Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Auf dem Radweg am Hansaring die Nase gebrochen!

November 11th, 2015 · 13 Kommentare

Kürzlich las ich folgende Pressemitteilung der Kölner Polizei (Hervorhebungen von mir):

 

Köln (ots) – Gestern Morgen (3. November) ist eine Radfahrerin (47) bei einem Zusammenstoß mit einem Skateboard-Fahrer in der Kölner Innenstadt schwer verletzt worden.

Gegen 8.20 Uhr fuhr die 47-Jährige auf dem Radweg des Hansarings in Richtung Ebertplatz. Zur gleichen Zeit kam ihr ein männlicher Skateboardfahrer verbotswidrig entgegen.

Da der Radweg in diesem Bereich durch eine Baustelle verengt war, wich die Radlerin zur Seite aus, um einen Zusammenstoß zu verhindern.

Bei ihrem Ausweichmanöver stieß die Frau in Höhe der Hausnummer 14 gegen ein Baugerüst und verletzte sich schwer. Ohne weitere Angaben zu machen entfernte sich Skateboard-Fahrer vom Unfallort.

Der Flüchtige ist etwa 25 bis 30 Jahre alt. Zum Unfallzeitpunkt trug er weiße Schuhe und einen grünen Parka. Bei dem Skateboard handelt es sich um ein sogenanntes Longboard. Die Polizei sucht sowohl den Flüchtigen als auch Zeugen des Vorfalls. Hinweise nimmt das Verkehrskommissariat 2 unter der Telefonnummer 0221/229-0 oder per E-Mail an poststelle.koeln@polizei.nrw.de entgegen. (km)

Rückfragen bitte an:

Polizeipräsidium Köln
Pressestelle
Walter-Pauli-Ring 2-6
51103 Köln

Telefon: 0221/229 5555
e-Mail: pressestelle.koeln(at)polizei.nrw.de

Nun, „die Stelle kenne ich“, dachte ich mir und fragte mich, wie ein 96cm breiter „Radweg“ überhaupt noch weiter „verengt“ sein kann. Also stellte ich mal eine „Rückfrage“:

Sehr geehrte Damen und Herren:

gemäß Ihrer Pressemitteilung unter
http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12415/3165802
passierte am 3.11.2015 ein Unfall zwischen einer Radfahrerin und einem ein Skateboard benutzenden Fußgänger. Hierzu habe ich einige Fragen.

Der Mitteilung nach war „der Radweg in diesem Bereich durch eine Baustelle verengt“. Inwiefern konnte der Radweg, der mit ~96cm Breite das Normalmaß eines Radweges noch nicht einmal zu 50% erfüllt, überhaupt noch weiter „verengt“ sein, bzw. dann überhaupt noch befahrbar sein?

Was hat die Inaugenscheinnahme, gemäß VwV-StVO bei „jeder sich bietenden Gelegenheit“ (ich gehe davon aus, daß solch ein Unfall eine solche Gelegenheit ist), Ihrer Beamten in bezug auf die generelle qualifizierte Gefahrenlage gemäß §45.9 StVO und auf die generelle Benutzbarkeit des Radweges gemäß §2.4 StVO, was laut Herrn PP Albers die „tägliche Arbeit“ der Polizei ist, ergeben?

Was hat die Inaugenscheinnahme der Unfallstelle in bezug auf Absicherung und Radverkehrsführung an der Baustelle gemäß RSA95 und ähnlicher Regelwerke ergeben?

Der Mitteilung nach stürzte die Frau „gegen ein Baugerüst und verletzte sich schwer“. Was hat die Inaugenscheinnahme des Baugerüstes ergeben? Wurde die Installation desselben so genehmigt?

Ich bitte Sie höflichst um Mitteilung.

Erfreulicherweise (das unterscheidet die Polizei Köln von der Stadt Köln) bekommt man bei den „Gesetzeshütern“ meist Antwort und das sogar recht schnell. So antwortete mir Markus Hoppe von der Direktionsführungsstelle Verkehr bereits am nächsten Tag. Er teilte mir mit, dass „der Verkehrsunfall durch das VU-Aufnahmeteam der Polizei Köln aufgenommen wurde und derzeit durch das Verkehrskommissariat 2 bearbeitet“ werden würde. Das sind also die Spezialisten bei der Polizei. Herr Hoppe meinte, die Unfallörtlichkeit wäre „am folgenden Tag in Augenschein genommen“ worden und dabei  „wurde festgestellt, dass der Radweg frei befahrbar und nicht baulich eingeengt ist“.

