Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Bitte belästigen Sie uns nicht weiter!

Juli 14th, 2016 · 12 Kommentare

Wurde früher, d.h. noch vor ein paar Jahren, über quasi alle Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern auf velo2010.de (das „Bündnis für sicheren Radverkehr“ unter Führung der Polizei – mittlerweile eingestellt) berichtet, ist es derzeit nicht so einfach, sich einen Überblick über Unfälle und Gefahrenstellen zu verschaffen. Lediglich schwere Unfälle schaffen es in die Pressemitteilungen der Polizei Köln, oft genug nicht ohne Hinweis auf einen fehlenden Helm, Licht oder anderes suggestives Victimblaming. In journalistischer Tätigkeit für einen Radverkehrsblog ist der Blick in diese Pressemitteilungen von Zeit zu Zeit also durchaus sinnvoll. Und wie das so ist, mit Pressemitteilungen, gibt es eine Kontaktmöglichkeit, falls man Rückfragen hat.

In der letzten Woche, am Mittwoch, den 6. Juli 2016, gab es zwei schwere Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern, die in dieser Pressemitteilung Erwähnung fanden. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf den zweiten Unfall, der sich an der Kreuzung Ebertplatz/Turiner Straße ereignete. Im Pressetext heißt es:

Am Ebertplatz in der Innenstadt kam es um 21.15 Uhr zu einem weiteren Unfall mit Radfahrerbeteiligung. Hier bog ein Senior (65) mit seinem Pkw vom Ebertplatz in die Turiner Straße in Fahrtrichtung Hauptbahnhof ab. Zeitgleich beabsichtigte eine zunächst parallel fahrende 29-jährige Radlerin, die Turiner Straße auf dem Radweg zu queren. Sie konnte nicht mehr rechtzeitig abbremsen und stürzte, ohne dass es zur Kollision gekommen war.

Ein klassischer Rechtsabbiegerunfall also, soweit so gut. Allerdings: ich kenne diese Ecke sehr gut, sie war mir schon seit jeher ein Dorn im Auge, denn der (benutzungspflichtige) „Radweg“ wird ein paar Meter vor der Kreuzung (an der viele Kfz nach rechts abbiegen) weit nach rechts, am Eingang zur U-Bahn vorbei, aus dem Sichtfeld der Kraftfahrer verschwenkt, weswegen ich ihn selbstverständlich auch nie benutze. Was Lieschen Müller aber leider meist trotzdem tut – ist ja angeordnet, muss ja sicher sein.

Hier die Szene bei Google Streetview, wo die Radfahrerin aus dem Sichtbereich geführt wurde –absichtlich, möchte man sagen- was dann nach ein paar Metern an der Kreuzung schlicht zur Todesfalle wird. Ich selbst habe diversen Verantwortlichen bei der Stadt Köln diesen Umstand in den vergangenenen Jahren bereits mehrfach aufgezeigt, „natürlich“, wie in den meisten Fällen, ohne jede Reaktion – der MIV könnte ja behindert werden. Was ich bis dahin allerdings noch nicht wußte: es gibt sogar einen Beschluß der Bezirksvertretung (BV), also des Lokalparlaments, vom März 2014, also von vor über 2 Jahren, der die Stadtverwaltung auffordert, den Radverkehr hier (per Schutzstreifen)  über die Fahrbahn zu führen. Zu finden ist das hier, es wurde einstimmig beschlossen: „Die Verwaltung wird beauftragt, im Rahmen der Ummarkierungen am Ebertplatz/Turiner Str. einen Schutzstreifen für den Radverkehr auf der Fahrbahn vorzusehen und den Radverkehr auf der Fahrbahn zu führen.“ Den GRÜNEN in der Bezirksvertretung nach „weigert sich die zuständige Abteilung in der Verwaltung, diesen Beschluss umzusetzen„.

