Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Fahrradfahrer sind Finsterlinge!

Dezember 8th, 2015 · 29 Kommentare

So richtig in Erscheinung getreten ist der Nachfolger von Helmut Simon, der neue Leiter der Verkehrsdirektion der Kölner Polizei, Martin Lotz, noch nicht. Während Herr Simons Steckenpferd, den Radverkehr sicher zu machen, „Helm“ hieß (er hat sogar seine eigene Tochter hierfür als „Model“ (mit einem Reiterhelm auf!) benutzt), setzt Herr Lotz -passend zur „dunklen Jahreszeit“- erstmal auf „Licht“ und „keine dunkle Kleidung“.

In diesem Sinne gibt es morgen früh, um 7:15 Uhr, die „Aktion Finsterlinge“, zu der die Kölner Polizei per Pressemitteilung nach Köln-Weiden vor ein Gymnasium einlädt. „Ziel der Aktion ‚Finsterlinge'“ sei es, „die Zahl der Unfälle unter Beteiligung von Radfahrern zu reduzieren.“ Es hätten „in diesem Jahr bislang 15 Radfahrer (14 leichte -, 1 schwere -) Verletzungen allein bei solchen Unfällen erlitten, bei denen technische Mängel am Rad wie z.B. fehlende Beleuchtung zumindest mitursächlich waren.“

Natürlich, es ist richtig und wichtig, auf eine vernünftige Beleuchtung hinzuweisen (noch wichtiger: diese dann auch richtig einzustellen, Stichwort „Blenden des Gegenverkehrs“). Das mache ich bei Leuten, mit denen ich zusammen Rad fahre, z.B. bei der Critical Mass, auch. Ich habe sogar öfters ein oder zwei Ersatzklemmlichter dabei, die ich ggf. verleihe. Herr Lotz geht aber noch einen Schritt weiter, indem er klar stellt „dringend empfehle ich auch Kleidung, die die Sichtbarkeit verbessert.

Soso, der Leiter der Verkehrsdirektion (ich weiß (noch) nicht, was seine bevorzugten und regelmäßigen Verkehrsmittel sind und was er so an Erfahrung auf dem Fahrrad hat) gibt also Empfehlungen für Radfahrer ab. So erklären sich dann vermutlich Pressemitteilungen wie diese hier, bei der es um einen Unfall geht, bei dem ein Senior als Fußgänger von einem Kfz angefahren wurde und „schwere Verletzungen“ erlitt. In der Mitteilung heißt es, daß „der dunkel gekleidete Fußgänger“ die Fahrbahnseite wechselte und „Aufgrund der Dunkelheit erkannte der Autofahrer den Senior zu spät und stieß mit ihm zusammen„. Die Dunkelheit war also wohl Schuld an diesem Unfall und es wird suggeriert, daß auch die dunkle Kleidung maßgeblich an dem Unfall beteiligt ist. Andere Umstände, die den Unfall vielleicht hätten vermeiden können, mir fällt da spontan „an die Sichtverhältnisse (Dunkelheit) angepasste Geschwindigkeit“ ein, werden scheinbar gar nicht in Betracht gezogen. Man bedenke: solch eine Pressemitteilung wird von -ohne irgendetwas infrage stellenden- Redakteuren der Lokalpresse multipliziert und somit suggeriert: dunkel gekleidet = selbst Schuld! Die dunkle Seite der Macht!

Ich hatte mir dann die Mühe gemacht und folgende Rückfrage an die Pressestelle der Kölner Polizei aufgesetzt:

Sehr geehrte Damen und Herren:

in Ihrer Pressemitteilung unter http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12415/3177261 schreiben Sie zu dem Unfall, bei dem ein Fußgänger von einem PKW angefahren wurde:

„Aufgrund der Dunkelheit erkannte der Autofahrer den Senior zu spät und stieß mit ihm zusammen.“

Ohne den genauen Unfallhergang zu kennen, möchte ich gerne wissen, inwiefern hier tatsächlich die „Dunkelheit“ für den Unfallhergang ursächlich ist, damit verbunden auch die in der Mitteilung besonders erwähnte „dunkle Kleidung“ des Seniors, nicht aber die Regeln der StVO §3.1, in der es heißt:

„Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen“ und „Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann“.