MOMENT! In der Pressemitteilung hieß es noch, „da der Radweg in diesem Bereich durch eine Baustelle verengt war, wich die Radlerin zur Seite aus, um einen Zusammenstoß zu verhindern“, nun heißt es, „dass der Radweg frei befahrbar und nicht baulich eingeengt ist„? Interessant, was so „Spezialisten“ alles feststellen.

Herr Hoppe teilte mir noch mit, dass das Baugerüst sich „ausschließlich auf dem Gehweg“ befindet, auf meine Fragen nach der Inaugenscheinnahme gemäß VwV-StVO geht er nicht ein, erwähnt aber noch, dass ich Fragen zur Genehmigung des Gerüstes „bitte an die Straßenverkehrsbehörde“ stellen möchte (was ich dann auch getan habe – bisher ohne Antwort).

Hier mal ein paar Fotos von der Unfallstelle, aufgenommen 2 Tage nach dem Unfall:

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Da muss man also eigentlich kein Polizist in einer „Spezialeinheit“, wie dem VU-Aufnahmeteam sein, um festzustellen, dass hier etwas nicht stimmt (die Situation ist jetzt, eine Woche nach dem Unfall, übrigens immer noch die gleiche!) und die Baustelle mitnichten nach RSA-95 abgesichert ist, was sie aber eigentlich sein müßte (und worauf Herr Hoppe mir ja wohlweislich nicht geantwortet hat – entweder, weil er es nicht konnte oder weil er es nicht wollte), vom gesunden Menschenverstand einmal ganz abgesehen. Wer meint, hier könne sicher Rad (und Fuß!)verkehr stattfinden, der sieht die Welt wohl ausschließlich von hinter der Windschutzscheibe.

Vor Ort fand sich dann auch jemand, der erklären konnte, wie der Unfall passierte: die Radfahrerin befuhr demnach den „Radweg“ in die richtige Richtung, der Skateboardfahrer (der verkehrsrechtlich übrigens ein Fußgänger ist und somit zumindest auf einem Gehweg auch nicht „verbotswidrig“ unterwegs ist) kam ihr auf der linken Seite des Gerüstes, also „Ihrer“ Seite, entgegen. Aus „Freundlichkeit“ wollte sie ihm nach rechts ausweichen und stieß dann gegen die schlecht sichtbare (und nach dem Unfall von der Polizei (!) mit Flatterband (!!) „abgesicherten“) Querstange des Gerüstes. Mir geht es hier ganz sicher nicht darum, die Schuldfrage festzustellen, dazu bin ich nicht befugt und das kann ich auch gar nicht, sondern, zu dokumentieren, wie wenig Polizei, Straßenverkehrsbehörde, Baufirmen und Eigentümer der Baustelle sich für die Unversehrtheit unmotorisierter Verkehrsteilnehmer interessieren.

Ach so. Etwas weiter links befinden sich zwei vorzüglich zu befahrende Fahrspuren, auf denen man solche Unfälle ganz sicher vermeiden kann, was derzeit allerdings noch u.U. eine Mautgebühr (wird dann allerdings vor Gericht im Normalfall eingestellt), erhoben durch eine uniformierte Spezialeinheit, kostet.

Die Petition „Ring Frei“, die eine sofortige Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht an den Ringen fordert, kann noch bis zum 5. Dezember 2015 gezeichnet werden. Derzeit -und das kündige ich hiermit schonmal feierlich an!- werden parallel allerdings auch Klagen vorbereitet, dazu geht in den nächsten Tagen ein Crowdfunding parat, um einen versierten Fachanwalt ordentlich entlohnen zu können – HALTET EUER KLEINGELD BEREIT! Mehr dazu in Kürze in diesem Blog.

Wer übrigens meint, die beschriebene Unfallstelle ginge nicht schlimmer, gefährdender und diskriminierender: weit gefehlt! Köln kann das! Hier die gleiche Stelle im Juni 2014, natürlich alles abgesichert nach sämtlichen Regeln, Verordnungen & gesundem Menschenverstand – zumindest, was der Kölner dafür hält! In diesem Sinne, am Elften im Elften: Kölle Alaaf!

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Tags: Allgemein · Baustellen · Innenstadt · Polizei · Radwege · Ringe

13 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 siggi // Nov 11, 2015 at 22:06

    Marco, jetzt tust Du der Polizei aber Unrecht.
    Es gab auch schon Situationen da wurde sehr schnell gehandelt und die Verkehrslage entsprechend angepasst.

