Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Selbstversuch: Horrortrip in die Innenstadt

August 9th, 2008 · 9 Kommentare

In Köln-Mülheim wohnend fahre ich nicht wirklich oft in die Innenstadt. Meine Wege führen mich meist eher nach Hürth oder Ossendorf, bzw. auf Rennrad-Tour ins Bergische Land.
Heute wollte ich in einen Computerladen am Zülpicher Platz und nutzte die Gelegenheit, einmal eine ganz normal Fahrt mit dem Trekkingrad von Mülheim zum Zülpicher Platz zu dokumentieren. Ich nahm mir vor, exakt und ausschließlich nach den Verkehrsregeln zu fahren, also z.B. benutzungspflichtige Radwege in jedem Falle zu benutzen, Umleitungen an Baustellen genau zu befolgen, etc. Der Weg ist zwischen 8 und 9 km lang, das ist eine Strecke, für die ich normalerweise ca. 15 Minuten benötige.

Ich fuhr nicht über die Mülheimer Brücke (über ich die ich hier ganz sicher auch noch berichten werde), sondern nahm die Zoobrücke. Der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtete bereits am 8. August über die geplante (und sicherlich benötigte) Sanierung der Rampe zum Rheinufer linksrheinisch und Simon Müller schreibt in seinem Artikel auch, daß „diese Baustelle schon Probleme macht, bevor sie eingerichtet wird“, aber wenigstens auch: „Immerhin bleibt den Autofahrern das Schlimmste erspart“ Richtig! Das Schlimmste erfahren nämlich die Radfahrer, die die Zoobrücke passieren möchten. Ich habe mal einige Fotos gemacht, lustigerweise zeigt das Foto des KStA das Elend eigentlich auch schon ganz gut.

Mein Weg führt mich also über den „Radweg“ der Zoobrücke bis zur an sich schon unverschämten Haltebucht für Kraftfahrzeuge, die mich normalerweise kurzfristig (erlaubt?) auf den Gehweg leitet. Auf den Radweg zurück geht es allerdings nicht, den dieser ist nun mit einer Barke versperrt. Darüber das Schild mit der Ankündigung der Großbaustelle ab dem 11.8.2008. Geht man davon aus, daß das Foto des KStA am 7. August enstand, wird der Radverkehr also satte vier Tage unnötigerweise behindert! [edit: das Foto wurde schon in einem Artikel der gedruckten Ausgabe des KStA vom 6. August benutzt, d.h. der Radverkehr auf der Zoobrücke wurde mindestens sechs Tage unnötig und sinnlos verhindert!]

Schikane auf Kölner Zoobrücke

Schikane auf Kölner Zoobrücke

Der Gehweg rechts ist nun nach dem Baustellenschild also als gemeinsamer Fuß- und Radweg ausgeschildert (Zeichen 240) und war durch die vorhergehende Rampe an der Haltebucht auch recht vernünftig zu erreichen. Zeichen 254 macht mir zusätzlich klar, daß die Fahrbahn links Tabu ist:

Das Baustellenschild auf der Zoobrücke

Das Baustellenschild auf der Zoobrücke

Flott geht es also auf dem umfunktionierten Gehweg weiter Richtung Etappenziel linke Rheinseite. Eine Wahl gibt es nicht, die Zoobrücke ist eine Schnellstraße und Rad- und Gehweg führen also rechts die Rampe runter. Normalerweise. Zur Zeit allerdings nicht, denn der „Radweg“ wird jäh durch Zeichen 237 mit Zusatz „Ende“ beendet. Ich bin alles andere als ein Jurist, aber ich habe die StVO so verstanden, daß es nicht „Radweg Ende“ heißen kann, wenn gar kein „Radweg“ ausgewiesen war (sondern ein kombinierter Rad- und Gehweg).

Und wohin nun?

Und wohin nun?

Anyway. Rechts geht ein Fußweg hinunter und das „Radweg Ende“ soll wohl verhindern, daß ich den Fußweg benutze. Was den Herrn vor mir wohl offensichtlich nicht wirklich stört. Würde 15.- Euro kosten, soweit ich weiß. Meiner Meinung nach auch zu Recht – ich zumindest halte nichts davon, wenn Menschen über 12 auf Gehwegen radeln.
Fakt ist aber auch, daß der ursprüngliche Radweg wiederum mit einer Barke gesperrt und ein weiteres Zeichen 254 (Durchfahrt für Fahrräder verboten) die Weiterfahrt verhindert. Was also tun? Das ist zumindest das, was ich die Verantwortlichen gerne mal fragen würde. Das ist als würde man mitten auf der Autobahn eine Mauer aufbauen und den PKW-Insassen sagen, „schieben Sie ihr Fahrzeug links dran vorbei“.

