Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

Mit dem Fahrrad in und um Köln header image 2

„Ich fahre Rad, weil ….

Juli 20th, 2015 · 18 Kommentare

… ich gute Laune tanke.“

Ein schöner Satz, eigentlich. Und er trifft auch mich und sicherlich viele andere Menschen oft genug zu. In einem Zusammenhang finde ich diesen Satz allerdings reichlich obskur:

"Werbung" der Stadt Köln für das Fahrrad fahren

„Werbung“ der Stadt Köln

 

Das Bild zeigt ein (eines von mehrerern ähnlicher Güte) Plakat- und Anzeigenmotiv der Stadt Köln, das wohl „Werbung“ für das Fahrradfahren und die dazugehörigen Internetseiten der Stadt Köln machen soll (abfotografiert aus dem aktuellen FahrRad! Magazin des ADF-Köln). Es zeigt einen Artisten (bei genauerem Hinschauen ist es eine Artistin) auf einem Einrad im Straßenverkehr (ggf. gegen die Fahrtrichtung) fahrend. Die Fahrerin hat in der rechten Hand einen Aktenkoffer, in der linken Hand eine Espressotasse, die sie zum Mund führt. Weiterhin hat sie einen halbgeschlossenen Kopfhörer auf, der augenscheinlich an ein Abspielgerät angeschlossen ist.

Das Einrad hat (natürlich) keinen Lenker und auch keine helltönende Klingel, ebenso keine zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen. Am Einrad ist weder ein nach vorn wirkender Scheinwerfer für weißes Licht, noch eine Schlussleuchte für rotes Licht angebracht. Es fehlt auch ein roter Rückstrahler, sowie ein mit dem Buchstaben „Z“ gekennzeichneter roter Großflächen-Rückstrahler. Auch nach der Seite wirkende gelbe Speichenrückstrahler an den Speichen, bzw. ringförmig zusammenhängende retroreflektierende weiße Streifen an den Reifen oder in den Speichen sind nicht vorhanden. Die Pedale haben Pedalreflektoren, wie in der StVZO gefordert.

So sieht in Köln also der städtische Status von Radverkehr aus: Radfahren ist Spiel, Spannung, Spaß und Nervenkitzel, bestenfalls noch Artistik, aber – scheinbar kein ernstzunehmder Verkehr. Eben so, wie der Radverkehr von der Stadt Köln eben auch immer schon behandelt wurde und wird. Wenn ich es genau betrachte, birgt die Kölner Radverkehrstruktur allerdings jede Menge Spannung, Nervenkitzel und sie erfordert einiges an Artistik – in diesem Sinne ist die Werbung tatsächlich zutreffend.

Wer jetzt etwas den Kopf schüttelt und meint, das geht kaum lächerlicher, den darf ich nun allerdings eines besseren belehren! Ich habe mich nämlich gefragt, was mich das an Bußgeldern kosten würde, würde mich die gegen Radfahrer derzeit außerordentlich repressiv vorgehende Kölner Polizei so im Straßenverkehr antreffen und denen einfach mal eine e-Mail geschrieben:

Mit welchen Bussgeldern und weiteren Konsequenzen müßte ich rechnen, würde ich mich wie die auf dem anhängenden Foto abgebildete Person im Straßenverkehr fortbewegen?

Sie können berücksichtigen, daß die Musik auf dem Kopfhörer mein Gehör beeinträchtigt. Ich bin Inhaber eines Führerscheins der Klassen B, C1, BE, C1E und CE.

Gute drei Wochen später hat man den Fall bereits analysiert und ich bekam von POK Magnus Sondermann aus der Führungsstelle der Direktion Verkehr (die müssen es ja wissen!) folgende Antwort:

entsprechend Ihrer hypothetischen Annahme, dass das Gehör durch Musik beeinträchtigt wird, sieht die Bußgeldkatalog-Verordnung ein Verwarnungsgeld in Höhe von 10,- Euro vor.

Weitere Verstöße sind nicht erkennbar.

Fazit: wenn ich demnächst mit meinem Einrad im Straßenverkehr unterwegs sein sollte, dann lasse ich den Kopfhörer in jedem Fall weg. Das solltet ihr auch tun!

Share Button

Tags: Allgemein · Fahrradbeauftragter · Polizei

18 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Jochen G. // Jul 20, 2015 at 19:46

    *lach*

    Mein erster Gedanke: Ob der (P)olizist (O)hne (K)enntnisse Sondermann eventuell, als er unten in der Anfage ankam, den vorangegangenen Text bereits wieder vergessen hatte und daher die Frage nur auf die Beschallung bezogen haben könnte?