Ich freue mich über Ihre Erläuterung,

mit freundlichen Grüßen,

Marco Laufenberg

Eine Antwort auf mein Schreiben habe ich -selbstverständlich- nicht bekommen.

Keine Frage, ich möchte nicht zum Ausdruck bringen, daß es nicht gut oder gar unsinnig sei, sich als Radfahrer im Straßenverkehr sichtbar zu machen. Was mir hier aber fehlt, ist überhaupt das Verständnis seitens der Polizei, daß es nicht „von Gott gegeben“ ist, daß Kraftfahrzeuge permanent mit Höchstgeschwindigkeit+x durch die Gegend brettern dürfen, eben auch bei schlechten Sichtverhältnissen, wie „Dunkelheit“, und die schwächeren Verkehrsteilnehmer sich halt grell machen müssen. Selbst das funktioniert nämlich äußerst bescheiden, anders ist es kaum zu erklären, daß ich als Vielradfahrer, 2 Meter groß und leuchtend und reflektierend wie ein Weihnachtsbaum, mehrmals täglich „übersehen“ werde. Eigentlich egal, ob es hell oder dunkel ist und der Unterschied zu einer unbeleuchteten Schleichfahrt wird wohl tatsächlich eher marginal sein. Mir ist es jedenfalls noch nie aufgefallen, daß die Polizei zu einer Veranstaltung einlädt, die den Titel trägt „Angepasste Geschwindigkeit – die Höchstgeschwindigkeit sollte im Dunkeln geringer sein“ oder „Wie man den Rosa Elefanten nicht übersieht – Hilfestellung bei der Wahrnehmung schwächerer Verkehrsteilnehmer„.

Mir fällt dazu eigentlich nur ein Artikel aus dem hoch geschätzten Postillon ein, schon was älter, aber er trifft es ziemlich gut: „Warnwestenpflicht für Rehe und Hirsche soll Zahl der Wildunfälle reduzieren„.

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Tags: Allgemein · Polizei

29 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Jochen G. // Dez 9, 2015 at 10:52

    Hach ja, das ewigneue alte, oder ewigalte neue?, Trauerspiel der kognitiven Dissonanz = einseitigen und von Vorurteilen gesteuerter Wahrnehmung. Egal wie gering diese „Mitursächlichkeit“ für das Zustandenkommens eines Verkehrsunfalls auch ist, der/die/das Schwäche Teil ist immer insofern schuldiger, als die Hauptschuld in solchen Meldungen und Aktionismen dann erstmal, oder gar komplett unerwähnt bleiben.

    Polizeipolitiklogik als (endlos) verlängerter Arm der milliardenschweren Autoindustriemafi..ähm..lobby, wonach Autos vielviiieeeel wichtiger für uns alle sind, als … egal was, solange es nur kein Automobil ist.

    Dazu passt dann ja auch, was dieser Richter am VG Münster in der kürzlich stattgefundenen mündlichen Verhandlung als Begründung für seine ablehnende Haltung bzgl. einer speziellen Radwegbenutzungspflicht geäußert hat: Da der Kläger sich aufgrund seiner Erfahrung und seines fahrerischen Könnens offensichtlich sicher auf dem zur Frage stehendem Radweg bewegen kann … ist ja alles in Ordnung. Genau! Und direkt gar gar nicht erst über die vielen Tausend anderen Benutzer auch nur ansatzweise nachdenken.
    Das passt dann wieder zu der Äußerung die ein Uniformierter Beamter in Unna getan hat: „Da Nichts passiert ist, kann das Auto sie gar nicht zu eng überholt haben“.

