Am Freitag, den 11.3.2011 wurde an der Kreuzung Gleueler Str./Militärringstraße eine 20jährige Radfahrerin von einem LKW totgefahren. Hier ein Auszug aus der Pressemeldung der Kölner Polizei (Hervorhebung von mir):
„Nach ersten Ermittlungen kam es beim Abbiegevorgang zur Kollision mit der Radfahrerin, die ebenfalls die Gleueler Straße in gleicher Richtung befuhr. Der Sattelzug erfasste die bisher noch nicht identifizierte Frau mit den Hinterreifen. Dabei zog sich die Radfahrerin, die keinen Fahrradhelm trug, schwerste Kopfverletzungen zu, denen sie noch am Unfallort erlag. Der Lkw-Fahrer erlitt einen Schock und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert.“
Die Kölner Presse berichtete auf Basis dieser Pressemeldung über den Unfall und hatte auch Fotos vom Unfallort parat. Der Artikel im Kölner Stadtanzeiger (KStA). Die dazugehörige Bildergalerie im KStA. Der Artikel im Kölner EXPRESS.
In beiden Artikeln (selber Verlag) wurde der zunächst vorhandene Passus „die keinen Fahrradhelm trug“ am Sonntag, den 13.März 2011 ohne besonderen Vermerk entfernt (es gibt noch einen Artikel in der Kölnischen Rundschau, den ich nicht rechtzeitig gelesen habe.). Ebenso auf der Website des Aktionsbündnisses Velo 2010. Beim KStA findet sich aber in der „Bildergalerie“ mit mehreren Fotos vom Unfallort (auf die Fahrradhelm Bemerkung und die Galerie wird in den Kommentaren zum Artikel noch eingegangen) bei Foto 6 wieder die Bemerkung „die keinen Fahrradhelm trug„. In der gedruckten Ausgabe des KStA war er nicht vorhanden (kurze Meldung mit kleinem Foto), aber in der gedruckten Ausgabe des EXPRESS (mit der Überschrift „Radfahrerin von Lkw-Reifen überrollt – tot“).
Es ist tragisch, daß diese junge Frau so sinnlos ihr Leben lassen mußte und ich wünsche ihren Angehörigen von Herzen viel Kraft in dieser schweren Zeit!
Es ist zweifelsohne makaber, wie die Polizei Köln und somit auch die von der Pressemeldung abschreibende Presse mit dem Unfall umgeht. Es ist völlig irrelevant, ob die Radfahrerin einen Helm trug oder nicht! Mit solch einer Formulierung wird suggeriert, daß die Radfahrerin womöglich selbst Schuld an diesem Unfall (und damit ihrem Tod) sei, da sie keinen Helm trug. Velo 2010 schreibt auch „Möglicherweise befand sie sich im „Toten Winkel“, was ebenfalls den Eindruck erweckt, als hätte sie sich dort freiwillig hinbegeben.
Was sowohl in der Pressemeldung der Polizei, als auch in den Artikeln der Zeitungen komplett fehlt, ist ein Hinweis auf die Verkehrssituation für die Radfahrerin an dieser Kreuzung. Dort verläuft ein „Radweg“, per Google Street View gut zu erkennen. Der „Radweg“ ist per Zeichen 237 als benutzungspflichtig ausgeschildert und es gibt zusätzlich Parkplätze und Grünbereiche zwischen Fahrbahn und „Radweg“, die noch mehr dafür sorgen, daß KFZ-Führer Radfahrer nicht wahrnehmen.
Das heißt, es wurde der Radfahrerin behördlich angeordnet, an der Unfallstelle rechts neben dem LKW zu fahren.
Natürlich kenne ich den genauen Unfallhergang nicht. Ich kann aber mutmaßen, daß die Radfahrerin den „Radweg“ benutzte und es sich bei dem Unfall somit um den traurigen Klassiker handelt – Rechtsabbiegerunfall mit „Radweg“. Dafür sprechen die Fotos des KStA, auf denen man die Standorte von LKW und Fahrrad sieht, ein paar Meter weiter auf der Militärringstraße (durch das Halteverbotsschild gut zu lokalisieren). Eine diesbezügliche Anfrage an die Polizei Köln habe ich soeben gestellt.
Ich empfinde es als makaber, daß dieser (mögliche) Umstand anscheinend nicht in Betracht gezogen, zumindest mit keinem Wort erwähnt wird.
Womöglich könnte die Radfahrerin noch leben, wenn sie auf der Fahrbahn gefahren wäre, wo der LKW Fahrer sie hätte sehen MÜSSEN – zumindest eher, als hätte sie einfach nur einen Helm getragen!