    Mein zweiter Gedanke kurz darauf: Oder hat er in dem Vehikel kein Fahrrad im Sinne des Wiener Abkommens erkannt und das Einrad daher als Spielzeug kategorisiert, für das die StVZO nicht zuständig ist?

  • 2 Jens2 // Jul 20, 2015 at 20:46

    @ Jochen G.: Völlig richtig, ein Einrad ist kein Fahrrad im Sinne des Wiener Übereinkommens:

    „Fahrrad“ ist jedes Fahrzeug mit wenigstens zwei Rädern, das ausschliesslich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen, insbesondere mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln, angetrieben wird.

  • 3 Marco // Jul 20, 2015 at 21:02

    @Jens2: und warum macht die Stadt Köln dann damit Werbung für das „Radfahren“? 😉

  • 4 Jens2 // Jul 20, 2015 at 21:13

    @Marco: Keine Ahnung, die Kampagne hatte ja noch weitere seltsame Motive, wie das z.T. rückwärts fahrende Brautpaar oder die Frau, von der man nur die Sonnenbrille sah usw.
    Ich befürchte bei so etwas ja immer, dass das Kunst ist und ich die Bildsprache nicht verstehe, die dahinter steckt.

  • 5 Marco // Jul 20, 2015 at 21:27

    Ja, eben. Ich wollte da schon immer mal was drüber machen, aber DIESES Motiv setzt dem ganzen irgendwie die Krone auf! Zu dem Brautpaar sagte Helmut Simon, ehemaliger Leiter der VD Polizei Köln mir in einem persönlichen Gespräch, „da kümmere ich mich persönlich drum“, so schlimm fand der das.

  • 6 Jochen G. // Jul 21, 2015 at 11:02

    Hm, vielleicht kann man sich bzgl. jener Kampagne ja darauf einigen, daß die Stadt Köln ein mehr als nur leicht verklärtes, ja geradezu ein deutlich weltfremdes *Bild* von Radverkehr hat. Und/oder es arbeiten Ganzjahreskarnevalisten beim .. äh wer zeichnet für das da bei der Stadtverwaltung verantwortlich? Stadtmarketing?

    Gut, wenn man sich einfach mal „fallen“ läßt und dann in die Metaphysik eintaucht, könnte man auch denken, es geht den Karnevalisten vielleicht um Dinge wie Lebensgefühl, Losgelöstheit von inneren Zwängen oder dergleichen. Aber Köln ist doch nicht Kassel mit der Documenta!

    Aberrrr….. möglicherweise ist es aber auch nur ein Fall von „Passierschein A38“ und dessen letztendlichen Folgen? Siehe Asterix in Rom https://youtu.be/lIiUR2gV0xk?t=541

  • 7 Hannes // Jul 23, 2015 at 12:23

    Auf dem Plakat wird eben Rad gefahren; wenn auch — offenbar nur für die meisten — ganz offensichtlich nicht Fahrrad. Ich finde das Plakat witzig und einprägsam. Es zeigt außerdem über das „Spielzeug“ Einrad den Grenzbereich zu Fußgängern auf. Wie hättest Du denn bei einem Bild mit Tretroller (z.B. http://www.alb-roller.de/Alb-Roller_Race_Tretroller_files/shapeimage_11.png)) reagiert?

  • 8 Marco // Jul 23, 2015 at 12:32

    Ich würde mit diesem Tretroller als Straßen*Verkehrs*Behörde sicherlich auch nicht Werbung für das *Fahrrad fahren* machen (was ja ganz offensichtlich -das Einrad bewegt sich im Straßenverkehr- die Intention ist) – aber immerhin: Der Tretroller hat zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen 😉 .

  • 9 Hannes // Jul 23, 2015 at 13:43

    Fußgänger bewegen sich ja auch im Straßenverkehr. Ich wäre ja auch nicht auf die Idee gekommen, mit Roller oder Einrad Werbung fürs Fahrrad zu machen. Aber ich finde dass die Botschaft „gute Laune tanken“ hier für muskelbetriebene Fahrzeuge in ihrer Allgemeinheit schön transportiert wird. Versuche das als Imagekampagne für aktive Fortbewegung zu sehen, die ganz ohne Moralkeule für sich oder gegen MIV auskommt. Viele werden das mit dem Fahrrad machen, aber eben alle nicht mit Auto. Es wird zB. transportiert: Radfahren ist
    – möglich, stylish, macht gute Laune
    – nicht „nur was für junge Männer“ (auffallend geschlechtsneutrale Darstelung)
    – nicht „nur was für arme/Studenten/usw“ (Businessanzug, vielleicht sogar „zum Termin“)

    Alles in allem um Welten besser als, sagen wir mal Darth Vader mit Kopfschutz (bei der ich durchaus Bösartigkeit unterstellen würde). Das ADFC-Heft ist allerdings wirklich ein komischer Ort sowas zu kommunizieren.