    Und so werden wir auch den nächsten Opfer des offensichtlich staatlich gewollten Versagens, wahlweise auf Grabstein oder aber Genesungswunschkarte, schriftlich mitteilen, daß sie halt einfach noch nicht genug Erfahrung und Können vorweisen konnten, um sich im Verkehrsraum xy sicher zu bewegen. Da haben sie halt Pech gehabt.

    Meine Politikerverdrossenheit ist schon lange nicht mehr alleine. Zu ihr hat sich eine Polizei-, Gerichts-, und Qualitätsmedienverdrossenheit gesellt.

  • 2 Ralf // Dez 9, 2015 at 11:02

    Einen Monat nach dem Postillon-Artikel:
    http://www.haz.de/Nachrichten/Wissen/Uebersicht/In-Finnland-leuchten-die-Rentiere

  • 3 Alex // Dez 9, 2015 at 14:05

    Die Unfallforschung der Versicherer schließt die Aufbereitung der erschreckenden Ergebnisse ihrer Geschwindigkeitsmessungen in Köln u.a. mit der Folgerung nach einer „Öffentlichkeitsarbeit zu §3 StVO“.

    http://udv.de/de/publikationen/praesentationen/geschwindigkeitsmessungen-koeln

    Es passiert: Das Gegenteil.
    Das kommt schon einer Kapitulation gleich.

  • 4 Peter Zapp // Dez 9, 2015 at 15:25

    Als Fahrradaktivist kann man auch schon mal an Verfolgungswahn leiden.

    Der Anteil von Fahrrädern ohne Beleuchtung ist einfach erschreckend, ob aus Nachlässigkeit oder weil das „nackte“ Mountainbike, Rennrad oder Fixie hip aussieht. Für Radler und Fussgänger gibt es keine Kleidungsvorschriften, die man schuldhaft verletzen könnte. Aber als verwundbarster Teilnehmer in des Straßenverkehrs ist es dumm auf gut sichtbare Kleidung zu verzichten.

    In der dunklen, nassen, kalten Jahreszeit trage ich auf dem Rad sogar ganz gerne (Goretex-) Warnschutzjacken aus dem Fachgeschäft für Berufskleidung. Die sind funktionell, preisgünstig und großzügig geschnitten für die Normalkleidung drunter. Man wird sogar von den Müllwerkern freundlich gegrüßt.

  • 5 Marco // Dez 9, 2015 at 15:37

    Ja, Peter. das hatte ich ja mehr oder wneiger auch alles geschrieben. Nur: darum ging es nicht.

  • 6 Rolf // Dez 10, 2015 at 09:59

    man kann die PM auch so interpretieren, dass der Fußgänger gegen seine Pflichten den fahrzeugverkehr beim Überqueren der Fahrbahn verstoßen haben könnte (§25(3))
    Wenn jetzt eine Kombination vorliegt von Dunkelheit, schlechter Beleuchtung der Gehwege und grober Fahrlässigkeit des ungünstig gekleideten Fußgängers, sehe ich die Hauptschuld nicht beim Fahrzeugführer, wenn dort nicht explizit Schrittgeschwindigkeit angeordnet ist

  • 7 Marco // Dez 10, 2015 at 19:21

    Es ging mir nicht um „Hauptschuld“. Noch nicht einmal um „Schuld“. Es ging mir darum, daß eine nicht angepasste Geschwindigkeit seitens des Kraftfahrers (in der StVO geregelt) überhaupt gar nicht in Erwägung gezogen wird, stattdessen aber „Dunkelheit“ und der „dunkel gekleidete Fußgänger“ (NICHT in der StVO geregelt) so formuliuet werden, daß suggeriert wird, dies sei ursächlich für den Unfall. Ähnlich wird ja auch immer wieder erwähnt, daß ein „Fahrradfahrer keinen Helm“ getragen hat, wenn ihm die Vorfahrt genommen wird (aktuell in Köln HEUTE).