Absteigen und schieben werde ich nicht, schließlich führe ich ein Fahrzeug. Rechts den Fußweg darf und will ich nicht benutzen. Zurück und eine andere Route auswählen darf ich auch nicht, sonst bin ich Geisterfahrer. Links auf die Fahrbahn ist schwer, schließlich muß ich dafür die kleine Leitplanke überwinden. Gottlob bin ich halbwegs fit und unversehrt, man stelle sich jetzt mal eine Mutter mit Kinderanhänger, eine Oma mit Gehschaden oder einen Behinderten mit Handbike vor. Ja, auch solche Menschen fahren Fahrrad!

Ich habe mich letztlich für den Weg über die Fahrbahn links entschieden, was diesem Artikel eine weitere Kuriosität des „Radweges“ ein paar Meter weiter (noch) ersparte. Mal abwarten, die Rampe wird ja wohl umgebaut.

Einen habe ich aber noch, denn wenige Meter vor diesem Engpaß hängt (wohl seit eh und je) ein Schild, daß in seiner Einzigartigkeit kaum zu überbieten ist:

Wir erfinden unsere eigenen Verkehrsregeln!

Wir erfinden unsere eigenen Verkehrsregeln!

Über das Zusatzschild „Radfahrer absteigen“ (Zeichen 1012-32) gibt es recht interessant Ausführungen, ich möchte hier auf die Ausführungen von Bernd Sluka verweisen, der das fundierter erläutern kann als ich. Im Prinzip kann man sagen, daß es überall dort in Erscheinung tritt, wo jemand nicht will, daß dort Fahrrad gefahren wird. Wer dieser Jemand alles sein darf, kann (und will) ich mir beim besten Willen nicht vorstellen – zumindest habe ich die Kombination mit Zeichen 114 tatsächlich noch nie gesehen.

„Ignorieren“ und mit Vorsicht weiter fahren war wohl die sinnvollste Lösung.

Linksrheinisch ging es für Kölner Verhältnisse erstmal normal weiter. „Normal“ heißt über die „Radwege“ zickzack durch flanierende Zoobesucher, Geisterradler, an auf dem „Radweg“ parkenden Autos und Fahrrädern vorbei.

Der Hansaring wartet dann mit einem „Schutzstreifen“ auf. Fragt sich nur: wer soll hier geschützt werden? Ich habe nicht nachgemessen (mach ich später mal, ich wollte ja auch mal ankommen), aber ca. einen Meter räumt man mir also ein (ich bin ca. 75 cm breit und wie jedes einspurige Fahrzeug halte ich nicht perfekt die Spur). Rechts von mir parkende Autos, deren Türen jederzeit aufgehen können und zu denen ich prinzipiell immer einen Sicherheitsabstand einhalten sollte und links von mir KFZ, die mit durchgedrücktem rechten Fuß in ihrer Spur an mir vorbeirauschen, natürlich ohne einen Sicherheitsabstand, den sie eigentlich einhalten müssen. Nein, sie fahren ja in ihrer Spur!. „Schutzstreifen“ schützen nicht, sondern sie schüren Spurdenken. Diese paar Meter waren defintiv Nervenkitzel, den ich mir sonst auf der rechten Fahrbahnspur ganz einfach gespart hätte – aber ich wollte die Verkehrsregeln ja pedantisch befolgen.

Kleine Anekdote: die nächste Straßensperre war auch bald gefunden:

Straßenblockade 1

Straßenblockade 1

Da stand es also, daß nächste „Radfahrer absteigen“ in einer neuen Kombination. Daß das Zusatzschild unter das Verkehrsschild gehört – Schwamm drüber! Und daß diese Konstruktion einfach mitten auf den benutzungspflichtigen Radweg gepflanzt wurde … was soll man denn noch erwarten?

Immerhin, ich weiß jetzt, wer sich in Köln diese feinen Straßenschildkombinationen ausdenken darf:

Straßenblockade 2

Straßenblockade 2

Die Jungs brauchten vielleicht nen Parkplatz für ihre Baumaschine, da kann man den Radweg ja gerne mal sperren. Immerhin nicht viel weiter gab es die nächste Blockade, dieses mal gänzlich ohne den Mißbrauch von Verkehrszeichen:

Straßenblockade 3

Straßenblockade 3

Die Bauarbeiter dieser Baustelle meinen also, daß ich -ohne abzusteigen- mich durch den 30 cm breiten Engpaß zwängen kann. Nein, der Herr im Bild macht den zugemuteten Stunt ja vor. Meine Schwester mit ihrem Kinderanhänger samt zwei Kleinkindern, was würde sie jetzt nochmal tun? Und außerdem: wo mögen sich wohl die Fußgänger fortbewegen?