„Was hat die Polizei damit zu tun?“ mag man sich fragen. Durchaus einiges, denn gemäß Verwaltungsverordnung zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) ist jeder Polizist „bei jeder sich bietenden Gelegenheit“ verpflichtet, eine Radverkehrsanlage auf Zweckmäßigkeit und Zustand hin zu überwachen. Im Wortlaut liest sich das in der VwV-StVO zu §2 so:

Die Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaubehörde sowie die Polizei sind gehalten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Radverkehrsanlagen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen und den Zustand der Sonderwege zu überwachen. Erforderlichenfalls sind von der Straßenverkehrsbehörde sowie der Polizei bauliche Maßnahmen bei der Straßenbaubehörde anzuregen.

Heißt auf deutsch: „die Polizei teilt der Stadtverwaltung mit, wenn ihr unzweckmäßige oder in schlechtem Zustand befindliche Radwege auffallen und regt bauliche Maßnahmen an“. Ich glaube kaum, daß ich falsch liege, wenn ich vermute, daß der „Radweg“, an dem die Frau verunfallte, alleine durch seine Führung (die wider jegliche Verordnungen und Regelwerke ist) als „unzweckmäßig“ bezeichne. Wer sich mit Straßenverkehr und besonders Radverkehr in Köln beschäftigt, mag jedoch kaum glauben, daß die Polizei auf diese Unzweckmäßigkeiten hinweist oder anders tätig wird. Deswegen habe ich im Frühjahr 2015, beim „Fahrradaktionstag“ der Polizei und der Stadt Köln auf dem Neumarkt mal nachgefragt, ob solche Verkehrsschauen tatsächlich stattfinden und der Polizeipräsident a.D., Wolfgang Albers, sprach mir und den anderen Journalisten ins Mikrofon: „Selbstverständlich!“, das wäre die „tägliche Arbeit“ der Beamten! Na dann!

Wenn das also zur „täglichen Arbeit“ der Beamten gehört, dann wird die Aufnahme eines Unfalls mit einer schwer verletzten Radfahrerin, mit Sicherheit zu „jeder sich bietenden Gelegenheit die Radverkehrsanlagen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen“ gehören. In diesem Sinne habe ich -wie in der Pressemitteilung ja auch angeboten wird- am 13. Juli 2016 eine Rückfrage gestellt, wie ich es in der Vergangenheit schon ein paar mal zu ähnlichen Unfällen gemacht habe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe eine Frage zum in der PM unter

http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12415/3372780 beschriebenen Unfall zwischen einem rechtsabbiegenden Kraftfahrer und einer auf dem dortigen „Radweg“ geradeausfahrenden Radfahrerin, vom 6.7.2016 am Ebertplatz, Kreuzung Turiner Straße:

Haben die den Unfall aufnehmenden Beamten, die sich bei dieser Situation bietende Gelegenheit genutzt, den „Radweg“ gemäß VwV-StVO zu §2 und 45.9 zu überprüfen, wie es ihre Pflicht und „tägliche Arbeit“ (PP a.D Albers am letztjägrigen „Fahrradaktionstag“ gegenüber Pressevertretern) ist?

Was ist das Ergebnis dieser Untersuchung?

Wurde insbesondere die Stadtverwaltung über Verkehrsführungen, die ERA2010, der StVO, der VwVO-StVO oder anderen Regelwerken widersprechen, informiert? Was waren hierbei die Empfehlungen an die Stadtverwaltung?

Ich bitte freundlichst um Mitteilung.

Mit freundlichen Grüßen,

Marco Laufenberg

Obwohl die Polizei (im Gegensatz zur Stadtverwaltung oder gar dem „Fahrradbeauftragten“) üblicherweise tatsächlich antwortet, gabe es zu ähnlichen Rückfragen (ich habe 3-4 gestellt) entweder keine konkrete Antwort, Ausflüchte oder in einem Fall überhaupt keine Antwort, dafür aber wurde aber nach meiner Rückfrage die Benutzungspflicht eines „Radweges“ (an der Maybachstraße, Nähe Mediapark) plötzlich, still und heimlich aufgehoben. Ganz ohne daß der „Fahrradbeauftragte“ eine Pressemitteilung herausgegeben oder ein selbst gebautes Verkehrsschild eingeweiht hätte.