  • 8 siggi // Dez 10, 2015 at 18:22

    @Rolf
    Sichtfahrgebot gilt immer. Egal welche Höchstgeschwindigkeit zulässig ist.

  • 9 Jupp // Dez 10, 2015 at 21:40

    Unfälle haben oft mehr als eine Zutat. Häufig würde zur Vermeidung ausreichen, eine Zutat wegzulassen.
    Das eine oder andere kann man nicht selbst beeinflussen. So das Tempo der anderen VT, deren Aufmerksamkeit oder den Zustand der Straße oder die Sichtverhältnisse.
    Was man beeinflussen kann, ist die eigene passive Sicherheit in Form von Sichtbarkeit. Wenn die Pressemeldungen dazu beitraten könnten, könnte man beinahe tolerieren, dass die Hauptzutat in Form von 1,5t bewegten Bleches als unveränderlich angesehen wird. In der Tat ist es aber schwierig, sich zivile Klamotten für kalte und nasse Tage zuzulegen, die auffällig gefärbt oder gar mit Reflektoren versehen sind. Man beachte mal die Herbst-Winterkollektionen in den Kaufhäusern. Sogar Outdoorspezialisten wie Wolfhaut haben vor allem dunkle Farben im Angebot, ein dunkles Rot ist gerade noch machbar. Leider greift nicht jeder Fußling bei Feinkost Albrecht zu, wenn die Reflektorbänder für kleines Geld auch noch LEDs tragen.
    Und sowohl als Radler als auch als Autler muss ich zugeben, dass es immens hilft, wenn die anderen VT bereits passiv gut zu erkennen sind.

    Dass gut beleuchtete und reflektierende Radler trotzdem zu Hauf übersehen werden liegt nicht am Übersehen. Wer nicht hinguckt, kann auch nichts übersehen. Er sieht schlicht: nix.

  • 10 Johann // Dez 11, 2015 at 08:44

    @Jupp
    sicherlich kann man einige Parameter nicht beeinflussen. Deshalb wäre es gerade wichtig, wenn die Polizei in der PM darauf hinweist, dass das Sichtfahrgebot gilt und auch einzuhalten ist. Und nicht, dass sich Fußgänger leuchtend kleiden sollen, weil das Sichtfahrgebot vielen egal ist. Was von beidem in der StVO geregelt ist, wurde ja schon erwähnt.

    Ich befürchte eher, dass leuchtende Fußgänger zu höherem Tempo motivieren, da man sie ja schon von weitem sieht. Die Leidtragenden sind dann diejenigen, die nicht leuchten.

  • 11 Johann // Dez 11, 2015 at 10:52

    Das gleiche in
    Berlin. Wenn auch nur eine Randnotiz in dem dort verlinkten Flyer, aber immerhin:

    Daher sollten Sie die Geschwindigkeit immer den Straßenverhältnissen und Ihrem Sehvermögen anpassen

  • 12 Rolf // Dez 11, 2015 at 10:55

    @siggi:
    Das Sichtbarkeitsgebot bezieht sich auf fixe Hindernisse im Wegelauf, nicht auf kreuzende Verkehrsteilnehmer ohne Vorrang.
    Aus der PM lässt sich nicht herauslesen, ob der Fußgänger angefahren wurde, weil er auf der Fahrbahn nicht gesehen wurde ober weil die Überquerungsabsicht mangels Sichtbarkeit im Nebenraum nicht erkannt wurde. Also ob schwerer Fehler oder verpasste Chance

  • 13 Jochen G. // Dez 11, 2015 at 17:10

    Für einen Verkehrsunfall braucht es, sofern es kein Alleinunfall ist, so gut wie immer zwei Beteiligte. Daher macht es immer Sinn sich bei guten Ratschlägen auch niemals nur an eine Seite zu wenden.
    Siehe hierzuexemplarisch dieser richtig üble Unfall: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/gericht-wertet-toedlichen-unfall-mit-handy-am-steuer-als-versuchten-mord–113876904.html

  • 14 Karl Kreidbaum // Dez 11, 2015 at 21:45

    Entschuldigung bitte, ich bin OT.