[Nachtrag]
Hier noch einige weitere etwas ausführlichere Artikel, alle gefunden über Google News (dort findet man noch dutzende Artikel, die den Polizeitext quasi wortwörtlich übernommen haben):
19 Antworten bis jetzt ↓
1 Wolfgang // Mrz 14, 2011 at 09:00
Das hatten wir doch schonmal bei der Unfallstatistik: Hier (http://total-geraedert.blogspot.com/2011/03/kolner-polizei-gibt-auf.html) habe ich einen Brief von der Polizei, in dem auch „mehr Helme“ anstatt „weg mit der Radwegepflicht“ oder „her mit Toter-Winkel-Warnern für LKW“ steht.
2 arvo // Mrz 14, 2011 at 09:23
Makaber? Ich finde das zynisch! Zumal es nicht das erste mal ist: Da rollt ein LKW über den Brustkorb eines 22-jährigen jungen Mannes, der aufgrund seiner Verletzungen verstirbt und die Polizei stellt fest: “Der LKW-Fahrer war nach eigenen Angaben angeschnallt. Der Radfahrer trug keinen Fahrradhelm.” (www.velo2010.de/archiv/2008/august-2008/ : Tödlicher Verkehrsunfall eines Radfahrers im „Toten Winkel“ 19.08.2008, 15:31 Uhr, Köln-Braunsfeld, Aachener Straße/Militärringstraße).
3 leni // Mrz 14, 2011 at 10:30
die beschrieben junge frau ist schülerin und um die 18 jahre alt. einfach nur furchtbar !
4 Ulrike // Mrz 14, 2011 at 13:20
Ich muss schon sagen, je mehr ich solche Artikel lese, um so entsetzter bin ich. Auf jeden Fall haben mich eure Berichte darüber schon seit längerem dafür sensibilisiert, auf Lkw besonders zu achten.
Wenn ich jegliche Möglichkeit ausschließen will, dass so etwas passiert, müsste ich eigentlich an jeder Kreuzung, die ich auf dem Radweg passiere, mich umdrehen und schauen, wer evtl. rechts abbiegen möchte. Ich glaube, das macht niemand. Ich fahre zwar mit weniger Tempo auf Kreuzungen zu und achte auch darauf, ob Autos auf einer evtl. Rechtsabbiegerspur unterwegs sind…
Ich find das einfach schrecklich und die zynische Krönung ist die Berichterstattung darüber in den Medien. Von wegen Helm… blabla. Klar kann ein Helm schon mal helfen, aber so zu tun, als ob der Helm das Allheilmittel schlechthin wäre… ätzend.
5 Olaf // Mrz 14, 2011 at 15:46
Hat denn der LKW-Fahrer geblinkt? Scheint ja auch immer mehr aus der Mode zu geraten, und das Unglück hätte womöglich verhindert werden können, aber nicht durch ein bisschen Styropor am Kopf. Aber die Polizei blinkt ja selbst erfahrungsgemäß oft nicht.
6 siggi // Mrz 14, 2011 at 16:51
Wenn man dann noch bedenkt, dass die Radwegbenutzungspflicht dort illegal angeordnet wurde, der Radweg nicht den baulichen Bestimmungen entspricht und in den Verkehrsbehörden garantiert schon die nächste Radwegfalle geplant wird, dann kann schon den Eindruck bekommen hier hätte man es mit einer terrorristischen Vereinigung zu tun.
Wann findet sich denn endlich mal ein Rechtsanwalt der, in solchen Fällen, die wahren Täter vor den Staatsanwalt zieht.
7 Patrick Kaster // Mrz 14, 2011 at 18:10
Eine kleine Korrektur sei angebracht:
Der tödliche Lkw-Unfall ist noch garnicht auf Velo2010 erfaßt.
Du schreibst: “Velo 2010 schreibt auch “Möglicherweise befand sie sich im “Toten Winkel”, was ebenfalls den Eindruck erweckt, als hätte sie sich dort freiwillig hinbegeben.“
Das bezieht sich auf einen weiteren Unfall mit Lkw Beteiligung in der Innenstadt. Und in der Brüsseler Str. gibt es zumindest keinen Radweg.
8 arvo // Mrz 14, 2011 at 20:05
Patrick, der Unfall ist erfasst: Unter dem Reiter UNFALLGESCHEHEN in der Rubrik Unfälle mit Todesfolge.
9 Koelnradler // Mrz 14, 2011 at 21:27
Marco, ich stimme Deinen Ausführungen voll und ganz zu. Allerdings möchte ich noch hinzufügen, dass sich der Unfall bestimmt exakt so ereignet hätte, wenn hier keine Benutzungspflicht angeordnet gewesen wäre. Es reicht nicht aus, die Benutzungspflicht abzuschaffen, sondern die Radfahrer müssen über die Gefährlichkeit von Radwegen aufgeklärt werden. Ich schätze, dass mindestens 90% aller (Freizeit-)Radfahrer glauben, dass ein Radweg der sicherste Ort für sie im Strassenverkehr ist. Und diese 90% würden mit Sicherheit auch einen nicht benutzungspflichtigen Radweg benutzen. Hier würde nur ein Rückbau, bzw. eine Umwidmung helfen. Aber ich schätze, dass Du das genau so siehst.