    Z.B. wurde ich vor Jahren, an einem Donnerstag, von der Polizei auf der Mülheimer Brücke gestoppt weil ich den Radweg nicht benutzte. Bei der anschliessenden Suche nach Radwegschildern konnten wir aber keine finden. Einen Tag später hingen sie dann.

    Beispiel Rheinufertunnel:
    Etwa 30 Jahre nach der Eröffnung des Rheinufertunnels stellte die Polizei fest, dass man dort mit dem Rad legal durchfahren darf.
    Wie lange hat es danach gedauert bis der Tunnel für Radfahrer gesperrt wurde?

  • 2 Jochen G. // Nov 11, 2015 at 22:51

    Köln, dort wird halt das ganze Jahr Karneval gelebt und den erträgt man halt nur besoffen. Und so kann einen nichts wirklich mezhr verwundern.

    Prost (mit Rieslingschorle)

    PS: Was für eine Art Beschwerde müsste man denn einreichen, um Untätigkeit der Polizei in Bezug auf qualifizierte und bereits mit Unfall bekannte Gefahrenstellen zu bemängeln? Vielleicht bringt das ja das gewisse *Hopp!* in den Laden, so wie bei der Nummer mit den Werbesäulen und der Ankündigung „heute“ noch Strafanzeige zu stellen.

  • 3 Michael Vogel // Nov 12, 2015 at 00:01

    Baustellenabsicherung in Köln: Hier sind der Kreativität der handelnden Personen keine Grenzen gesetzt. Und wenn man dann einige Bilder der Situation anfertigen will, gibt es gleich Drohungen – nun ja, dann möge doch die Polizei kommen, bevor sich jemand verletzt.
    Das Bild wurde am 08.07.2015 in Köln-Bickendorf an der Kreuzung Venloerstraße/ Äußere Kanalstraße aufgenommen, der Platz für Fußgänger/Radfahrer betrug an der engsten Stelle gerade einmal 50 cm. Habe den Zustand auch der Stadt mitgeteilt, die Reaktion war „Wir schicken jemand raus“. Dabei blieb es auch . . .

  • 4 Ralf // Nov 12, 2015 at 09:41

    Ich habe wegen Baustellen schon zich Anzeigen erstattet. Egal ob es das „Radfahrer absteigen“-Schild war oder ein Bauherr statt Zeichen 250 Flatterband in Kopfhöhe gespannt hat. Dafür gibt es gegen den verantwortlichen eigentlich auch ganz normal ein Bussgeld. Nicht in Köln, alles eingestellt. Trotz Fotobeweis und wenn vor Ort noch die gleiche Situation angetroffen wurde.

    In der RSA steht:
    (2) Sofort nach ihrer Inbetriebnahme sind von der anordnenden Behörde – erforderlichenfalls auch nachts – Arbeitsstellen auf Autobahnen, Kraftfahrstraßen und Vorfahrtstraßen (Z 306) zu überprüfen. Dies gilt auch für Arbeitsstellen auf ähnlich verkehrsbedeutenden Straßen und Kreuzungen (nur Fahrbahn).

    Daraus schliesst die Stadt Köln bzgl Baustellen, die benutzungspflichtige Radwege an Vorfahrtsstraßen betreffen:
    „Der von Ihnen angesprochene Abschnitt, der sich in der RSA unter Punkt 1.6.1. Absatz 2 befindet, bezieht sich meines Erachtens auf den Fahrbahnbereich. Dies lese ich aus dem Gesamttext des Absatzes 2.“

    Eine Anzeige gegen die Stadt, weil sie eine Baustelle mit Ampel auf einer Vorfahrtsstraße nicht abgenommen hat und diese fehlerhaft war (feindliches rot für Radfahrer, die beim nicht-benutzungspflichtigen Radweg auf die Fahrbahn wechseln!) wurde ebenfalls eingestellt. Opportunitätsprinzip…

    Jetzt gibt es seit ein paar Tagen auf der Kalker Hauptstraße wieder eine gefährliche Baustelle. Der Radweg endet beiderseits im Nirgendwo, trotz Blauschilder, nichtmal der Gehweg ist durchgängig. Auf der Fahrbahn (auch im PKW) muss man verbotswidrig eine durchgezogene Linie überfahren, die nicht durch gelbe Markierungen aufgehoben wurde. Damit muss auf die Gegenfahrbahn fahren. Das ist aber deren Linksabbiegerspur, die nicht richtig gesichert ist. Wenn da mal ein Linksabbieger mit dem Gegenverkehr zusammenstösst…
    Dadurch wurde die Bushaltestelle nach hinten verlegt. Das führt dazu, dass der Bus verbotswidrig von der geradeaus-Spur links abbiegt. Und auf der geradeaus-Spur bei grün steht, bis die Linksabbieger grün bekommen.