    Es gibt alte Radwegschilder (Zeichen 237, 240 und 241) und neue. Bei den alten haben die Fahrräder Pedale und Beleuchtung, bei den neuen nicht mehr. Kann mir jemand sagen, seit wann es die neuen gibt?

    Hintergrund der Frage: Linksseitige Radwegbenutzungspflichten dürfen innerorts nicht angeordnet werden und ich kenne eine, die durch ein neues Schild angeordnet ist. Wenn es die neuen Schilder erst nach 1998 gibt, dann ist das Schild mit Sicherheit aufgestellt worden, als es bereits verboten war.

  • 15 Jens2 // Dez 11, 2015 at 23:26

    „Kann mir jemand sagen, seit wann es die neuen gibt?“

    Ja, kann ich: seit 1992.
    Kann man hier sehen: https://de.wikipedia.org/wiki/Bildtafel_der_Verkehrszeichen_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_von_1992_bis_2013#Vorschriftzeichen_nach_.C2.A7_41_StVO_.28Nummernbereich_200_bis_299.29 versus https://de.wikipedia.org/wiki/Bildtafel_der_Verkehrszeichen_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_von_1971_bis_1992#.C2.A7_41_Vorschriftszeichen

    „Linksseitige Radwegbenutzungspflichten dürfen innerorts nicht angeordnet werden“

    Wie kommst du darauf?

    „Wenn es die neuen Schilder erst nach 1998 gibt, dann ist das Schild mit Sicherheit aufgestellt worden, als es bereits verboten war.“

    Wenn es so sein sollte, wie du schreibst, käme es sicherlich nicht auf den Zeitpunkt der Aufstellung des Schilds an.

  • 16 Jochen G. // Dez 12, 2015 at 14:41

    „Wie kommst du darauf?“

    Jens, das steht seit 2009 so in der VwV zur StVO.
    Siehe unter Verkehrssicherheit -> Linksseitige Radwege -> II. -> Punkt 1.
    https://www.adfc-nrw.de/kreisverbaende/kv-bottrop/radverkehr/radwegbenutzungspflicht/leitfaden-rwbp.html

    Perfekt wäre die Aufstellung, wenn der ADFC Bottrop denn auch noch die genauen Textstellen in den verbindlichen Rechtsvorschriften direkt mit benannt hätte. Auf das elber suchen habe ich jetzt keine Lust.

  • 17 Alfons Krückmann // Dez 13, 2015 at 01:00

    Auch wenn es in letzter Zeit vielleicht einen Meinungsumschwung gegeben haben mag, bin ich nach wie vor nicht der Meinung, dass diese hässlichen gelben Warnwesten und der Wahn alles und jedes strahlend und blinkend zu beleuchten überhaupt irgendwas positives bewirkt.
    Im Gegenteil.
    Das erste Mal im Leben habe ich letztes Jahr einen Hund angefahren, der auf dem kombinierten Rad/Gehweg unterwegs war.
    Inmitten von ca. 10 LED-Hunden die durch den Park und über die Wege huschten wird so ein ‚Dunkelhund‘ dann wirklich kaum mehr wahrgenommen. Dem Hund ist nichts passiert, weil ich Schrittempo fuhr, aber der Halter war sofort schuldbewußt und meinte, dass er ihm sonst immer ein Leucht-Halsband umlegen würde.
    Ähnlich gehts mit Joggern.
    Allmählich verschiebt sich so die Erwartungshaltung, und ein paar Jahre später ist dann alles was nicht reflektiert und blinkt offiziell oder inoffiziell Freiwild.
    Am Ende ist das Sicherheitsneveau schlechter als zuvor, da die gefahrenen Geschwindigkeiten höher werden.
    Im Grunde eine Variante des altbekannten ‚Tribüneneffektes‘.
    Zwischen theoretischer Sichtbarkeit und praktischem Wahrgenommen-werden liegen Welten. Ist bekannt, scheint aber völig egal zu sein.
    Was kommt als nächstes?
    Wer bei ‚Grün‘ totgefahren wird ist ja jetzt auch schon selbst schuld, weil er einer Frau hinterherstarrt, statt bei Grün die fällige Vollbremsung zu machen.
    https://www.youtube.com/watch?v=IkgvORGy8_4