10 Patrick Kaster // Mrz 14, 2011 at 22:47
@arvo:
Oh, ja stimmt. Danke! Hatte ganz vergessen, dass die tödlichen Unfälle auf einer eigenen Seite stehen.
Ist schon bitter, wenn man vor lauter schweren Unfällen mit Lkw Beteiligung den Überblick verliert.
11 Marco // Mrz 14, 2011 at 23:20
Ja, Patrick – zumal es irgendwo in Richtung Euskirchen NOCH einen LKW/Radfahrer Unfall gab. Ich wurde heute übrigens Zeuge eines typischen „Radweg“ Unfalls und in dem Sinne stimme ich dem Kölnradler natürlich zu – „Radwege“ weg alleine reicht nicht, es muß dazu ganz strikte Aufklärungsmaßnahmen geben.
12 Ene, mene, mu – und schuld bist Du! « Alltag eines Radfahrers // Mrz 15, 2011 at 00:41
[…] tödlich angefahren wurde. Dies ist für sich schrecklich genug. Marco Laufenberg weist in seinem Blogbetrag völlig zu recht darauf hin, dass es überaus makaber ist, wenn die Kölner Polizei in ihrer […]
13 der_simon // Mrz 15, 2011 at 09:34
So langsam nervt es echt…
Hatte neulich auch schon drüber berichtet und die Velo2010-Statistik auseinandergenommen:
http://blog.simon-kuehn.de/archives/2011/02/15/ein-sehr-trauriger-simon/
Viel krasser finde ich, dass Berlin deutlich weniger tote Radfahrer zu vermelden hat:
http://blog.simon-kuehn.de/archives/2011/03/10/velo-2010/
Ich überlege immer konkreter mal ein paar Flugblätter für die Cycolonia zu machen.
Der Simon
14 der_simon // Mrz 15, 2011 at 09:37
Nachtrag: es gibt einen neuen Artikel im KStA: http://www.ksta.de/html/artikel/1299828886140.shtml
Wenn selbst die Staatsanwaltschaft Köln sagt, dass erst was passieren muss, damit was passiert…
15 Marco // Mrz 15, 2011 at 09:44
@Simon: bei Flugblättern wäre ich dabei. Ich fahre allerdings Samstag ne Tour und werde -wenn überhaupt- eher sonntags zur Cycolonia. Haben die Herrschaften von der StVB wieder einen Stand?
Was die Staatsanwaltschaft angeht … man weiß ja, wie das In Köln funktioniert …
16 Heizöllieferant // Mrz 15, 2011 at 16:49
Leute, nicht nur jammern! Stellt Strafantrag gegen die für die Benutzungspflicht Verantwortlichen! Bei jedem solcher Unfälle. Und wer Mut hat, weist Angehörige auf das illegale Tun der Behörden hin, das ja immerhin mitursächlich ist.
17 Marco // Mrz 15, 2011 at 16:58
Lieber Heizöllieferant,
GENAU DAS, nämlich Strafanzeige wegen einer Radfahrer gefährdenden Stelle hat ein hier Mitlesender vor kurzem getan. Sinngemäße Antwort der Staatsanwaltschaft „keine gefährliche Stelle, ist ja bisher nichts passiert“!
Ich war heute an der Unfallstelle, hatte Tränen in den Augen und für ein stilles Gebet inne gehalten. Es ist schrecklich, sich die Blumen, Fotos und Nachrichten an das Mädchen anzuschauen.
Und Nein, ich wollte den Angehörigen nicht mit unseren schlagkräftigen Argumenten, Statistiken und Erfahrungen kommen. Ich glaube, die haben derzeit was anderes zu tun!
18 Heizöllieferant // Mrz 19, 2011 at 10:21
> “keine gefährliche Stelle, ist ja bisher nichts passiert”
Also nicht „Genau das“. Hier ist etwas passiert, also jetzt Strafantrag. Zusätzlich kann man, bevor etwas passiert ist, die Behörde auf gefährliche Stellen hinweisen. Dann gibt es keine Ausreden mehr.
19 Frieda // Apr 7, 2011 at 09:56
An alle,
es ist schrecklich was auf den Straßen passiert, hier noch ein sehr trauriger Bericht über die arme Ida.
Das Fahrrad ist völlig unversehrt, ich verstehe das nicht.
http://www.ksta.de/html/artikel/1299828886140.shtml
LG,
Frieda
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