    Und zur Polizei heute früh (OT):
    Eine Streife fährt mit grob geschätzt 50, bei erlaubten 30, auf einen Zebrastreifen zu. Leute wollen rübergehen, also wird kurz vorher das Blaulicht angemacht (ohne Martinshorn, kein Wegerecht). Die Fußgänger warten trotzdem. Direkt dahinter wird das Blaulicht ausgeschaltet und links geblinkt, zum Abbiegen. Die Streife hält an und lässt die entgegen kommenden Kraftfahrzeuge durchfahren.

    Das ist eigentlich nur eine Kleinigkeit, zeigt aber die Einstellung vieler Polizisten: Nur Kraftfahrzeuge sind wichtig.

    Regt euch nicht über Dinge auf, die ihr nicht ändern könnt. Und ändert alles, was ihr ändern könnt.

  • 5 Jochen G. // Nov 12, 2015 at 12:36

    Ich schlage eine neue Bezeichnung für Köln vor:

    Köln – Hauptstadt der straffreien Rechtsbeugung.

  • 6 josch // Nov 14, 2015 at 00:57

    Ich muss dann immer wieder an Wischmeyer denken.
    https://www.youtube.com/watch?v=HHVyEvRgn2s

    „…werden parallel allerdings auch Klagen vorbereitet“ – sehr gut. Ich gehe schon mal Pfandflaschen sammeln.

  • 7 Bettina, Aaden Detektei Köln // Nov 14, 2015 at 21:26

    Das ist natürlich eine lächerliche Antwort der Polizei, aber so arbeiten nun einmal die Bürokraten. Kann ich ein Lied von singen …

  • 8 josch // Nov 15, 2015 at 10:15

    Immer wenn man denkt blöder geht es nicht…
    http://1drv.ms/1kWv16s

    Aufgenommen gestern Abend, Hohenzollernring 11, Richtung Rudolfplatz.

  • 9 josch // Nov 15, 2015 at 12:10

    Argh, ich Depp. Irgendwann lerne ich das noch. Das Bild ist nicht vom Hohenzollernring, sondern vom Hansaring.

  • 10 Karl Kreidbaum // Nov 24, 2015 at 12:36

    Eine Frage: Kennt jemand einen Fall, wo jemand in Köln vor einem Kölner Gericht erfolgreich blaue Schilder weggeklagt hat? Mir sind bisher nur Ablehnungen bekannt.

  • 11 R.H. // Nov 25, 2015 at 08:15

    …. nicht nur Köln kann es nicht. Auch in Herzogenrath ist man anscheinend der Meinung, dass Radverkehr auf Radwegen nicht stattfindet. Aber vorher noch ein Beispiel aus den Niederlanden, nur einen Steinwurf weiter weg: https://youtu.be/4V0fzbxj66s

  • 12 Timovic // Mrz 11, 2016 at 18:41

    http://www.spiegel.tv/filme/koelner-fahrradpolizei/

    Neben vielen anderen Sachen (Fremdscham, keine Ahnung, Arroganz und Überheblichkeit) kommt auch der Baugerüstunfall darin vor, ca. bei 00:25 Stunden.

  • 13 Jens2 // Mrz 11, 2016 at 23:08

    @Timovic: Danke für den Link. Bei den Aufnahmen von dem Unfallort habe ich auch erst einmal schlucken müssen. Puh!

    Die Aussagen zum Thema Schutzstreifen waren wirklich ziemlich daneben, ansonsten fand ich es noch einigermaßen erträglich. Schmunzeln musste ich allerdings, als im Abspann die beiden Polizisten auf der Deutzer Brücke konsequent links fuhren statt rechts – das geht mir dort tierisch auf die Nerven und offenbar halten sich selbst diejenigen, die es nun wirklich besser wissen müssten, nicht an die Regeln. (Bestimmt waren sie gerade in einem wichtigen Einsatz und mussten deshalb ganz dringend ihre Sonderrechte nach § 35 StVO nutzen.)

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