  • 18 Jupp // Dez 13, 2015 at 09:01

    Es gibt auch einen Mittelweg zwischen Rabenschwarz und Blinki_Blinki.
    Einfach etwas heller Kleidung angezogen reicht oft schon aus. Und wenn man halt im eleganten Schwarz unterwegs ist, kann man z.B. einen hellen Schirm oder Tasche in der Hand tragen oder ein lediglich reflektierendes Band um Armel oder Hosenbein. Niemand fordert wandelnde Weihnachtsbäume.
    Zwischen Schwarz und Weiß gibt es ein ganzes Universum an Farben.

  • 19 Michael // Dez 13, 2015 at 10:53

    Bei Warnwesten oder so sollte man es wie mit Helmen halten. Jeder darf für sein persönliches Gefühl von Sicherheit machen was er will. Die Aufgabe des Staates wäre es sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. Also zB. mit der Infrastruktur oder Sensibilisierung der Autofahrer.

  • 20 Jens2 // Dez 13, 2015 at 11:09

    „Jens, das steht seit 2009 so in der VwV zur StVO. Siehe unter Verkehrssicherheit -> Linksseitige Radwege -> II. -> Punkt 1.“

    Ähm, die Behauptung war, eine linksseitige Benutzungspflicht dürfe innerorts nicht angeordnet werden. An der genannten Stelle aus den VwV-StVO steht aber so ziemlich das Gegenteil. Nämlich dass linksseitige Benutzungspflichten zwar nicht der Regelfall sein sollen, sehr wohl aber auch innerorts angeordnet werden dürfen, und zwar „nach sorgfältiger Prüfung“ und wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen (Breite des Weges etc.).

  • 21 siggi // Dez 13, 2015 at 13:29

    @Alfons Krückmann
    Genau so sehe ich das auch.
    Einer dieser Gründe war es auch warum in Österreich die Pflicht zum Tagesfahrlicht wieder abgeschafft wurde. Die Unfallzahlen stiegen und besonders Radfahrer und Fussgänger wurden schlechter wahrgenommen.
    Genau so sehe ich diesen inflationärern Gebrauch von Warnkleidung.
    Ich finde man sollte so etwas nur benutzen wenn es eine Situation gibt vor der gewarnt werden muss.
    Zu linksseitigen Radwegen hier ein Beispiel aus Köln.
    Dünnwalder Kommunalweg – Höhenhauser Ring
    Im August 2008 noch keine linksseitige benutzungspflicht.
    https://www.google.de/maps/@50.9901373,7.0042029,3a,75y,295.6h,81.1t/data=!3m6!1e1!3m4!1sbNDOfKDCHRyItORL39UzAw!2e0!7i13312!8i6656
    Dezember 2009 linksseitige Benutzungspflicht wurde für diesen gefährlichen Radweg angeordnet.
    http://www.siggis-seiten.de/DSCF4116.JPG
    Gefährlich wird es in der Tunnelunterführung.
    http://www.siggis-seiten.de/Panos/S-Bahntunnel/Tunnel.html

  • 22 Jochen G. // Dez 13, 2015 at 17:18

    Jens2, ja und nein. Das Ding is kompliziert.