Um es ganz deutlich zu sagen: ich würde solche Wege normalerweise schlichtweg nicht fahren, sondern sie weitestgehend vermeiden, selbst wenn ich sie offiziell fahren muß. Es ist vollkommen klar, daß man in Köln als Fahrradfahrer ganz offensichtlich als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse gilt, anders sind diese Schikanen auf einem 8 km langen Weg nicht zu erklären. Und falls es nicht klar sein sollte: die Radwegebenutzungspflicht soll die Fahrradfahrer schützen und nicht den KFZ-Verkehr vom Ballast befreien – so steht es zumindest im Gesetz.

Sollten die Menschen, die diesen Unsinn verzapfen, diese Zeilen einmal lesen, kann ich ihnen -was Baustellen angeht- die sehr informative Broschüre „Baustellenabsicherung im Bereich von Geh- und Radwegen“ empfehlen. Wenn in Köln nur die Hälfte dessen, was dort berichtet wird, durchgeführt werden würde, dann wären viele Baustellen für Fahrradfahrer schon mal sinnvoller und sicherer.

Ich erreichte mein Ziel schließlich (gesund, immerhin!) in guten 25 Minuten (reine Fahrzeit ohne die Fotopausen), das sind ca. 10 Minuten länger als üblich. Ich wette: würde der Autoverkehr behindert, dann wäre der Aufschrei groß.

Auch die Rückfahrt gestaltete sich abenteuer- und ärgerlich, hier spielten die Kölner Verkehrsbetriebe eine nicht unerhebliche Rolle. Davon berichte ich morgen.

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Tags: Baustellen · Innenstadt · Radwege · Zoobrücke

9 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 Selbstversuch: Horrortrip zurück aus der Innenstadt // Aug 10, 2008 at 15:42

    […] Tour mit Trekkingrad von Köln-Mülheim zum Zülpicher Platz folgte auch eine abenteuerliche Rückfahrt. Die Kölner Ringe, eine gut besuchte Flanier-, […]

  • 2 Schrottie // Aug 10, 2008 at 21:45

    Äußerst, öhem… „interessante“ Strecke die da zu fahren ist. Irgendwie erinnert das mich an die ersten 4 Kilometer meines derzeitigen Arbeitsweges.

  • 3 Hans // Aug 12, 2008 at 12:43

    Diese Fallenstellerei auf der Zoobrücke ist vermutlich noch ein Klacks gegen das, was uns während der kommenden Sanierung der Mülheimer Brücke bevorstehen wird.

  • 4 siggi // Aug 12, 2008 at 16:13

    Hallo

    Glückwunsch erst mal für diesen Internetauftritt.

    Ein paar Anmerkungen zur Zoobrücke.
    Das Zeichen 254 (Verbot für Radfahrer) gilt für die ganze Strasse. Also in dem Fall für die gesamte Brücke in diese Richtung
    Das Zeichen 237 mit Zusatz “Ende” bedeutet nur, dass hier der BENUTZUNGSPFLICHTIGE Radweg endet. Ob hier ein anderer Radweg weiter führt entscheidet der otpische Eindruck.

    Köln ist eine, wenn nicht die, fahrradfeindlichste Stadt Deutschlands.

  • 5 siggi // Aug 12, 2008 at 19:21

    Hab noch was vergessen.
    Das Schild „Radfahrer absteigen“ bdeutet ja nicht, dass man schieben muss, von schieben steht da nix. Man muss eben das machen was auf dem Schild steht. Danach fährt man weiter. Ich mache das immer so. Ich steige ab, steige wieder auf und fahre weiter. Einen Geltungsbereich hat das Schild ja nicht. Oder hat schon Jemand das Schild „Radfahrer wieder aufsteigen gesehen“?

  • 6 nobody // Mai 27, 2009 at 20:28

    http://bernd.sluka.de/Radfahren/absteigen.html

  • 7 Daniel // Sep 4, 2014 at 07:43

    Zu dem letzten Foto und der dazugehörigen Beschreibung… Das sind doch nicht nur 30cm. Wie man durch den rasant durchfahrenden Radfahrer auf dem Foto erkennt, gibt es an dieser Stelle nicht diese Poller, die weiter vorne im Bild noch da sind… Genügend Platz für Kinderanhänger.

    Und wieso sorgen Sie sich an dieser Stelle um die Fußgänger? Die laufen doch so und so nicht hier. Ist doch ein Radweg. Der Fußweg ist auf dem Bild rechts hinter dem Gerüst. Erkennt man auch noch leicht.

    Wenn Sie hier immer so übertreiben, komme ich aber durchaus mal zurück auf diese gerade durch Zufall gefundene Seite – um mich zu amüsieren!

  • 8 Mirko // Dez 23, 2016 at 07:39

    Die Broschüre „Baustellenabsicherung“ ist super! Ich hab‘ direkt mal 10 Exemplare bestellt (s. link). Die werd‘ ich demnächst an meinen Lieblingsbaustellen verteilen.

  • 9 Marco // Dez 23, 2016 at 18:12

    Problem: die müssen das auch LESEN und VERSTEHEN! Und umsetzen wollen!

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