Mit dem Fahrrad in und um Köln

Ein Watchblog für Kölner Radverkehrspolitik

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Verkehrspolitische Hetze

September 17th, 2010 · 6 Kommentare

Verkehrspolitische Hetzparolen ruft der Kölner EXPRESS seit einigen Tagen, teilweise sogar auf seiner Titelseite aus.

Im weitesten Sinne geht es um die bewußte Vorrangschaltung von Ampelanlagen für den ÖPNV durch die Straßenverkehrsbehörde, welche zu Lasten der Autofahrer geht, die „dadurch im Stau stehen“. Laut EXPRESS wird der Nachrang der KFZ von der StVB bewußt vorgenommen, um Autofahrer zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen. Dies stellt selbstverständlich eine Schikane und Bevormundung dar, die sich in einer großen „Stau-Wut“ äußert. Man mag meinen, daß ganz Köln zutiefst leidet und gegen Einschränkungen zugunsten ökologisch sinnvolleren Verkehrs komplett auf die Barrikaden geht. Dies bezeugen auch die täglich mehreren abgedruckten Leserbriefe verzweifelter Seelen, die es erscheinen lassen, als wäre es eine Zumutung, innerstädtischen Verkehr wohlmöglich auch nur ansatzweise ohne Auto stattfinden zu lassen. Dabei wird -bei einer rot-grünen Regierung- sogar die Trumpfkarte „Umweltschutz“ gespielt, denn die rot-grünen Gipsköpfe sind selbstverständlich schuld, wenn Autos keine „grüne Welle“ haben und an der Ampel die Luft verpesten. Zur Not sind die KVB-Bahnen ausschließlich alle verdreckt, bzw. fahren nie. Was vermutlich nur Mitmenschen zu behaupten wagen, die das letzte mal vor 20 Jahren eine Bahn betreten haben.

Was das alles in einem Fahrradblog zu suchen hat? Nun ja, ich bin sehr, sehr gerne dabei, wenn es darum geht, das Amt für Straßen- und Verkehrstechnik zu kritisieren. Auch ich halte -ganz wie der Kölner EXPRESS und suggestiv seine  komplette Leserschaft- die Mehrheit der Menschen dort für ignorant und unfähig – allerdings aus ganz anderen Gründen.

Wenn Du, lieber EXPRESS, Dich mal als Organ Schwächerer geben würdest, dann würdest Du feststellen, daß man als Autofahrer in Köln auf Rosen gebettet wird, im Vergleich dazu, wie man uns Radfahrer über gefährliche Todesfallen und in abstruse Situationen schickt! Darüber findet sich leider nie etwas im Lokalteil, geschweige denn als täglicher Fortsetzungsroman, selbst wenn jemand totgefahren wird.

Stattdessen wird feinste Lobbyarbeit betrieben und die ADAC-Studie (!) seit nunmehr knapp 2 Wochen zum lokalpolitischen Thema Nummer 1 aufgebauscht. Wir Radfahrer haben leider keine so einflußreiche Lobby, als daß berechtigte Forderungen für die Sicherheit von Radfahrern es auf die Titelseite schaffen würden.

Solche Gedanken äußern EXPRESS-Leser nicht in ihren Briefen, als würde es die Aspekte gar nicht geben. Somi versende ich Teile dieses Artikels als Leserbrief an die EXPRESS-Redaktion, ich gehe fast jede Wette ein, daß dieser nicht abgedruckt wird, denn das würde ja nicht ins Bild der armen, gegängelten Autofahrer passen, apropos:

Ich finde ausdrücklich, daß die Vorrangschaltung des ÖPNV das Einzige ist, für das man unsere StVB tatsächlich einmal loben kann!

Statt Forderung nach „Grüner Welle“ und der aggressiven Forcierung von „Stau-Wut“ in der Bevölkerung, sollte man den Menschen klar machen, daß sie ihr Auto besser so oft wie möglich stehen lassen. Den Kölner EXPRESS habe ich übrigens in 34 Minuten Bahnfahrt von Köln-Mülheim nach Hürth durchgelesen. Praktisch, oder?

Einem Modellversuch in Bamberg, Halle, Dortmund und Karlsruhe nach, gibt es ein enormes CO2-Sparpotential beim Umstieg vom Auto aufs Fahrrad für Kurzstrecken: 3,9 Mrd PKW-Kilometer, bzw 1 Mio Tonnen CO2. Und der gesundheitliche Aspekt ist hier noch gar nicht berücksichtigt!

Eine Headline in 5 Zentimeter großen Buchstaben, „Kölner gegen den Kollaps, wir steigen um auf Bus, Bahn und Fahrrad“ ist aber leider sicherlich Utopie … oder?

In diesem Sinne: Burn fat, not oil!

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Tags: Allgemein · Presse

6 Antworten bis jetzt ↓

  • 1 thomas // Sep 18, 2010 at 12:06

    First!

    hehe

    Danke. Sehr guter Kommentar.

  • 2 fred // Sep 18, 2010 at 15:53

    Ich würde mich ja freuen, wenn die Verkehrsberichterstattung in den LEITmedien weniger auf ADAC-vorformulierte Texte beschränkt wär. Thema Fahrrad bei SPON, faz, sueddeutsche etc. ist Hobby und Technik, aber selten Verkehrsmittel. Zu öffentlichen Verkehrsmitteln gibt’s gar keine Berichte außer im Rahmen vom DB-SNAFU. Also in 20 Jahren vielleicht den nächsten Express kaufen, frühestens.

    edit: tschuldigung wurstfinger

  • 3 Kölner Fahrradsternfahrt 2010 | Medienecken und wasmirindensinnkommt // Sep 19, 2010 at 10:48

    […] Ver­kehrs­po­li­ti­sche Hetze Express […]

  • 4 wolfgang // Sep 20, 2010 at 10:13

    Danke. Gut, dass Du das geschrieben und auch an den Express geschickt hast. Weitermachen!

  • 5 Hans // Okt 8, 2010 at 14:13

    Gab’s schon eine Reaktion von Seiten des Express?

  • 6 Marco // Okt 11, 2010 at 11:46

    @Hans: Nein. Wird es sicherlich auch nicht geben. Zumal das Thema derzeit durch die „Raucher-Wut“ verdrängt wurde. Bald ist Karneval und dann füllt sich der Lokalteil eh wieder von selbst …

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