahren, obwohl wir das gar nicht wollten!

Wir fuhren dann noch die Ringe bis in die Südstadt, drehten am Chlodwigplatz und dann ging es zurück zum Rudolfplatz. Wir wußten, „heute haben wir uns ein Stück Straße zurück geholt„. Ein schöner Tag!

Der Fahrradpolizist gesellte sich noch zu uns (verbliebenen Fahrradbloggern) und wir unterhielten uns gut 20 Minuten mit ihm über Radverkehr und die Themen, die wir in unseren Fahrradblogs so behandeln und er hatte wirklich ganz gute Ansichten und Ansätze – auch wenn ich trotzdem sicher bin, dass er den Sinn einer Critical Mass nicht so ganz verstanden hat. Bezeichnend: sein Kollege, der aus dem uns immer noch observierenden Mannschaftswagen kam, um ihn zu fragen „Alles in Ordnung?„, als er da so bei uns verharrte. Bei den Verrückten Verkehrsteilnehmern. Ich guck gleich mal, ob noch einer vor meiner Haustür steht. Kann ja sein!

Die nächste Critical Mass ist am 29. April 2011!

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Tags: Critical Mass · Innenstadt · Kölner Stadtteile · Polizei

14 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Michael Andres // Mrz 26, 2011 at 09:24

    Was fü eine schöne Beschreibung einer vollkommen harmlosen und zur Groteske geführten Fahrradfahrt.
    Danke dafür.

    Allzeit gute Fahrt,
    der Micha

  • 2 wolfgang // Mrz 26, 2011 at 09:55

    Heeerlich! Und ich habs mal wieder verpasst… Mist. Aber die Beschreibung ist ganz besonders großartig. Danke.

    Wir sind Verkehr.
    Wolfgang

  • 3 hubertus // Mrz 26, 2011 at 14:42

    Das war so schön, freue mich schon auf die nächste „mass“. Ich denke, solche events tragen auch dazu bei, dass wir alle ein Stück mehr Selbstbewusstsein in in unseren täglichen Wegen durch den Auto-Terror bekommen. Ab und zu mal „Ellbogen“ raus muss sein. Ich bin mal gespannt, ob die Eskorte Ende April schon am Hahnentor auf uns wartet …
    Und hoffentlich sind wir dann doppelt soviel. Gute Fahrt wünscht
    hubertus

  • 4 Kai // Mrz 26, 2011 at 15:20

    Mit dem „Anführer“ hat der Polizist insofern vielleicht recht, weil ein geschlossener Verband nach StVO je nach Rechtsauffassung einen Führer braucht. Aber ich glaube ich nicht, dass er das gemeint hat.

    Bei uns in Dortmund waren es vor zwei Wochen ähnlich viele Teilnehmer, aber die Polizei ist bisher völlig entspannt. Unsere nächste CM ist am 9.4., kommt vorbei!

  • 5 Hans // Mrz 26, 2011 at 15:31

    Sehr schöne Beschreibung! Leider hat es bei mir aus Termingründen wieder nicht geklappt, aber früher oder später fahre ich ebenfalls mal mit.

  • 6 Beltane // Mrz 26, 2011 at 21:54

    Der Ruf eilt Vorraus!
    Waren es nicht beim letzten Mal „nur“ rund 15 Personen?
    Dein Artikel ist mal wieder herzerfrischend köstlich geschrieben und hat hier heute in geselliger Familienrunde die ein oder andere Person zum Schmunzeln gebracht – und das ist überhaupt nicht leicht….. die Fahren alle nur Auto. Du kannst Dir sicher Vorstellen wie heiß die Diskussionen dann wieder wurden….

    Werde – auch im Sinne der Werbetrommel und so weiter – diesen gerne noch in einem Post in meinem „allgemeinen“ Blog verlinken, Einverständnis vorrausgesetzt!?!

    Liebe Grüße, auch von Holger,
    Kati

    P.S.: Schon die „Sülztalrundfahrt“ auf dem Schirm?

  • 7 Wir sind Verkehrsteilnehmer! Critical Mass in Köln « Alltag eines Radfahrers // Mrz 26, 2011 at 23:53

    […] Es gibt Fahrradfahrer! Wir sind Verkehrsteilnehmer! Marco hat in seinem Blog jetzt eine schöne Schilderung des gestrigen Ereignisses verfasst – sehr […]

  • 8 Ulrike // Mrz 28, 2011 at 08:18

    Echt grotesk, aber sehr schön zum Lesen. Danke dafür!
    Echt so schade, dass es hier in N sowas überhaupt nicht gibt. Ich wär sofort dabei.

  • 9 Ulrike // Mrz 28, 2011 at 08:19

    Schade, ich hab vergessen, noch ein 3. „echt“ in meinem Kommentar unterzubringen… 😉

  • 10 radgefahren » Wir sind der Verkehr! - Radgefahren - Rad gefahren - abgefahren // Mrz 28, 2011 at 18:31

    […] Marcos Beitrag […]

  • 11 Christoph // Mrz 31, 2011 at 18:10

    Sehr schöner und was die Polizei angeht amüsanter Beitrag. Das klingt ja nach einer wirklich gelungener CM. Das macht Lust auf mehr! Vielleicht werden es beim nächsten Mal noch mehr Menschen. Ich hab’s mir auf jeden Fall in den Kalender geschrieben!

  • 12 Die rollende Demo… « Beltanes Blog // Mrz 31, 2011 at 21:30

    […] Marco und Arne haben die CM März 2011 wunderbar und köstlich dokumentiert. […]

  • 13 Tuttle // Apr 4, 2011 at 18:33

    Schöner Bericht. Bin nächstes Mal auch dabei.

    Der Link zur CMC-Webseite ist fehlerhaft.

  • 14 Kölner Polizei wertet Fahrradtour als Straftat! // Sep 25, 2015 at 10:52

    […] habe ich auch in diesem Blog dann und wann berichtet, z.B. hier („Die Superbullen“) und hier („Was machen sie hier?“). Diese unschönen Erlebnisse mit der Polizei waren schon eine Weile her, hatten sich am Ende (in […]

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