Zum aktuellen Fall kam die Antwort von Markus Hoppe aus der Direktion Verkehr der Polizei Köln, Führungsstelle / FüSt 4 wirklich sehr schnell, nämlich heute morgen und fand deutliche Worte:

Sehr geehrter Herr Laufenberg,

Ihre wiederholten Anfragen zur Radwegführung an einer bestimmten Örtlichkeit und dem Zustand des Radwegenetzes in Köln an sich, sind der Straßenverkehrsbehörde bekannt.

Ich bitte Sie, Fragen diesbezüglich in Zukunft an die Straßenverkehrsbehörde zu richten.

Nun ja, wenn mir jemand so deutlich sagt, „Sie gehen uns gewaltig auf den Sack!„, dann scheine ich wohl in ein Wespennest gestochen zu haben und irgendetwas richtig zu machen. Ich kann anderen Bürgern nur raten, dann und wann mal bei ihrem Freund und Helfer nachzufragen, ob er seinen Pflichten nachkommt. Das geht einfach, günstig und schnell per e-Mail.

Das Motto der Polizei in Köln und NRW lautet übrigens:
professionell – bürgerorientiert – rechtsstaatlich

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Tags: Innenstadt · Kommunikation · Polizei · Radwege

12 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Jupp // Jul 14, 2016 at 10:52

    Ist es nicht Köln, dass keine regelmäßigen Verkehrsschauen durchführt, weil das bei den täglichen Streifenfahrten gleich mit erledigt wird? So ist die Antwort des Polizeioberen zu verstehen. Schauen findet nicht statt, es gibt keine Protokolle oder Termine dazu, da das in die tägliche Polizeiarbeit integriert ist.
    Dass es nicht funktioniert steht auf einem anderen Blatt. Leider hat die entsprechende Verordnung ein Schlupfloch für die Verwaltung, das genau das ermöglicht. Vom Tiger zum Bettvorleger mit einem Nachsatz. Wie so oft.

  • 2 Rainer F. // Jul 14, 2016 at 11:57

    Da bekommen in Köln wohl nicht nur Teile der Verwaltung das Rekersche Schmerzensgeld.
    Man könnte ja drüber lachen, wenn nicht die Untätigkeitsbeweise für manchen so tragisch wären.

  • 3 Ralf // Jul 14, 2016 at 13:21

    Da ist die Radfahrerin aber laut Pressemitteilung selbst Schuld, denn da steht: „Sie konnte nicht mehr rechtzeitig abbremsen und stürzte“

    Bei einem klassischen Rechtsabbiegeunfall bei dem der Radfahrer gerade aus will und der Autofahrer abbiegt, müsste es sich so lesen: Der Senior nahm der Radfahrerin die Vorfahrt und brachte sie dadurch zum Sturz. Es wurde ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet.

  • 4 Peter Zapp // Jul 14, 2016 at 16:43

    Radfahrerfreundliche Pressemittteilung:

    Die seit Jahren verschleppte Umsetzung eines Beschlusses der Bezirksvertretung führte zu einem (weiteren) Unfall, bei dem ein rechtsabbiegender Autofahrer einer von einem nicht einsehbaren Radweg kommenden Radfahrerin die Vorfahrt nahm. Die Radfahrerin konnte eine Kollision vermeiden, stürzte jedoch beim Versuch zu bremsen und auszuweichen.

    Die Verkehrsführung animiert zum zügigen Autofahren und Abbiegen. Die Radfahrer wurden aus dem Weg, aus dem Sichtfeld und aus dem Sinn geschafft. Anscheinend sind die Ampeln für Autos, Fußgänger und Radfahrer gleich geschaltet. Es fehlt jedoch die sonst übliche Warnblinkleuchte für Rechtsabbieger.