  • 10 Marco // Jul 23, 2015 at 14:02

    Fußgänger machen das aber nicht auf der Fahrbahn. Ja, ich sehe die „Iamgekampagne“, keine Frage und ich kann auch die Romantik erkennen. Gleichzeitig werden Radfahrer hier (wo kommst Du her?) von der Polizei täglich repressiv, kontrolliert, abkassiert, gemaßregelt, wenn auch nur irgendeine Kleinigkeit nicht stimmt.
    Und ich bleibe dabei: Das Motiv ist ungeeignet, für den Radverkehr als gleichberechtigtes Verkehrsmittel zu werben. Ebenso wenig wie die anderen Motive (Bräutigam, dessen Braut auf dem Lenker (!) sitzt, etc.)

  • 11 Axel // Jul 25, 2015 at 08:45

    Es sind halt Imagekampagnen. Es geht darum den Anschein zu erwecken, dass die Stadt was für die Radlverkehr macht, ohne das Sie wirklich was machen muss. Ist in München nicht anders.

    Radfahren ist hipp, Radfahrn macht Spass, Radfahrn ist gesund, Radfahrn ist ökologisch korrekt…aber bitte nicht den Autoverkehr stören…Grüsse aus der angeblichen Radlhauptstadt…

  • 12 Jupp // Jul 27, 2015 at 13:47

    Hi
    ich seh das auch als reine Imagekampagne ohne irgendwelchen Hintergrung in Sachen StVO.

    Echte köllche Jecken halt.

    Und was ein Einradfahrer für das Fahren auf der Fahrbahn berappen müsste, hatte der POK halt nicht auf seinem Schmierzettel…

  • 13 Peter Zapp // Jul 31, 2015 at 12:36

    Wer kein gutes Produkt hat muss eben um so witzigere Werbung machen. Die mit dem Produkt inhaltlich nichst gemein haben muss.

    Kinderschokolade und gesunde, kindgerechte Ernährung, Zuckerbrause oder Zigarretten und gute Laune.

  • 14 Piet Pelle op zijn Gazelle // Aug 9, 2015 at 18:23

    Eine für den Kölner Verkehrsalltag realistische Werbung wäre zum Beispiel ein Foto vom Fahrradbeauftragten auf seinem Drahtesel beim Umrunden des Neumarkts (bevorzugt am U-Bahneingang vor dem Gesundheitsamt) oder beim Slalomradeln auf dem von Autos zugestellten Schutzstreifen auf der Bonner Straße oder ebenfalls dort im Kreisverkehr beim Geschnittenwerden von einem ausfahrenden Auto und und und …
    Das ist hippes Prickeln rund ums Jahr!
    Kölle alaaf.

  • 15 Norbert // Aug 14, 2015 at 00:08

    Jede Stadt erzieht sich ihre Radfahrer nicht nur durch Infrastruktur, sondern auch durch Kampagnen. Und wenn man nun keine sich regelkonform verhaltenden Radfahrer*innen will …

  • 16 kamikaze // Okt 10, 2015 at 09:39

    Ich bin über einen Link in einem Einradforum hierher gelangt und auch wenn die Diskussion längst tot ist, wollte ich den Hinweis hinterlassen, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nach deutschem Recht durchaus machbar ist:
    http://www.unicycling.de/german/unicycle/unilegal.html

    Wer sich fragt, wie so ein Rad aussieht, hier ist meins:
    http://www.unicyclist.com/forums/showthread.php?p=1658421&postcount=1393

  • 17 Marco // Okt 10, 2015 at 10:06

    Hi kamikaze: ja, dass das „machbar“ ist, hatte ich bei meiner Recherche durchaus rausgefunden (aber eben halt nicht so, wie die Stadt Köln das radfahren hier „bewirbt“) – sehr geiles Gefährt hast Du da übrigens 😉

  • 18 kamikaze // Okt 20, 2015 at 17:47

    Danke für die Blumen Marco, das Rad macht mir im Moment eine Menge Freude.

Hinterlasse ein Kommentar