    Einmal sollen/dürfen benutzungspflichtige Radwege überhaupt nur noch als Ausnahmefall angeordnet werden. Und unter diesen Ausnahmefällen, dürfen linksseitige Radwege dann auch nur noch als supersonderextraseltene Ausnahmefälle angeordnet werden. Und das dann eben nur, wenn es gar nicht mehr anders geht.
    Setzt also nicht nur die Einhaltung der technischen Mindestvorgaben voraus, sondern eben auch eine ganz erhebliche Geäfhrdungslage auf der Straße, die die in der REgel massiv erhöhten Risiken für linksseitige Radwege nochmal deutlich übersteigt.

    Du erkennst die Krux? Ich hoffe. Summasummarum sollte es daher nur extremST wenige linksseitige benutzungspflichte Radwege geben. Da aber das Gegenteil der Fall ist … tja.

  • 23 Jochen G. // Dez 13, 2015 at 17:46

    Alfons: „Ähnlich gehts mit Joggern.“

    Vergangenen Mittwoch habe ich eine sehr ungewöhnliche Situation erlebt. Ich fuhr auf einem neu angelegten Radweg und wegen auf Kopfhöhe bis auf halbe Radwegbreite hereinragenden Ästen, ganz rechts – wieder so ein typischer Fall von „fahrradfreundliche Stadt in NRW“, bauen tun se gerne, unterhalten tun se NICHTS. Voraus seh ich im schwachen Streulicht meines Cyo Premium eine sich bewegende „Müllmannweste“. Zunächst war nicht klar erkennbar, ob sich der Mensch näher, oder in meiner Richtung läuft.
    Dann war ich näher dran und während ich noch hoch zur Weste schaue, macht diese auf einmal, mir entgegen laufend, einen abrupten Schlenker und ich sah dann auch das braune „Ding“ am linken Radwegrand, dem der Mann so gerade noch ausweichen konnte und das auch nur, weil mein Scheinwerfer es just in dem Moment schwach angeleuchtet hatte. Da hatte der Läufer ja schonmal Glück gehabt.

    Das braune Ding war ein noch lebendes Reh, welches offenbar keine Warnweste getragen hatte, als es auf der Straße angefahren wurde und dann im Bogen auf den Radweg flog, wo es dann mit (offen) gebrochenem Vorderlauf und vermutlich noch weitergehenden (inneren) Verletzungen zum Sterben liegenblieb.

    Kein Auto da. Keine Unfallmarkierung vorhanden. Nichts.
    Das Tier lag da und war regelrecht hechelnd am Atmen.

    Der Rest ist schnell erzählt. Polizei angerufen und die meinte der Unfall sei schon vor ner 3/4 gemeldet worden. Man müsse nun halt noch warten. Nach ner Viertelstunde des Wartens tauchte dann der Wagen eines .. keine genaue Ahnung, Forstaufseher? Förster? jedenfalls jemand mit Jagdlizenz und Erfahrung und von der Polente alarmiert und der hatte schon länger nach einer Markierung gesucht, von der Straße aus war das Tier für Autofahrer nicht zu sehen und er womöglich zuvor bereits an der Unfallstelle vorbeigefahren, ehe ich dort auf den Läufergetroffen war. Na ja und er hat dann vor Ort halt ein Messer gezogen und … das möchten Viele hier nicht genauer erfahren.

    Worauf wollte ich hinaus? Ne Weste allein bringt nicht viel und dann ist da noch der Unterschied zwischen „Weste“ und „Weste“.
    Ich fahre im Winterhalbjahr inzwischen sehr gerne mit meinen extrem stark reflektierenden warmen Armlingen von Protective. Aber Läufer die nur mit Westen unterwegs sind, sehe ich auch bei dem nun wirklich sehr guten und starken Licht des Cyo Premium (eher hoch denn zu kurz eingestellt, aber so das sich noch niemand beschwert), Westen erst auf kurze Distanz. Und manche Westen sind im Dunkeln nahezu wirkungslos. Gelbe oder orangene Farben bringen auch nur im Hellen wirklich viel.