  • 5 Timovic // Jul 14, 2016 at 20:12

    Ist ja wunderschön, dass der StVB die Situationen bekannt sind, dann kann man ja mal die ein oder andere Untätigkeitsklage anstoßen.

  • 6 Peter Zapp // Jul 15, 2016 at 12:59

    Man lese die Pressemittteilung so, wie von der Polizei beabsichtigt. Der Autofahrer war alt, die Radfahrerin unfähig zu bremsen.

  • 7 Henning // Jul 15, 2016 at 17:23

    Dreister geht es wohl kaum als in dieser Antwort.
    Wenn es der StVB wirklich bekannt ist, dann können sie einem ja bestimmt erklären, warum absolut nix passiert…

  • 8 HC Edelmann // Jul 17, 2016 at 17:21

    Auch auf einem Schutzstreifen kann man übersehen werden. Erst recht, wenn sich an der Ampel der Autoverkehr staut und man als Radfahrer von hinten angefahren kommt. Man hat dann sogar oft noch weniger Ausweichmöglichkeit im Falle eines Übersehenwerdens durch einen PKW Abbieger, da man rechts meist weniger Platz hat.
    Völlig unzureichend sind die gemalten weißen Strichellinien über die Kreuzung als Kenntlichmachung der Radverkehrsführung. In Kopenhagen ist dieser Bereich wenigstens eingefärbt. Oder wie in NL könnte man dort eine geschützte Kreuzung anlegen mit eingelagerten Inseln in den Kurven die auch die Geschwindigkeit der abbiegenden PKWs ausbremsen.
    Es gibt genug Autospuren, man könnte mit einer extra Phase alle Rechtsabbieger komplett vom Geradeaus-Verkehr trennen, dann sind solche Unfälle unmöglich. Rundum Grün mit einer extra Phase für Radfahrer und Fußgänger geht natürlich auch. Nur leider verliert der Autoverkehr dann geringfügig an Durchfluß und das ist in einem Land wo alles auf den Autoverkehr optimiert ist schwer durchzusetzen. Hier in Deutschland sollte man endlich mal das Leben und die Gesundheit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer höher ansetzen als den Verkehrsfluss des Autoverkehrs.

  • 9 siggi // Jul 17, 2016 at 20:40

    @HC Edelmann
    Um Rechtsabbieger von Geradeausfahrern zu trennen braucht man keine extra Phase.
    Da reicht ne ganz normale Strasse ohne Radverkehrsanlagen und schon haben Radfahrer diese Probleme nicht mehr.
    http://siggis-seiten.de/a/Prinzip_Radweg.htm

  • 10 DirkH // Jul 18, 2016 at 10:33

    Und es fehlt noch der erste Teil der Meldung in dem ein weiterer Unfall beschrieben wird und die Presseabteilung sich genötigt sieht auf ein Fehlverhalten des Radfahrers ausdrücklich hinzuweisen…

    Merkt die Polizei dass sie sich lächerlich macht?

  • 11 BadenRadler // Jul 24, 2016 at 14:32

    @HC Edelmann: „[…] Völlig unzureichend sind die gemalten weißen Strichellinien über die Kreuzung als Kenntlichmachung der Radverkehrsführung. In Kopenhagen ist dieser Bereich wenigstens eingefärbt. […]“
    Leider sind diese farbigen Markierungen bei Nässe sehr rutschig und somit insbesondere für Zweiradfahrer eine erhebliche Gefährdung.

  • 12 Freizeitradler // Jul 27, 2016 at 06:03

    Kann man die Antwort der Polizei nicht auch so interpretieren, dass es denen gewaltig auf den Sack geht, wenn durch Mitteilungen an die Verwaltung aufgrund der Verkehrsschau Missstände aufgezeigt werden und dann jahrelang nix passiert? Kann mir kaum vorstellen, dass die Rennleitung gerne häufig solche Unfälle mit Schwerverletzten aufnimmt. Das hieße dann wiederum, dass Frau Reker in das Wespennest gestochen hätte. Oder?

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