    In der Dunkelheit aber ist aktives Licht die erste Wahl und ergänzend dazu nicht zu hoch getragenes qualitativ sehr gut wirksames Reflexmaterial dann die zweite Wahl. Wobei die Art der Lichtquelle und auch die Distanz aus der heraus etwas angestrahlt wird, auch von großer Bedeutung sind. Kann man eine kleine Wissenschaft draus machen. Muss man nicht, aber es hilft durchaus, wenn man auf praktische Weise Unterschiede vermitteln kann.

    Am wichtigsten aber finde ich die Erkenntnis, daß man in der Dunkelheit halt weniger viel bzw. gut sieht und das dann oft auch erst vergleichsweise spät. Daher? Geschwindigkeit den Bedingungen so anpassen, daß Glücksspiel möglichst kein bedeutsamer Faktor der Unfallvermeidung mehr darstellt! Und das gilt für einfach alle Verkehrsteilnehmer. Jeder sollte nicht nur an sich denken, sondern immer auch für Andere, so gut es geht, ein stückweit mit.

  • 24 Jupp // Dez 13, 2015 at 18:37

    Hängt damit zusammen, dass sich die zuständigen Behörden nicht um Recht und Gesetz scheren?

    BTT:
    Es bleibt jedem selbst überlassen, wie er sich kleidet. Nur, wer im Tarnanzug rumläuft, darf nicht meckern, wenn er übersehen wird. Und dunkle Kleidung im Dunkeln ist Tarnung. Lernt man schon bei der Wunderwehr.

  • 25 Jens2 // Dez 13, 2015 at 19:47

    @Jochen G.:
    Ich hab schon aufrichtigere Entschuldigungen von jemandem gelesen, der sich offensichtlich verrannt hat.

  • 26 Karl Kreidbaum // Dez 13, 2015 at 21:56

    @Jens2 (#15)
    Danke für Deine Hilfe.

    Zu den linksseitigen Radwegen heißt es in der Verwaltungsvorschrift:
    II. Freigabe linker Radwege (Radverkehr in Gegenrichtung)
    1. Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.
    3. Eine Benutzungspflicht kommt in der Regel außerhalb geschlossener Ortschaften, ein Benutzungsrecht innerhalb geschlossener Ortschaften ausnahmsweise in Betracht.

  • 27 Jens2 // Dez 14, 2015 at 00:04

    @Karl Kreidbaum (#26):
    Die Bedeutung des Wörtchens „grundsätzlich“ in dem Sinne, wie Juristen es verwenden, ist bekannt? Ich vermute dass nicht, denn ansonsten ist mir völlig unklar, wie man angesichts der zitierten Passagen aus den VwV-StVO auf die Idee kommen könnte, hieraus die behauptete Fehlinterpretation „Linksseitige Radwegbenutzungspflichten dürfen innerorts nicht angeordnet werden“ ableiten zu wollen.

  • 28 Axel // Dez 14, 2015 at 18:45

    Mittlerweile ist es so, dass wenn es schon hell ist und man „übersehen“ wird, dann wird einem gesagt, man solle doch das Licht anmachen. Wenn man Licht an hat – egal ob dunkel oder hell, gibt es halt eine andere Ausrede. Gesehen wird man auf keinen Fall – der Grund ist klar und wurde hier auch schon genannt – wer nicht schaut kann auch nix sehen.

  • 29 AlKölnPone // Feb 4, 2016 at 11:28

    Der Film aus Münster ist eine absolute Frechheit. Kein Wunder, dass auf Youtube die Kommentare ausgeschaltet sind.
    Die Situation ist die klassische. Nicht Radler begeben sich in den toten Winkel, sondern Autofahrer überholen Radler und nehmen sie dabei nicht wahr. Entweder, weil wie im Film baulich nicht möglich, oder weil unkonzentriert. Darum muss sich die Tote-Winkel-Propaganda an Auto- und LKW-Fahrer und noch dringender an Verkehrsplaner und Kommunalpolitiker richten anstatt an Radler.
    Gab es in Münster wenigstens einen angemessenen Shitstorm für das Machwerk?

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